Tumorzellen gezielt zerstören: Wie Partikeltherapie mithilfe von Künstlicher Intelligenz effektiver wird
Strahlentherapie kommt heute bei der Behandlung vieler Krebsarten zum Einsatz, weil sie direkt am Tumorgewebe ansetzt. Großes Innovationspotenzial birgt die Partikeltherapie, die mit Protonen oder schweren Ionen als beschleunigten Teilchen besonders zielgenau arbeitet. Begleitende bildgebende Verfahren erleichtern das Planen und dokumentieren die Treffsicherheit der Behandlung. Um die Visualisierung als Entscheidungshilfe noch zuverlässiger und das gesamte Verfahren „anwendungsreifer“ zu machen, nutzt das Forschungskolleg SIVERT, getragen von der TU Kaiserslautern und der Hochschule Worms, jetzt Künstliche Intelligenz. Das Land Rheinland-Pfalz fördert das Vorhaben mit gut 700.000 Euro.
Krebs zählt zu den großen gesundheitlichen Herausforderungen der Menschheit. Laut WHO liegt die Wahrscheinlichkeit bis zum 75. Lebensjahr daran zu erkranken in Deutschland bei 30,2 Prozent [WHO18a]. Kommt es zur Behandlung, ist die Strahlentherapie neben operativen Eingriffen und Chemotherapie die dritte tragende Säule der Krebstherapie.
Mit ihrer Grundlagenforschung im Rahmen von SIVERT (Sichere und Intelligente Visualisierungs- und Echtzeit-Rekonstruktionstechniken) wollen die TUK und die Hochschule Worms dazu beitragen, dass im Falle von Bestrahlungen die Partikeltherapie stärker in die Anwendung kommen kann. „Die beschleunigten Teilchen, mit denen das Tumorgewebe beschossen wird, sind aufgrund ihres energetischen Verhaltens in der Lage, punktgenauer zu den Krebszellen vorzudringen und das umliegende gesunde Gewebe zu schonen“, erklärt Prof. Dr. Christoph Garth, der an der TUK im Fachbereich Informatik das Scientific Visualization Lab leitet. „Genau das macht die Methode so vielversprechend. Eine große Herausforderung stellen allerdings die enormen Datenmengen dar, die für die begleitende Visualisierung aufgenommen und in Echtzeit verarbeitet werden müssen, um eine sichere und effektive Therapie zu garantieren.“
Indem sie ihre Expertisen in punkto Datenverarbeitung und Künstlicher Intelligenz kombinieren, machen die Forscher im Rahmen von SIVERT nun Algorithmen fit für diese schnellen Rechenaufgaben. Die TUK bringt speziell ihre Methodenkompetenzen in den Bereichen Maschinelles Lernen und Visualisierung in das Projekt ein und ermöglicht den fachlichen Austausch mit internationalen Partnern. Neben Garth ist Prof. Dr. Nicolas R. Gauger eingebunden, der an der TUK den Lehrstuhl für Scientific Computing leitet und umfassende Kompetenzen in Maschinellem Lernen einbringt.
Finanzielle Unterstützung erhält das Kolleg vom Land Rheinland-Pfalz, das im Rahmen des Programms „Forschungskolleg Rheinland-Pfalz“ kooperative Promotionsvorhaben von Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften fördert. Ministerpräsidentin Malu Dreyer überreichte am 1. Oktober 2020 den Verantwortlichen im Kolleg die entsprechenden Zuwendungsbescheide, die für SIVERT insgesamt 717.000 Euro bereitstellen.
„Wir freuen uns, dass wir mit SIVERT an der TUK ein weiteres Forschungskolleg starten können. Somit waren wir seit 2018 in bislang allen drei Förderrunden des Landes erfolgreich“, sagt Prof. Dr. Werner R. Thiel, Vizepräsident für Forschung und Technologie an der TUK. „Ein zentraler Aspekt der Forschungskollegs ist die enge Zusammenarbeit von Universität und Hochschule bei der Ausbildung von Doktorand*innen. Hier können die Kandidat*innen von etablierten Strukturen an der TUK profitieren, die ihnen neben Forschungs- und Methodenkompetenz auch überfachliche Schlüsselqualifikationen für den beruflichen Sektor vermitteln – insbesondere im Rahmen des TU Nachwuchsrings. Nicht zuletzt trägt das Kolleg mit der Einbindung von Künstlicher Intelligenz in sein Forschungsprogramm dazu bei, unser nationales und internationales Forschungsprofil weiter zu schärfen.“
Die beiden bereits laufenden Forschungskollegs, in denen die TU Kaiserslautern mit Hochschulpartnern kooperiert, sind iprocess (seit 2018) und NeuroDegX (seit 2019). iprocess fokussiert darauf, intelligente Prozessentwicklung von der Modellierung bis zum Produkt für Prozessentwicklungen im Bereich chemischer, biotechnologischer und pharmakologischer Verfahren zu erforschen. NeuroDegX hat sich der Alzheimerforschung verschrieben. Das Konsortium arbeitet an der Identifizierung, Isolation, Charakterisierung und Modifizierung potentiell neuroprotektiver Substanzen biologischen Ursprungs.
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Christoph Garth
Fachbereich Informatik
Tel.: 0631 205-3800
E-Mail: garth@cs.uni-kl.de