Neue Studie: Klima und Kohlenstoffkreislauf in ständiger Wechselwirkung
Klimaforschende aus Bremen zeigen, wie sich die Interaktionen zwischen Klima und Kohlenstoffkreislauf in den vergangenen 35 Millionen Jahren verändert haben
Die aktuelle Klimakrise zeigt, dass sich das Klima vor allem dann verändert, wenn der Kohlenstoffkreislauf gestört wird. In einer neuen Studie haben Forschende des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen untersucht, wie der Kohlenstoffkreislauf und das globale Klima in den vergangenen 35 Millionen Jahren unter natürlichen Bedingungen zusammenwirken. Ihre Ergebnisse wurden jetzt in Nature Communications veröffentlicht.
Die vom Menschen verursachte globale Erwärmung wurde lange Zeit als eine relativ einfache Kette von Ursache und Wirkung dargestellt: Der Mensch beeinflusst den Kohlenstoffkreislauf durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe und erhöht dadurch die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre, was wiederum zu höheren Temperaturen weltweit führt. „Waldbrände werden überall auf der Welt häufiger, setzen zusätzliches CO2 frei und verstärken die globale Erwärmung, die die Waldbrandgefahr überhaupt erst erhöht hat. Dies ist ein Lehrbuchbeispiel für das, was Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler einen positiven Feedback-Mechanismus nennen“, erklärt Dr. David De Vleeschouwer vom MARUM, Erstautor der Studie.
Um diese Art von Rückkopplungsmechanismen des Klima-Kohlenstoffkreislaufs unter natürlichen Bedingungen aufzudecken, nutzten David De Vleeschouwer und seine Kolleginnen und Kollegen Isotopendaten aus Tiefsee-Sedimentkernen. „Einige dieser Kerne enthalten Sedimente, die bis zu 35 Millionen Jahre alt sind. Trotz ihres beachtlichen Alters tragen diese Ablagerungen einen deutlichen Abdruck der so genannten Milanković-Zyklen. Milanković-Zyklen beziehen sich auf rhythmische Änderungen in der Form der Erdumlaufbahn (Exzentrizität) sowie auf die Neigung (Schiefe) und Ausrichtung (Präzession) der Erdachse. Wie ein astronomisches Uhrwerk verändern die Milanković-Zyklen, wie die Sonneneinstrahlung auf dem Planeten verteilt ist“, erklärt De Vleeschouwer. Dafür hat das internationale Team die Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopenzusammensetzung von Mikrofossilien innerhalb des Sediments untersucht. Exzentrizität, Achsenneigung und Präzession dienten ihnen dabei als geologisches Chronometer. Mit Hilfe statistischer Methoden bestimmten sie dann, wie sich die Isotopensysteme zueinander verhalten – und ob das Klima oder der Kohlenstoffkreislauf die treibende Kraft hinter den Veränderungen sind.
„Wenn ein gemeinsames Muster in beiden Isotopensystemen nur etwas früher im Kohlenstoff-Isotopensystem im Vergleich zum Sauerstoff-Isotopensystem auftritt, nennen wir dies einen Kohlenstoff-Isotopenvorsprung. Daraus schließen wir, dass der Kohlenstoffkreislauf zu dem Zeitpunkt, als sich das Sediment am Ozeanboden abgelagert hat, das Klimasystem kontrollierte“, erklärt Co-Autor Dr. Maximilian Vahlenkamp, ebenfalls vom MARUM. Paläoklimatologen und Paläozeanographen verwenden häufig Kohlenstoffisotope als Indikator für Veränderungen im Kohlenstoffkreislauf. Sauerstoffisotope gelten als Nachweis, ob sich der globale Klimazustand verändert. Verändert sich die Isotopenzusammensetzung dieser kalkhaltigen Tiefsee-Mikrofossilien, ist das zum Beispiel ein Hinweis darauf, dass mehr Kohlenstoff in Landpflanzen und Böden gespeichert wurde – oder auf eine globale Abkühlung mit einer Zunahme des Kontinentaleisvolumens.
„Diese systematische und zeitkontinuierliche Analyse von Begünstigen und Verzögern zwischen Kohlenstoffkreislauf und Klima macht den innovativen Charakter dieser Studie aus. Unser Ansatz ermöglicht es, die Erdgeschichte der letzten 35 Millionen Jahre in hoher Auflösung zu verfolgen“, sagt Prof. Heiko Pälike vom MARUM. „Wir zeigen, dass sich die vergangenen 35 Millionen Jahre in drei Intervalle mit jeweils spezifischem Klima-Kohlenstoffzyklus unterteilen lassen.“ Die Autorinnen und Autoren stellen fest, dass Sauerstoffisotope zu Schwankungen der Kohlenstoffisotope führen. Dies bedeutet, dass unter natürlichen Bedingungen Klimaschwankungen die Dynamik des globalen Kohlenstoffkreislaufs weitgehend regulieren. Das Forschungsteam konzentrierte sich jedoch auf Zeiten, in denen das Gegenteil der Fall war. Tatsächlich fanden De Vleeschouwer und seine Kolleginnen und Kollegen einige Beispiele für Zeitintervalle in der Vergangenheit, in denen der Kohlenstoffkreislauf den Klimawandel auf Zeitskalen von etwa 100.000 Jahren angetrieben hat, so wie es heute auf viel kürzeren Zeitskalen der Fall ist, „aber dann natürlich ohne menschliches Zutun“, wie Heiko Pälike betont.
Während des ältesten untersuchten Intervalls, vor 35 bis 26 Millionen Jahren, dominierte der Kohlenstoffkreislauf den Klimawandel vor allem, wenn das Klima stabil war. „Perioden der Klimastabilität haben oft eine astronomische Ursache. Wenn die Umlaufbahn der Erde um die Sonne nahe an einem perfekten Kreis liegt, fallen jahreszeitliche Sonneneinstrahlungsextreme weg und es wird ein ausgeglicheneres Klima erzwungen“, erklärt David De Vleeschouwer.
Doch vor etwa 26 Millionen Jahren kehrte sich der Modus Operandi um. Dann übernahm der Kohlenstoffkreislauf die Kontrolle über das Klima, als es Schwankungen unterlag. „Wir glauben, dass dieser Wandel verursacht wurde, als sich der Himalaya erhoben hat und Monsune den Klimazustand dominierten. Wenn saisonale Sonneneinstrahlungsextreme durch eine exzentrische Erdumlaufbahn verstärkt werden, können Monsune wirklich intensiv werden. Stärkere Monsune erlauben mehr chemische Verwitterung, die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre und damit eine Kontrolle des Kohlenstoffkreislaufs über das Klima.“
Die von den Autoren vorgeschlagenen Mechanismen erklären nicht nur die beobachteten Muster der Kohlenstoff- und Sauerstoffisotopen, sie liefern auch neue Ideen, wie das Klimasystem und der Kohlenstoffkreislauf im Laufe der Zeit miteinander interagiert haben könnten. „Einige Hypothesen müssen mit numerischen Klima- und Kohlenstoffkreislaufmodellen weiter getestet werden, aber das in unserer Studie vorgestellte Verständnis der Prozesse ist wichtig, weil es einen Einblick in die Maschinerie unseres Planeten unter Bedingungen gibt, die sich grundlegend von den heutigen unterscheiden“, sagt David De Vleeschouwer. Darüber hinaus liefere Studie auch faszinierende Szenarien, die verwendet werden könnten, um künftig Klima-Kohlenstoff-Kreislauf-Modelle zu bewerten und auf Extremszenarien der geologischen Vergangenheit anzuwenden.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. David De Vleeschouwer
Paläozeanographie
Telefon: 0421 218 65984
E-Mail: ddevleeschouwer@marum.de
Originalpublikation:
David De Vleeschouwer, Anna Joy Drury, Maximilian Vahlenkamp, Fiona Rochholz, Diederik Liebrand, Heiko Pälike (2020). High-latitude biomes and rock weathering mediate climate-carbon cycle feedbacks on eccentricity timescales. Nature Communications. https://doi.org/10.1038/s41467-020-18733-w
Weitere Informationen:
http://www.marum.de