Radikalisierung junger Menschen: Gefährliche Spirale
Rechts, links, islamistisch: Was bringt junge Menschen in Deutschland dazu, sich politisch abzugrenzen und sich zu radikalisieren? Welche Dynamiken entstehen? Diese Fragen untersucht in den kommenden vier Jahren ein Verbundprojekt unter Leitung der Universität Duisburg-Essen (UDE). Es wird mit 2,5 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium gefördert, 1 Million Euro davon gehen an die UDE.
Die Politikwissenschaftlerin Prof. Susanne Pickel und der Integrationsforscher Prof. Haci-Halil Uslucan (beide UDE) untersuchen zusammen mit Teams von vier weiteren Universitäten, wie sich die Radikalisierung des Islam, seine pauschale Ablehnung und antidemokratische Mobilisierung immer enger verzahnen.
Denn seit dem 11. September haben Terroranschläge weltweit für ein negatives Bild vom Islam gesorgt. Rechtspopulisten und Rechtsextreme greifen diese Angst auf und bauen „den Islam“ und „die Muslime“, die sie unter Generalverdacht stellen, als ein neues Feindbild auf. Sie begegnen ihnen mit Ablehnung, Hetze und Gewalt.
Eine Folge: Nicht anerkannt von der Gesellschaft, in der sie leben, wenden sich junge Muslime fundamentalistischen Auslegungen des Korans bis hin zu einem fanatischen Islamismus zu. „Gleichzeitig radikalisieren sich politisch linke Gruppen; sie antworten aggressiv auf den rechten Hass, Rechtsextreme wiederum rächen sich. Es entsteht eine schwer zu durchbrechende, gefährliche Wechselbeziehung“, erklärt Susanne Pickel, die den Forschungsverbund leitet.
„Das große Problem ist, dass einige Jugendliche auf diese Radikalisierungsspirale anspringen und sich im Zuge dessen von der Demokratie abwenden. Wann und warum das so ist und warum man diese Konflikte nicht so einfach lösen kann, interessiert mich besonders.“, so Pickel.
Haci-Halil Uslucan vom Essener Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung sieht vor allem eine Gefahr, wenn junge Menschen ungerecht behandelt werden und Religion zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht werde: „Autoritäre Einstellungen, Erfahrungen der Abwertung und Diskriminierung sind ein Nährboden für die Akzeptanz von Gewalt und für eine Co-Radikalisierung.“
An dem Verbundprojekt sind verschiedene Disziplinen beteiligt, darunter Politikwissenschaft, Integrationsforschung, Islamwissenschaften, Sozialpsychologie und Religionssoziologie. Ziel des Vorhabens ist auch zu erarbeiten, wie man gegen eine (Co-) Radikalisierung junger Menschen intervenieren und wie man ihr vorbeugen kann.
Das Forschungsprojekt lautet „Radikaler Islam versus radikaler Anti-Islam. Gesellschaftliche Polarisierung und wahrgenommene Bedrohungen als Triebfaktoren von Radikalisierungs- und Co-Radikalisierungsprozessen bei Jugendlichen und Post-Adoleszenten“. Die Leitung hat die UDE. Projektpartner sind vier Wissenschaftler der Universität Leipzig, ein Forscher der Universität Osnabrück sowie eine Forscherin des Georg-Eckert-Instituts – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Susanne Pickel, Politikwissenschaften, Tel. 0203/37 9-3083, susanne.pickel@uni-due.de