Eine Identitätskarte für Südtiroler Weine: Interdisziplinäres Forschungsprojekt der unibz mit Weingut Franz Haas
Weinfälschungen vorbeugen und das Know-how von Südtirols Winzern um wissenschaftliche Erkenntnisse aus Önologie und Informatik erweitern: Das sind die ehrgeizigen Ziele eines interdisziplinären Forschungsprojekts von zwei Fakultäten der Freien Universität Bozen (unibz) und dem bekannten Weingut Franz Haas.
Was macht einen Wein unverwechselbar? Eine Frage, die Weinkenner in Verkostungen beschäftigt, während Kellermeister und Winzer dafür ihr technisches Know-how, ihren Instinkt und langjährige Erfahrung einbringen. Welchen Part die moderne Lebensmitteltechnologie und Datenverarbeitung beisteuern können, zeigt das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Wine-ID“, eine Abkürzung für Wine Idenity Card. Zwei Fakultäten der unibz, die Fakultät für Naturwissenschaften und Technik mit ihrem Oenolab sowie die Fakultät für Informatik, arbeiten in dem interdisziplinären Projekt gemeinsam mit dem Weingut Franz Haas daran, einen digitalen Fingerabdruck verschiedener Blau- und Weißburgunder seines Sortiments zu erstellen, indem sie die gesamte Produktionskette von der Traube bis zum Endprodukt beproben und analysieren. Damit verfolgen die Wissenschaftler und der bekannte Südtiroler Winzer einerseits das Ziel, die Qualität von Südtirols Qualitätsweinen zu sichern und andererseits Indikatoren für deren Echtheit zu definieren. Ziel ist es, der Kellerei technologische Entscheidungshilfen für die Weinherstellung sowie eine App zur Verfügung zu stellen, um alle Schulungen und Verkostungen papierlos und auf Distanz durchführen zu können.
„Ziel von Wine-ID ist es, den gesamten Produktionsprozess einiger Südtiroler Wein in einer exemplarischen Kellerei zu verfolgen, um wissenschaftlich nachzuzeichnen, welche Variablen maßgeblichen Einfluss auf die Qualität von Wein haben“, erklärt Emanuele Boselli, Verantwortlicher des Oenolab, des Labors für Önologie und Technologie der alkoholischen Getränke der unibz am NOI Techpark. Das Labor forscht und berät im Bereich der Weinherstellung und von Technologien zur Herstellung alkoholischer Getränke. Im konkreten Fall wollen die Wissenschaftler am Ende des Projekts imstande sein, anhand der Analyse einer Weinprobe seine Herkunftsgeschichte nachzuzeichnen und sein qualitatives Potenzial bestimmen zu können.
Dafür verfolgt das Forschungsteam seit mehr als einem Jahr in der Kellerei und im Labor mehrere unterschiedliche Produktionsmethoden von Blauburgunder und Weißburgunder. „Wir entnehmen auf jeder einzelnen Stufe der Weinproduktion Proben, also von den Trauben im Weinberg über alle Zwischenprodukte in der Verarbeitung und Lagerung bis hin zum fertigen Wein, und analysieren diese mit verschiedenen, auch mehrdimensionalen, chromatographischen Verfahren“, erklärt Emanuele Boselli. Dank dieser hochauflösenden Trennverfahren können die jeweiligen Proben bis in ihre einzelnen molekularen Bestandteile aufgegliedert und analysiert werden. „Mit einem solchen molekularen digitalen Fingerabdruck erhalten wir unter anderem ein sensorisches Profil, das uns beispielsweise anzeigt, von welchen Faktoren bestimmte Komponenten des Weins bestimmt werden, aber auch für welche Geschmacksorten sie verantwortlich sind“, erklärt Forscher Edoardo Longo.
Solche Aussagen können die Önologen allerdings nicht unmittelbar treffen. Im Rahmen ihrer Analysen erhalten sie eine Unmenge von Daten, die dann von einem Forschungsteam im Bereich der Datenanalyse um Prof. Marco Montali und Flavio Vella an der Fakultät für Informatik bearbeitet werden. Sie bereiten die Rohdaten des Oenolab so auf, dass Verbindungen zwischen dem jeweiligen molekularen Fingerabdruck und dem sensorischen Profil des Weins nachvollzogen und zur Beurteilung seiner Qualität und Echtheit genutzt werden können. „Darüber hinaus entwickeln wir eine App, die es erlaubt, sensorische Bewertungen im Rahmen der professionellen Verkostung der Weine zu digitalisieren statt sie wie bisher auf Papier durchzuführen. Damit können Verkostungen auch leichter auf Distanz durchgeführt werden und ihre Ergebnisse können direkt in die Analysealgorithmen einfließen“, erklärt Montali.
Heißt das also, dass künftig Wein über Computer und Algorithmen hergestellt wird? „Keineswegs. Doch solch technische Werkzeuge können beim Prozess der Weinherstellung eine wertvolle Ergänzung zur Erfahrung und dem Instinkt der Produzenten darstellen“, sagt Franz Haas. Vor allem in Hinsicht auf Präzisionsweinbau könnten sie immer entscheidender zur Qualitätssicherung des Endprodukts beitragen. „Es gibt einfach unheimlich viele Parameter, von denen die Qualität eines Weins beeinflusst wird“, erklärt der Winzer. „Ich produziere jedes Jahr zwischen 40 und 60 Pinot Noir und meist gelingt mir zumindest einer, der sich ganz stark meinen Idealen nähert. Doch das ist nicht ausschließlich auf den jeweiligen Weinberg oder die Verarbeitungsmethode zurückzuführen. Es gibt immer noch Parameter, die mir entgehen, und die ich dank dieser Kooperation mit der Freien Universität Bozen besser verstehen will.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Emanuele Boselli
emanuele.boselli@unibz.it
+39 0471 017217
Weitere Informationen:
https://www.unibz.it/de/faculties/sciencetechnology/research/food-sciences/oenolab/