Privatinvestitionen in der Entwicklungszusammenarbeit: Kredite für Arme – aber nur, wenn das Risiko stimmt
Eine Gemüsehändlerin in Nigeria braucht 200€ für einen Marktstand, bekommt hierfür aber keinen Kredit. Sie gehört zu den Zielgruppen der Entwicklungszusammenarbeit, die Unterstützung für ihre Existenzsicherung benötigen. Mit Strukturierten Fonds, die neben staatlichen auch private Gelder enthalten, möchte Deutschland zusätzliche Mittel für diese Zielgruppen mobilisieren. Der Staat trägt das Gros des Risikos, damit private Investoren stärker in risikoreiche Sektoren und Länder investieren. Eine Evaluierung des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) zeigt, dass private Mittel erfolgreich mobilisiert werden aber oft nicht stärker bedürftige Gruppen erreichen.
Finanzierungsinstrument für Krisenzeiten
Die Strukturierten Fonds wurden teilweise als Reaktion auf die Finanzkrise in 2008 entwickelt. Das Instrument sollte sich dem dringenden Bedarf an stabilen und inklusiven Finanzsystemen in Entwicklungs- und Schwellenländer widmen. Vor allem in vielen Ländern Afrikas besteht nach wie vor eine sehr große Finanzierungslücke bei kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen, die momentan nicht von rein privatwirtschaftlichen Investitionen gedeckt wird. Die in der DEval-Evaluierung untersuchten Strukturierten Fonds haben bis 2018 mit einer Investition von ca. 700 Millionen USD Haushaltsmitteln in etwa die gleiche Summe an Privatkapital mobilisiert.
DEval-Direktor Prof. Dr. Jörg Faust: „Strukturierte Fonds sind grundsätzlich gut dafür geeignet, privatwirtschaftliche Mittel für entwicklungspolitische Zwecke zu mobilisieren. Das Instrument wurde für Krisenzeiten entwickelt und ist angesichts der Covid-19-Pandemie besonders relevant, da zunehmend Regionen und Märkte von Liquiditätsengpässen betroffen sind. Gleichzeitig zeigt unsere Evaluierung, dass die Fonds ihr entwicklungspolitisches Potenzial stärker ausschöpfen sollten damit bedürftigere Bevölkerungsgruppen erreicht werden.“
Ziele des Instruments
Mit strukturierten Fonds sollen drei entwicklungspolitische Wirkungen erreicht werden:
1. In den Partnerländern sollen stabile und inklusive Finanzsysteme aufgebaut werden, indem lokale Banken und andere lokale Finanzinstitutionen finanziert werden.
2. Mit der Förderung solcher lokalen Finanzinstitutionen sollen diese eine höhere Anzahl an Krediten vergeben können. So soll der Zugang zu Krediten erleichtert werden, insbesondere für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen sowie in entwicklungspolitisch relevanten Sektoren wie in der Bildungs- oder Klimafinanzierung.
3. Die Konditionen der Finanzinstitutionen sollen erleichtert werden, damit auch arme Endkreditnehmende erreicht werden. Es sollen Personen und Unternehmen erreicht werden, die sonst keine oder nur unzureichende Kredite bekommen würden.
Zwei von drei Zielen werden erreicht
Die Evaluierung zeigt, dass zwei der angestrebten Ziele erreicht werden. Strukturierte Fonds tragen zu Stabilität und finanzieller Nachhaltigkeit der Finanzinstitutionen im Partnerland bei, indem sie langfristige Finanzierung, teils in Lokalwährung, zur Verfügung stellen. Die Fonds ermöglichen dadurch einer höheren Anzahl an Endkreditnehmenden den Zugang zu Kapital. Kleine Unternehmen, wie ein Kindergarten in Tunesien, konnten mit einem solchen Kredit beispielsweise mehr Personal einstellen.
Nicht alle Zielgruppen werden erreicht
Die Evaluierung zeigt jedoch auch, dass besonders bedürftige Personen, die bisher über keinen Zugang zu Finanzierung verfügten, kaum von dem Finanzierungsansatz profitieren. Personen, die keine Sicherheit durch Eigentum oder regelmäßige Einnahmen vorweisen können, bekommen auch nach Einführung der Strukturierten Fonds nur ganz selten einen Kredit. Das liegt unter anderem daran, welche Finanzinstitutionen von den Fonds gefördert werden. Viele der Finanzinstitutionen vergeben Kredite vorrangig an Endkreditnehmende mit geringem Ausfallrisiko in der Rückzahlung. Diese Auswahl trägt dazu bei, ein stabiles Finanzsystem aufzubauen und den Zugang zu Finanzierung allgemein zu verbessern. Um arme Bevölkerungsgruppen zu erreichen, müssten aber risikoreichere Kredite vergeben werden. Das DEval empfiehlt dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der KfW Entwicklungsbank, einen Mindest-Prozentsatz der Fonds auch in risikoreichere Finanzinstitutionen zu investieren. Es sollten dabei Finanzinstitutionen gewählt werden, die in entwicklungspolitisch relevante Sektoren, wie beispielsweise in Klimaschutz, investieren. Das BMZ sollte auch eine effektivere entwicklungspolitische Steuerung gewährleisten, damit die entwicklungspolitische Wirkung im „marktnahen“ Ansatz Strukturierter Fonds hinreichend im Fokus steht. Um besonders bedürftige Zielgruppen zu erreichen, bleibt es weiterhin wichtig, Strukturierte Fonds mit anderen Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit zu ergänzen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Sven Harten
Leiter Kompetenzzentrum Methoden / Stellvertretender Direktor
+49 (0)228 336907-950
sven.harten@DEval.org
Originalpublikation:
Orth, M., V. Habbel, J. Richter und H. Roggemann (2020), Strukturierte Fonds. Ein Finanzierungsansatz im Spannungsfeld zwischen finanzieller Nachhaltigkeit und entwicklungspolitischer Wirkung, Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval), Bonn
Weitere Informationen:
http://www.deval.org/files/content/Dateien/Evaluierung/Berichte/2020/DEval_Bericht_2020_Strukturierte_Fonds_web.pdf Link zum Bericht