Ringvorlesung präsentiert Thomas Manns Meisterwerk „Doktor Faustus“
Thomas Manns „Doktor Faustus“ steht im Mittelpunkt einer Ringvorlesung, die am Dienstag, 5. Januar im Rahmen des Projekts „Lübeck hoch 3“ startet. Fachreferenten der Musikhochschule Lübeck (MHL), der Universität zu Lübeck sowie gastreferierende Thomas-Mann-Experten und Expertinnen erschließen an fünf aufeinanderfolgenden Dienstagen das Meisterwerk des Lübecker Schriftstellers in Wort und Ton.
Thomas Manns „Doktor Faustus“ gehört zu den vielschichtigsten und meistdiskutiertesten Werken des Lübecker Nobelpreisträgers. Den historischen Faust-Stoff präsentiert er in seinem letzten großen Werk in neuem Gewand: Hauptfigur ist der geniale Komponist Adrian Leverkühn, der einen Pakt mit dem Teufel schließt, um sich kompositorische Inspiration und Erfolg zu sichern. In Kooperation der MHL mit der Universität und der Kulturakademie der Vorwerker Diakonie nimmt die Ringvorlesung „Doktor Faustus“ verschiedene Aspekte des bedeutenden Musikerromans aus musik- und literaturwissenschaftlicher Perspektive in den Blick. Es referieren Professorinnen und Professoren aus ganz Deutschland: Wolfgang Sandberger (Lübeck, 5. Januar), Oliver Korte (Lübeck, 12. Januar), Hans Wißkirchen (Lübeck, 19. Januar), Friedhelm Marx (Bamberg, 26. Januar) und Irmela von der Lühe (Berlin, 2. Februar). Alle Vorlesungen werden von Studierenden der MHL mit passenden Werken musikalisch begleitet.
Eröffnungsredner Wolfgang Sandberger, Professor für Musikwissenschaft an der MHL, erläutert: „Thomas Mann ist der musikbegeistertste Autor der Weltliteratur. Auch der Roman ‚Doktor Faustus‘ ist eine Fundgrube für die Verbindung von Musik und Literatur. Dieses Zusammenspiel spiegelt unsere Ringvorlesung: Alle Vorträge werden unmittelbar mit einem Klangerlebnis verknüpft.“ Prof. Dr. Hans Wißkirchen, Sprecher des Zentrums für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck, Mitinitiator und ebenfalls Referent der Reihe, betont die Aktualität des Romans: „Thomas Manns großer Altersroman ist eines der zentralen Fundamente für seinen weltweiten Ruhm. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass das Buch in vielen Teilen auch als Analyse gegenwärtiger Fragen gelesen werden kann.“
In virtuoser Montagetechnik verarbeitet Mann philosophische und kulturtheoretische Ansätze des frühen 20. Jahrhunderts. Er bedient sich dabei zahlreicher musikwissenschaftlicher Werke und Biografien: Er zieht Briefe von Hugo Wolf heran, Memoiren von Berlioz und Strawinsky, Lebensbeschreibungen von Beethoven, Mozart und Wagner sowie zahlreiche Quellen zur neuesten Musik seiner Zeit, der Zwölftonmusik Schönbergs. Großen Einfluss auf den Text hatte der Philosoph und Musiktheoretiker Theodor W. Adorno, der Thomas Mann während seiner Arbeit am Roman regelmäßig beriet. Adorno half auch beim Erdenken der „Kompositionen“ Leverkühns, die Mann so brillant beschreibt, als müsse es sie tatsächlich geben. Vor dem Hintergrund der düsteren politischen und gesellschaftlichen Entwicklung im kalifornischen Exil geschrieben, ist Manns epochaler Roman gleichzeitig eine Abrechnung mit Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus.
Mit Unterstützung der Possehl-Stiftung wurden die Vorlesungen im Großen Saal der MHL aufgenommen und von der Kulturakademie der Vorwerker Diakonie postproduziert. Vom 5. Januar bis zum 2. Februar 2021 werden die fünf Veranstaltungen jeweils am Dienstag um 18 Uhr im MHL-Streaming-Kanal unter www.mhl-streaming.de erstmalig ausgestrahlt. Eine anschließende Liveschaltung bietet Raum für Diskussionen.
Die Ringvorlesung „Doktor Faustus“ wird im Rahmen von Lübeck hoch 3 (LH³) realisiert, einem Projekt der Musikhochschule Lübeck, der Technischen Hochschule Lübeck und der Universität zu Lübeck, unterstützt von der Possehl-Stiftung Lübeck. Ziel ist es, die Vernetzung der Hochschulen mit der Gesellschaft in Lübeck zu vertiefen und die Ergebnisse und den Wert von Wissenschaft und Kultur bürgernah zu vermitteln.