Detektivarbeit in der theoretischen Physik: Übersichtsartikel zur Physik wechselwirkender Teilchen
Physiker der Universitäten Münster und Düsseldorf haben einen Übersichtsartikel zur sogenannten dynamischen Dichtefunktionaltheorie (DDFT) veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine Methode zur Beschreibung von Systemen aus einer großen Anzahl wechselwirkender Teilchen. Der 127 Seiten starke Beitrag ist in dem Fachmagazin "Advances in Physics" veröffentlicht.
Wissenschaftliche Artikel in der Physik sind meistens sehr kurz und befassen sich in der Regel mit einem sehr eng begrenzten Thema. Ein kürzlich von Physikern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) veröffentlichter Artikel bildet eine bemerkenswerte Ausnahme: Er hat eine Länge von 127 Seiten, zitiert insgesamt 1075 Quellen und behandelt von Biophysik bis Quantenmechanik ein breites Spektrum von Teilgebieten der Physik.
Bei dem Artikel, den die Physiker Michael te Vrugt und Prof. Dr. Raphael Wittkowski vom Institut für Theoretische Physik und Center for Soft Nanoscience der Universität Münster gemeinsam mit Prof. Dr. Hartmut Löwen vom Institut für Theoretische Physik II der Universität Düsseldorf verfasst haben, handelt es sich um einen Übersichtsartikel. Das Ziel von solchen auch als Review-Artikel bezeichneten Arbeiten ist es, eine Einführung in ein bestimmtes Themengebiet zu geben und den aktuellen Forschungsstand in diesem Bereich für andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenzufassen und zu bewerten. „In unserem Fall handelt es sich um eine in sehr vielen Bereichen eingesetzte Theorie – die sogenannte dynamische Dichtefunktionaltheorie (DDFT). Da wir alle Aspekte des Themas behandeln, wurde der Artikel sehr lang und vielfältig“, erklärt Letztautor Raphael Wittkowski.
Bei der DDFT handelt es sich um eine Methode zur Beschreibung von Systemen aus einer großen Anzahl wechselwirkender Teilchen, wie man sie beispielsweise in Flüssigkeiten findet. Das Verständnis solcher Systeme ist in zahlreichen Forschungsgebieten wie Chemie, Festkörperphysik oder Biophysik wichtig. Das führt wiederum zu einer sehr weiten Anwendbarkeit der DDFT, etwa in den Materialwissenschaften und der Biologie. „Die DDFT und verwandte Methoden sind von verschiedenen Wissenschaftlern in unterschiedlichen Kontexten entwickelt und angewendet worden. Wir haben herausgearbeitet, welche Herangehensweisen es gibt und wie diese miteinander zusammenhängen – dazu war auch viel Historiker- und Detektivarbeit nötig“, berichtet Erstautor Michael te Vrugt.
Der Artikel ist in der Fachzeitschrift „Advances in Physics“ erschienen, welche mit einem Einflussfaktor – dem sogenannten „impact factor“ – von 30,91 die bedeutendste Zeitschrift für Review-Artikel im Bereich „Physik der kondensierten Materie“ ist. Sie veröffentlicht nur vier bis sechs Artikel im Jahr. Der historisch erste Artikel mit Bezug zur DDFT, welcher 1979 von Robert Evans veröffentlicht wurde, ist ebenfalls in „Advances in Physics“ erschienen. „Insofern ist es besonders schön, dass unser Review nun auch in dieser Zeitschrift erschienen ist“, betont Zweitautor Hartmut Löwen. „Er behandelt alle wichtigen theoretischen Aspekte und Anwendungsgebiete der DDFT und wird sich damit wahrscheinlich zu einem Standardwerk in unserem Forschungsgebiet entwickeln.“
Förderung
Die Arbeitsgruppe Wittkowski wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert (WI 4170/3-1). Die Arbeitsgruppe Löwen erhält ebenfalls finanzielle Unterstützung von der DFG (LO 418/25-1).
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Raphael Wittkowski
Institut für Theoretische Physik
Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster
Tel: +49 251 83-34529
Mail: raphael.wittkowski@uni-muenster.de
Originalpublikation:
Michael te Vrugt, Hartmut Löwen & Raphael Wittkowski (2020) Classicaldynamical density functional theory: from fundamentals to applications, Advances in Physics, 69:2,121-247, DOI: 10.1080/00018732.2020.1854965