Klimawandel und Wasserstraßen
„Wir verfügen rechtzeitig über geeignete Konzepte, um auch künftig unter den Bedingungen des Klimawandels wirtschaftliche und zuverlässige Schiffstransporte zu ermöglichen, und dies bei geringen Eingriffen in Wasserwirtschaft und Umwelt.“ So lautete das Fazit im Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Christoph Heinzelmann, Leiter der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), beim 51. virtuellen Internationalen Wasserbau-Symposium Aachen 2021. Im Mittelpunkt des Vortrags standen die künftig zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserstraßen sowie mögliche Anpassungsoptionen am Beispiel des Rheins.
Langfristig werden die veränderten Klimabedingungen gravierende Auswirkungen auf das Wasserdargebot in den Wasserstraßen haben. Vermehrte und anhaltend extreme Wetterereignisse sind zu erwarten, verbunden mit häufigeren und extremeren Hoch- und Niedrigwasserereignissen. „Als Folge des Klimawandels kann auf längere Sicht das Szenario, das wir im zweiten Halbjahr 2018 beim extremen und lang anhaltenden Niedrigwasserereignis am Rhein erlebt haben, zum Regelfall werden“, so Heinzelmann.
Für die Anpassung an künftig geringere Niedrigwasserabflüsse sind unterschiedliche Handlungsoptionen denkbar, die auch kombiniert werden können: Ein Handlungsstrang zielt auf bauliche Änderungen an den Schiffsgefäßen ab, wie z. B. kleinere Schiffsgefäße, leichtere Schiffe sowie höhere Effizienz der Schiffsantriebe bei Niedrigwasser. Ein weiterer Handlungsstrang umfasst Änderungen an der Wasserstraßeninfrastruktur. Diese reichen von verbesserten Wasserstandsvorhersagen über die Bereitstellung aktueller Tiefeninformationen der Wasserstraße bis hin zu flussbaulichen Anpassungsmaßnahmen. Hierzu zählen der Bau oder die Anpassung von Buhnen und Parallelwerken, die Verfüllung von Übertiefen sowie der Sohlenabtrag durch Baggerungen, die in felsigen Abschnitten ggf. mit Fräsung oder Meißelung kombiniert werden. Diese klassischen Maßnahmen sind in weiten Bereichen der frei fließenden Wasserstraßen zielführend. Mitunter stoßen sie aber auch an Grenzen, wenn z. B. ihre Hochwasserneutralität nicht sichergestellt werden kann. „Für diesen Fall haben wir im Rahmen einer Konzeptstudie für den Mittelrhein zwischen Mainz und St. Goar innovative flussbauliche Lösungen entwickelt, die einerseits die Regelungsziele erfüllen und andererseits geringe Auswirkungen auf Wasserwirtschaft und Umwelt haben“, sagte Heinzelmann.
Das Konzept mit dem Namen „Niedrigwasserkorridor“ beruht darauf, dass im Niedrigwasserfall der Verkehrsflächenbedarf der Schiffe kleiner ist als bei höheren Abflüssen. Bei klimabedingt geringeren Niedrigwasserabflüssen sind damit wirtschaftliche Schiffstransporte auch künftig möglich, indem die Fahrrinne nicht über die gesamte Breite vertieft wird und natürlich vorhandene Übertiefen genutzt werden. Fahrdynamische Untersuchungen der BAW für den Mittelrhein haben ergeben, dass bei Niedrigwasserabfluss im Begegnungsfall ca. 50 bis 80 % der heute vorhandenen Breite ausreichen. Diese reduzierte Breite kann nochmals deutlich verringert werden, wenn der Niedrigwasserkorridor nicht für den Begegnungsfall sondern für die Richtungsfahrt dimensioniert wird. Maßgebend hierfür ist die Fahrt zu Berg, da zum einen die Gütertransporte im Mittelrheinabschnitt überwiegend zu Berg gerichtet sind und zum anderen die dynamische Einsinktiefe der Schiffe in der Bergfahrt größer ist als in der Talfahrt. Für dieses Szenario sind im untersuchten Streckenabschnitt nur ca. 30 % der heutigen Fahrrinnenbreite erforderlich.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. Christoph Heinzelmann
christoph.heinzelmann@baw.de
Weitere Informationen:
http://Der Video-Mitschnitt des Vortrags steht auf der eLearning-Plattform IZW-Campus bereit: https://izw-campus.baw.de/goto.php?target=cat_1842&client_id=iliasclient