Naturnahe Ufer in Ästuaren entwickeln
Technisch-biologische Ufersicherungen für stabilen Uferschutz und ökologische Entwicklungsmöglichkeiten
Beim Umgang des Menschen mit Natur und Umwelt unterliegen auch wasserbauliche Maßnahmen einem steten Wertewandel, der im politischen und rechtlichen Wandel zum Ausdruck kommt. Insbesondere seit dem Inkrafttreten der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 spielen ökologische Aspekte bei Bau, Betrieb und Unterhaltung der Bundeswasserstraßen eine bedeutende Rolle.
Im Auftrag der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) untersuchen die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) und die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) derzeit gemeinsam, wie an den Seeschifffahrtsstraßen durch naturnahe Bauweisen die Anforderungen an einen stabilen Schutz der Ufer vor Wellen- und Strömungsbelastungen mit den ökologischen Zielen, naturnahe Ufer zu entwickeln, in Einklang gebracht werden können. Diese Untersuchungen erweitern die bereits seit vielen Jahren laufenden Untersuchungen an den Binnenschifffahrtsstraßen.
Zum Hintergrund: In der Vergangenheit wurden die in Deutschland als Wasserstraßen genutzten Gewässer teilweise stark verändert, beispielsweise durch Vertiefung und Begradigung von Fahrrinnen, durch Abschneiden von Altarmen sowie durch Stabilisierung von Uferlinien mittels technischer Ufersicherungen, wie z. B. Deckwerke aus Schüttsteinen oder Spundwände. Diese Entwicklungen haben den ökologischen Zustand der Gewässer und ihrer Ufer beeinträchtigt. Insbesondere für die durch Ebbe und Flut geprägten Ufer in den Flussmündungsgebieten (Ästuare) der Nordsee haben technische Ufersicherungen einen Verlust an morphologischer Dynamik zur Folge, der sich auf die Vielfalt der Lebensräume und damit auf die dort lebenden Pflanzen- und Tiergesellschaften auswirkt.
Wie wird in den laufenden Untersuchungen vorgegangen, und welche Ergebnisse wurden bereits erzielt? Im ersten Schritt wurde das in der WSV sowie bei BAW und BfG vorhandene Wissen auf der Grundlage einer schriftlichen Umfrage über technisch-biologische Ufersicherungen an den Ästuaren zusammengeführt. Das Ergebnis ist eine Sammlung von bereits realisierten oder in Planung befindlichen Maßnahmen an Eider, Ems, Elbe und Weser.
Diese Maßnahmensammlung, die für jede Maßnahme Kurzinformationen, Ansprechpartner und Fotos enthält, steht unter: https://ufersicherung-baw-bfg.baw.de bereit.
Im nächsten Schritt wurden Workshops mit den WSV-Dienststellen durchgeführt, um das Wissen zu vertiefen und gemeinsam Uferabschnitte an den Ästuaren zu identifizieren, die sich prinzipiell für den Einbau technisch-biologischer Maßnahmen eignen. Die Workshops ergaben, dass bereits zahlreiche technisch-biologische Bauweisen realisiert wurden, vorrangig in der Form, dass Totholz als vorgelagerte Strukturen oder als direkter Böschungs- oder Uferkantenschutz eingesetzt wurde. Für andere Maßnahmen wurden unterschiedliche Bauweisen kombiniert, z. B. Totholzbauweisen, die mit Initialpflanzungen aus Röhricht kombiniert wurden. In Einzelfällen wurden rein technische Bauweisen modifiziert, um auf indirektem Weg ökologische Verbesserungen zu erreichen. Beispiele hierfür sind: Absenkungen im Deckwerk, vorgelagerte Schüttsteinleitdämme zur Reduzierung der hydrodynamischen Belastung oder die Reprofilierung von Uferböschungen.
Mittelfristiges Ziel von BAW und BfG ist es, den WSV-Dienststellen Planungs- und Bemessungsgrundlagen für technisch-biologische Ufersicherungen an den Ästuaren in Form von praktischen Handlungshilfen zur Verfügung zu stellen. Hierzu sind vertiefte Untersuchungen an den bereits realisierten Maßnahmen geplant. Darauf aufbauend sollen weitere Teststrecken eingerichtet werden, an denen Belastungsgrößen, Stabilitätsparameter sowie ökologische Wirkungen erfasst und ausgewertet werden. Aufwändiges technisches und ökologisches Monitoring an bestehenden und geplanten Maßnahmen sollen die Datengrundlage weiter verbessern. Schließlich soll das gesammelte Wissen für ausgewählte Maßnahmentypen in Kennblättern münden. Damit werden die WSV-Dienststellen in die Lage versetzt, für konkrete Maßnahmenplanungen Aufwand, Zeit und Kosten zu sparen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. rer. nat. Ingrid Holzwarth
ingrid.holzwarth@baw.de
Weitere Informationen:
http://Der aktuelle Stand der Untersuchungen kann der Projektwebsite entnommen werden https://ufersicherung-baw-bfg.baw.de