Zweisprachige Babys bevorzugen „Baby Talk“ in ihrer Muttersprache
Eine Studie mit mehreren Hundert Babys auf vier Kontinenten zeigt, dass alle Babys mehr auf die an das Kind gerichtete Art des Sprechens – „Baby Talk“ – reagieren als auf die an einen Erwachsenen gerichtete Art des Sprechens. Tatsächlich bevorzugen Babys Babysprache in jeder Sprache, aber besonders, wenn sie in einer Sprache gesprochen wird, die sie zu Hause hören. Ein internationales Forschungsteam, an dem auch die Universität Göttingen beteiligt ist, hat außerdem herausgefunden, dass Babys bereits im Alter von sechs Monaten Unterschiede in der Art des Sprechens wahrnehmen können.
Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Advances in Methods and Practices in Psychological Science erschienen.
Erwachsene aus vielen Kulturen verwenden instinktiv eine Form der kindlichen Babysprache, die sich typischerweise durch eine übertriebenere Sprechweise auszeichnet: ein abwechslungsreiches Muster der Intonation, ein langsameres Sprechtempo mit kürzeren, einfacheren Wörtern und Sätzen. In der Studie, an der Labore in Kanada, den USA, Europa, Australien und Singapur beteiligt waren, wurden 333 bilinguale und 385 monolinguale Babys getestet. Obwohl 17 verschiedene Labore ihre eigenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer rekrutierten und testeten, stellte das Team sicher, dass es gewisse Gemeinsamkeiten gab: Erstens teilten die zweisprachigen Babys eine ihrer beiden Sprachen mit den einsprachigen Babys; zweitens waren die Testverfahren in allen Laboren gleich.
Für die Studie wurden die Babys in Gruppen von sechs- bis neunmonatigen und 12- bis 15-monatigen Kindern eingeteilt. Jedem Baby wurden kurze, voraufgezeichnete Bänder vorgespielt, auf denen Frauen mit ihren eigenen Babys Englisch sprachen, entweder in Babysprache oder in erwachsenengerechter Sprache. Die Forscherinnen und Forscher maßen die Zeit, die jedes Baby aufmerksam zuhörte, während diese Aufnahmen abgespielt wurden.
Der globale Charakter der Studie stellte sicher, dass viele verschiedene Sprachkombinationen untersucht werden konnten und nicht alle Babys aus Haushalten stammten, in denen Englisch gesprochen wurde. Nichtsdestotrotz bevorzugten alle Kinder, unabhängig von der Sprache, die Babysprache auf Englisch im Gegensatz zur Erwachsenensprache auf Englisch. Diejenigen Kinder, die aus einem Elternhaus kamen, in dem Englisch gesprochen wurde, schenkten der kindlichen Ansprache auf Englisch sogar mehr Aufmerksamkeit.
„Wir konnten Babys mit zweisprachigem Hintergrund mit Babys mit einsprachigem Hintergrund vergleichen, und was am meisten zu zählen schien, war die Übereinstimmung zwischen der Sprache, die sie in ihrer alltäglichen Umgebung hörten, und der Sprache, die wir ihnen in der Studie vorspielten“, sagt die Hauptautorin der Studie, Dr. Krista Byers-Heinlein, von der Concordia University in Montreal, Kanada. „Je vertrauter sie mit der Sprache waren, desto mehr mochten sie die kindgerechte Sprache. Und ein Baby, das 75 Prozent der Zeit in seinem Zuhause Englisch hört, zeigte eine größere Präferenz als ein Baby, das 25 Prozent der Zeit Englisch hört.“
„Wir haben gezeigt, dass die Art des Sprechens einen starken Einfluss auf die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder hat“, sagt Prof. Dr. Nivedita Mani von der Universität Göttingen. „Das bringt Kinder dazu, länger auf kindliche Sprache zu hören, besonders in einer vertrauten Sprache. Das ist wichtig, weil Kinder besser lernen, wenn sie einer bestimmten Quelle mehr Aufmerksamkeit schenken. Diese Vorliebe für Babysprache hat also das Potenzial, ihr Lernen stark zu beeinflussen.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Nivedita Mani
Georg-August-Universität Göttingen
Psychologie der Sprache
Goßlerstraße 14, 37073 Göttingen
Telefon: 0551 39 10889
E-Mail: nmani@gwdg.de
www.psych.uni-goettingen.de/en/lang
Originalpublikation:
Byers-Heinlein, K. et al. A multi-lab study of bilingual infants: Exploring the preference for infant directed speech. Advances in Methods and Practices in Psychological Science (2021). https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/2515245920974622
Weitere Informationen:
https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=6205 Fotos