Nachruf auf Professor Dr. Wolfgang Müllges
Professor Dr. Wolfgang Müllges verstarb am 7. Februar 2021 völlig unerwartet. Die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv und -Nofallmedizin trauert um ihr langjähriges Präsidiumsmitglied.
Wolfgang Müllges wurde 1958 in Neuwied geboren. Er schloss 1985 sein Medizinstudium an der RWTH Aachen ab und promovierte ein Jahr später. Nach seiner Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Aachen wechselte er 1991 als Oberarzt an die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Würzburg und leitete dort seitdem die Neurologische Intensivstation. Er erwarb die Zusatzbezeichnungen Intensivmedizin und klinische Geriatrie, war seit 1994 weiterbildungsermächtigt für das Gebiet der „Speziellen Neurologischen Intensivmedizin“ und für dieses Gebiet auch Fachberater der Bayerischen Landesärztekammer. Er habilitierte 2002 zum Thema „Mikroembolien und Hirnschädigungen/Wesensänderung in der Koronarchirurgie“.
Dieser Werdegang verdeutlicht die klinischen Schwerpunkte von Wolfgang Müllges. Der Fokus seiner Arbeit lag auf der neurologischen Intensivmedizin und vaskulären Neurologie. Unter den intensivmedizinischen Themen stand er besonders für solche aus dem metabolischen (Enzephalopathie, Delir, Intoxikationen, pharmakologische Syndrome) und entzündlichen (Guillain-Barré-Syndrom, Myasthene Krise) Formenkreis und hatte einen großen Anteil an der Etablierung der Plasmapherese in der Neurologischen Intensivmedizin.
Im Rahmen seiner 30-jährigen Tätigkeit als Leiter der Intensivstation in Würzburg bildete er nicht nur mehrere Generationen von Neurologen auf dem Gebiet der Intensivmedizin aus, er war auch in der Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen eine feste Instanz bei der Beantwortung klinischer Fragen und gemeinsamen Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen. Er engagierte sich interdisziplinär in der Thematik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls („Hirntod“), war in Würzburg Transplantationsbeauftragter und Mitglied des Fachbeirats der Deutschen Stiftung Organspende (DSO). Weiterhin war er Mitglied und Vorsitzender des klinischen Ethikkommittees des Uniklinikums Würzburg.
Wolfgang Müllges war ein Mann der ersten Stunde in der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin. Er war seit den 1980er Jahren aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Neurologische Intensivmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Neurologische Intensivmedizin, den Vorläuferorganisationen der DGNI. Seit der Gründung DGNI als eigenständige Fachgesellschaft im Jahr 2008 war er Mitglied, später Präsident, Vizepräsident und zuletzt Schatzmeister. Er hat sich in diesen Funktionen beispiellos für die DGNI eingesetzt und dabei seine kollegiale Fairness, sein Einschätzungsvermögen und sein wirtschaftliches Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Erfolgreich klärte er die schwierige finanzielle und steuerrechtliche Situation der DGNI. Aufgrund seiner langjährigen fachlichen und berufspolitischen Erfahrung war er ein fester Rückhalt der Fachgesellschaft.
Als Kongresspräsident richtete er 2018 in Würzburg die Arbeitstagung NeuroIntensivmedizin (ANIM) als Joint Meeting mit der amerikanischen Neurocritical Care Society (NCS) aus. Diese Tagung hat durch die damals initiierten Joint Ventures nachhaltige Wirkung auf die Verbindung beider Fachgesellschaften hinterlassen. Die anlässlich des Kongresses gewählten Schwerpunktthemen Langzeitprognose, Neurorehabilitation und Neuropsychologie verdeutlichen Wolfgangs Bedürfnis, trotz immenser Arbeitsverdichtung und Spezialisierung in den Kliniken den individuellen und langfristigen Blick bei der Therapie schwerstkranker Patienten nicht zu verlieren. Gleichzeitig zeigte dies seinen Mut, Grenzbereiche der modernen Medizin zu adressieren.
Er hat nicht nur innerhalb der DGNI gewirkt, sondern auch über diese hinaus für ihre Verbindung zu anderen Fachgesellschaften, wie z.B. zur Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und zur Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), auf deren Kongressen er uns als Referent und in der Gremienarbeit über viele Jahre aktiv repräsentiert hat.
Mit dem Tod von Wolfgang Müllges verliert die DGNI einen Menschen und eine Persönlichkeit, die die Fachgesellschaft über viele Jahre entscheidend mitgeprägt hat. Eine Persönlichkeit mit Herz und Tatendrang, Schlagfertigkeit und hintergründigem Witz, der im entscheidenden Augenblick mit fachlichem und politischem Hintergrundwissen präsent war und sich für seine Überzeugungen und für die Belange der Fachgesellschaft ein- und durchsetzte.
Wir werden Wolfgang sehr vermissen und versuchen, die Geschicke der DGNI auch in Zukunft in seinem Sinne weiterzuentwickeln.
Das Präsidium der DGNI und ehemalige Präsidiumsmitglieder