HoF-Publikation: MINT und Med. in der DDR
Die DDR war innovationshungrig, weil sie produktivitätsschwach war. Die defizitäre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit untergrub ihre Position in der Systemauseinandersetzung, die vor allem über den Vergleich mit der Bundesrepublik lief. Damit stand dauerhaft – seit dem 17. Juni 1953 auch dem Apparat überdeutlich bewusst – die Legitimationsbasis infrage. Der Zusammenhang von wirtschaftlicher Produktivität, Innovation und Legitimation machte die Naturwissenschaften unverzichtbar, bescherte ihnen auch manche Freiheiten, die etwa den Gesellschaftswissenschaften nicht zugestanden wurden.
Seit mittlerweile 30 Jahren werden die Naturwissenschaften der DDR analysiert, dokumentiert und erinnert: Fakultäten, Forschungsinstitute, Kliniken und Fachgesellschaften arbeiten ihre DDR-Geschichte auf, Zeitzeugen schreiben Autobiografien, Promovierende erarbeiten Dissertationsschriften, Zeithistoriker.innen betreiben Forschungs- und Dokumentationsprojekte, und wo es auf die DDR-Wissenschaftsgeschichte bezogene Skandalisierungen gab, legten Untersuchungskommissionen Berichte vor. Entsprechend vielfältig sind die Zugangsweisen und Textsorten: disziplinen-, institutionen- und personenbezogene.
Der so entstandene immense Textkorpus wurde nun aufgearbeitet, ausgewertet und bibliografisch dokumentiert. Den Ausgangspunkt bilden knapp 1.900 selbstständige Titel, die 1990 bis 2020 zur Entwicklung der MINT-Fächer und akademischen Medizin im Osten Deutschlands in den Jahren 1945–2000 publiziert worden sind. Davon befassen sich rund 1.500 Titel mit den Fächerentwicklungen in der DDR; die anderen dokumentieren und analysieren MINT/Med-bezogen das Transformationsjahrzehnt 1990–2000.
Einleitend wird eine 250seitige Auswertung des Literaturbestands gegeben, ergänzt um die Auswertung zeitgenössischer Quellen. Sie ist zugleich eine Übersichtsdarstellung zu den Naturwissenschaften in der DDR. Dabei werden die Strukturen der Naturwissenschaften in der DDR erstmals in einem vollständigen Überblick präsentiert, das Verhältnis von Naturwissenschaften und Politik in der DDR bestimmt, die Umbauprozesse in den 90er Jahren verhandelt sowie das Forschungs- und Erinnerungsgeschehen seit 1990 ausgewertet. Die anschließende bibliografische Dokumentation gliedert die 1.900 Publikationen tiefgestaffelt nach fächerübergreifenden Veröffentlichungen sowie den Fächern und erschließt sie über Annotationen und ein Personenregister.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an: Prof. Peer Pasternack, peer.pasternack@hof.uni-halle.de
Originalpublikation:
Peer Pasternack: MINT und Med. in der DDR. Die DDR-Natur-, Ingenieur- und medizinischen Wissenschaften im Spiegel ihrer dreißigjährigen Aufarbeitung und Erforschung seit 1990, unt. Mitarb. v. Daniel Hechler, BWV – Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2021, 678 S.
Weitere Informationen:
https://www.hof.uni-halle.de/web/dateien/pdf/Pasternack_MINT-Med_Inhalt.pdf - Inhaltsverzeichnis und Zentrale Ergebnisse