Culinary Medicine – multizentrische Evaluation an den Universitäten Göttingen, Brandenburg und Gießen gestartet
Nach erfolgreicher Pilotierung an der Universitätsmedizin Göttingen haben mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane und der Justus-Liebig-Universität Gießen zum Sommersemester 2021 zwei weitere Universitäten die Lehre des innovativen Wahlfachangebots Culinary Medicine aufgenommen. Eine gemeinsame Evaluation wurde gestartet. Culinary Medicine übersetzt aktuelle ernährungsmedizinische Erkenntnisse in die Lebenswelten von Patientinnen und Patienten und verbessert die ärztliche Beratungskompetenz bei ernährungsassoziierten Erkrankungen. Der indikationsbezogene Kochkurs (Teaching Kitchen) basiert auf dem Konsensuspapier Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP).
Das Wahlfach Culinary Medicine wurde an der Universitätsmedizin Göttingen für Medizinstudierende in klinischen Semestern entwickelt und im Wintersemester 2020/2021 erfolgreich pilotiert https://nachrichten.idw-online.de/2021/01/28/culinary-medicine-debuts-as-a-new-elective-for-medical-students-at-university-medical-center-goettingen-germany/?groupcolor=3
Zum Beginn des Sommersemesters 2021 haben mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane und der Universitätsmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen zwei weitere Universitäten die Lehre des innovativen Wahlfachangebots Culinary Medicine aufgenommen. Beide beteiligen sich an einer gemeinsamen Evaluation.
Culinary Medicine übersetzt aktuelle ernährungsmedizinische Erkenntnisse in die Lebenswelten von Patientinnen und Patienten und verbessert die ärztliche Beratungskompetenz bei ernährungsassoziierten Erkrankungen. Das Lehrformat ist ein indikationsbezogener Kochkurs (Teaching Kitchen), der auf dem evidenzbasierten Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP) basiert (Hauner et al. 2019) https://www.dgem.de/pressemitteilungs-archiv-122019. Der LEKuP deckt alle wichtigen ernährungsmedizinischen Indikationen ab https://www.dgem.de/sites/default/files/PDFs/Hauner%20H_2019_Leitfaden%20Ern%C3%A4hrungstherapie%20in%20Klinik%20und%20Praxis_LEKuP.PDF
Ziel dieser Kooperation ist es, zum einen den Stellenwert der Ernährungsmedizin bereits im Medizinstudium zu stärken. 70-80 Prozent aller Krankheiten haben eine Ernährungsursache, einen Ernährungshintergrund oder eine ernährungstherapeutische Konsequenz. Die Folge von Fehl-, Über- oder Mangelernährung sind zahlreiche Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, koronare Herzerkrankungen, Krebserkrankungen, Kachexie und hormonelle Störungen. (Memorandum des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner e.V. (BDEM), der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) und der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin e.V. (DAEM) vom 30.03.2021 s.u.). Trotz der hohen Bedeutung einer besseren ernährungsmedizinischen Versorgung sind an deutschen Universitäten ernährungsmedizinische Inhalte im Medizinstudium unterrepräsentiert. Die bislang vermittelten Kenntnisse während des Medizinstudiums reichen nicht aus, um eine adäquate ernährungsmedizinische Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten auf neuestem wissenschaftlichem Stand zu garantieren (Memorandum von BDEM, DGEM & DAEM vom 30.03.2021 https://www.dgem.de/sites/default/files/PDFs/Memorandum%20f%C3%BCr%20Lehrst%C3%BChle%20Ern%C3%A4hrungsmedizin_1.pdf
Das neue Wahlfach Culinary Medicine leistet einen wichtigen ersten Beitrag, um die Situation für Medizinstudierende zu verbessern. In 28 Lehrveranstaltungsstunden werden klinische Indikationen anhand des evidenzbasierten LEKuP und eine daraus abgeleitete praktische Ernährungstherapie synergistisch zusammengeführt. Passende Fallbeispiele ergänzen das Lehrangebot.
Zum anderen wird durch die multizentrische Evaluation die Wirksamkeit des Lehrangebotes Culinary Medicine im Hinblick auf die Beratungskompetenz bei ernährungs- und lebensstilabhängigen Erkrankungen im Detail erforscht. Dabei geht es auch um die Sensibilisierung der Medizinstudierenden für einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil im Sinne einer Planetary Health Diet (Eat Lancet Commission 2019) https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(19)30023-3/fulltext sowie um eine Verbesserung der Kooperation mit anderen Ernährungsfachberufen. Daraus abgeleitete Fragestellungen sollen durch Promotionsarbeiten an allen teilnehmenden Hochschulen untersucht werden.
Bis November 2020 wurde das Wahlfach Culinary Medicine an der Göttinger Universitätsmedizin mit einem Hygienekonzept in Präsenz gelehrt. Pandemiebedingt wurde das Lehrkonzept für die digitale Durchführung umgearbeitet und wird seit Dezember 2020 ausschließlich digital gelehrt. Die Studierenden sind über eine Videokonferenz-Software mit den Lehrenden in der Lehrküche (Teaching Kitchen) verbunden und kochen interaktiv die zuvor ausgewählten Rezepte in ihrer eigenen Küche mit. Dabei werden sowohl nutritiv-physiologische wie auch praktisch-kulinarische Aspekte fortwährend diskutiert. Zu Beginn steht eine kurze Einführungspräsentation zum klinischen Bezugsrahmen auf dem Programm.
„Wir sind deutlich positiv überrascht, wie gut sich Culinary Medicine auch digital lehren lässt“, so PD Dr. med. Thomas Ellrott, der das Projekt an der Universitätsmedizin Göttingen leitet. „Dabei haben wir aber festgestellt, dass die Interaktivität zwischen Lehrenden und Studierenden bei mehr als etwa 12 Studierenden im Online-Format deutlich zurückgeht“, erklärt Ellrott weiter.
Durch die weiterhin angespannte Pandemiesituation erfolgt die multizentrische Evaluation im Sommersemester 2021 an allen drei Hochschulstandorten ebenfalls in komplett digitaler Lehre. Dabei verwenden alle Institutionen die gleichen Kursmaterialien, führen den Kurs in gleicher Form durch (7 Kurstage à 4 Lehrveranstaltungsstunden) und nutzen auch den gleichen, eigens entwickelten, Survey zur Evaluation, damit die erhobenen Daten gemeinsam ausgewertet und veröffentlicht werden können.
„Die ausgezeichnete Zusammenarbeit der Universitäten auf diesem innovativen Gebiet ist Teil des beabsichtigten Co-Creation-Prozesses“, kommentiert Uwe Neumann, Vorstandsvorsitzender von CookUOS e.V., „und wir würden uns freuen, wenn sich noch weitere interessierte Hochschulen anschließen.“
Das Modellprojekt Culinary Medicine des Instituts für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen/Universitätsmedizin und von CookUOS e.V. (Osnabrück) wird seit Dezember 2019 von der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung (Hannover) gefördert. Nach der Evaluation werden alle Lehrmaterialien als Open Access veröffentlicht.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
An der Universitätsmedizin Göttingen:
PD Dr. med. Thomas Ellrott
Institut für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen
Humboldtallee 32
37073 Göttingen
Tel.: +49 551 3967510
thomas.ellrott@med.uni-goettingen.de
Uwe Neumann, Nachhaltigkeitspädagoge
Vorstand CookUOS e. V.
Zur Quelle 2a
448341 Altenberge
Telefon +49 541 347513-10
uwe.neumann@cookuos-ev.de
https://cookuos-ev.de
An der Medizinischen Hochschule Brandenburg:
Selina Böttcher und Can Gero Leineweber,
Prof. Dr. Dr. med. Karsten H. Weylandt, PD Dr. med. Ulf Elbelt, Dr. med. Christoph Schmöcker
Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane
Fehrbelliner Str. 38
16816 Neuruppin
ernaehrung@mhb-fontane.de
An der Universitätsmedizin Gießen:
Anna Plogmann (M. Sc. Humanernährung)
Anja Constien (Diätassistentin, B.A. Medizinpädagogik )
Justus-Liebig-Universität Gießen
Institut für Hausärztliche Medizin
Klinikstraße 29
35392 Gießen
Anna.m.plogmann@med.uni-giessen.de
Weitere Informationen:
https://doi.org/10.1055/a-1030-5207 Hauner H. et al.: Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKuP). Aktuel Ernahrungsmed 2019; 44: 384–419
http://www.bdem.de/files/mlem.pdf J.G. Wechsler, A. Bosy-Westphal, G. Bönner: Memorandum für Lehrstühle Ernährungsmedizin
https://doi.org/10.1016/S2542-5196(19)30023-3 The Lancet Planetary Health: More than a diet