Meinungsmonitor Entwicklungspolitik: Medieninhalte, Informationen, Appelle und ihre Wirkung auf die öffentliche Meinung
Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) hat die mediale Berichterstattung zu Entwicklungspolitik sowie die Wirkung von Informationen auf die öffentliche Meinung zu diesem Thema untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Entwicklungspolitik in den Medien kaum präsent ist. Gleichzeitig verdeutlicht die Studie, dass medial vermittelte Informationen zur Wirkung entwicklungspolitischer Maßnahmen das Meinungsbild beeinflussen können. Besonders befürwortet wird die Zusammenarbeit mit sehr armen Ländern; Vorbehalte hingegen bestehen, wenn in den Ländern Korruption und schwache staatliche Strukturen vorherrschen.
Corona-Pandemie, Klimawandel, Hunger und Armut: Entwicklungspolitik kann einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung globaler Herausforderungen leisten. Trotz einer recht breiten Unterstützung für Entwicklungspolitik in der Bevölkerung haben viele Bürger*innen jedoch Zweifel an ihrer Wirksamkeit. Da nur die allerwenigsten Menschen in ihrem Alltag mit Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in Berührung kommen, können sie die Auswirkungen von entwicklungspolitischen Maßnahmen in den seltensten Fällen selbst überprüfen. Sie sind für die Meinungsbildung auf Informationen aus den Medien oder auf politische Kommunikations- und Bildungsarbeit angewiesen.
Bisher ist allerdings wenig erforscht, welche Informationen zu Entwicklungspolitik der Bevölkerung in Deutschland über die Medien zur Verfügung gestellt werden und wie sich die dort verwendeten Argumente für und gegen EZ auf die Einstellung der Bevölkerung zum Thema auswirken. Auch gibt es kaum Untersuchungen dazu, welchen Einfluss Informationen zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit haben, wie moralische Appelle und moralische Überzeugungen wirken und was die Bevölkerung von Entwicklungszusammenarbeit erwartet. Genau diesen Fragen haben sich die Autor*innen der Studie „Meinungsmonitor Entwicklungspolitik 2021“ gewidmet.
Hierfür haben sie TV-Nachrichtensendungen und Printmedien aus dem Zeitraum 2012 bis 2020 sowie Beiträge auf der Social-Media-Plattform Twitter aus den Jahren 2019 und 2020 ausgewertet. Die erste Erkenntnis: Beiträge zur Entwicklungspolitik machen in den untersuchten Medien nur einen Anteil von weniger als 1 Prozent der Gesamtbeiträge aus. Wird über das Themenfeld berichtet, dann häufig in Zusammenhang mit Flucht und Migration oder Kriegen und Konflikten. Auf Twitter wird Entwicklungspolitik zudem häufig in Verbindung mit dem Klimawandel sowie mit Pandemien (wie aktuell im Zusammenhang mit dem Coronavirus) thematisiert.
Mediale Berichterstattung: Kritische Argumente wirken stärker als positive
Neben der Häufigkeit der Darstellung haben die Autor*innen der Studie untersucht, wie sich in den Medien und öffentlichen Diskussionen genutzte Argumente für oder gegen Entwicklungszusammenarbeit auf die Einstellung der Bevölkerung zum Thema auswirken. Dabei wurde deutlich, dass positive Argumente, etwa solche zur Relevanz der Entwicklungszusammenarbeit, kaum Wirkungen zeigen. Kritische Argumente hingegen – wie Hinweise auf Korruption oder die fehlende Wirksamkeit der EZ – sorgen dafür, dass die Unterstützung der Bevölkerung sinkt. Ob und wie die Argumente wirken, hängt dabei von bereits bestehenden Einstellungen der Befragten ab. So wirken sich kritische Argumente wenig auf die generellen Zustimmungswerte aus, wenn die betreffenden Personen die Entwicklungszusammenarbeit ohnehin befürworten; bei Personen, die bereits eine negative Einstellung zur Entwicklungszusammenarbeit haben, wird diese Einstellung verstärkt.
Informationen zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit und eigene moralische Überzeugungen beeinflussen die öffentliche Meinung
Mit Hilfe eines Umfrageexperiments wurde ermittelt, wie gezielte Informationen zu EZ-Projekten die Meinung zur Entwicklungszusammenarbeit beeinflussen. Konkret wurde dabei überprüft, wie Informationen zu Inputs („Wie viel Geld wurde für ein EZ-Projekt ausgegeben?“), Outputs („Welche Maßnahmen wurden durchgeführt?“) und Outcomes („Welche Wirkung hat eine EZ-Maßnahme erzielt?“) wirken. Die Ergebnisse zeigen, dass Informationen zu allen drei Aspekten zu einer positiveren Einschätzung von Projekten und der Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit führen. Informationen zu den durchgeführten Maßnahmen (Outputs) und Wirkungen (Outcomes) haben jedoch einen stärkeren Einfluss auf die Bewertung eines Projektes als Informationen zu den eingesetzten Mitteln (Inputs).
Emotionalisierende moralische Appelle, wie sie teilweise von Nichtregierungsorganisationen zur Spendenakquise eingesetzt werden, beeinflussen die Unterstützung für Entwicklungszusammenarbeit ebenfalls. Sie können neben positiven Wirkungen aber auch Ablehnung hervorrufen. Davon unabhängig zeigen die Ergebnisse, dass die Unterstützung von Entwicklungszusammenarbeit maßgeblich von moralischen Überzeugungen abhängt. Wer Werte wie Fairness und Fürsorge wichtig findet, unterstützt auch eher die Entwicklungszusammenarbeit.
Erwartungen der Bevölkerung: Unterstützung für arme Länder, Vorbehalte bei Korruption und fragilen staatlichen Strukturen in den Partnerländern
Neben der Berichterstattung und Meinungsbildung zur Entwicklungspolitik hat der DEval-Meinungsmonitor untersucht, welche Erwartungen die Bevölkerung an Entwicklungspolitik stellt. Dabei wurde deutlich, dass Bürger*innen die Zusammenarbeit mit einem Partnerland eher unterstützen, wenn dort hohe Armut herrscht oder wenn der Staat nicht in der Lage ist, die grundlegenden Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu erfüllen. Korruption im Partnerland, aber auch ein fehlendes Gewaltmonopol der dortigen Regierung oder die fehlende Anerkennung der Regierung durch die Bevölkerung sorgen hingegen dafür, dass die Unterstützung für die Entwicklungszusammenarbeit mit diesem Partnerland geringer ausfällt. Zudem wird die EZ mit einem Land, in dem die Bevölkerung mehrheitlich muslimischen Glaubens ist, von den Bürger*innen weniger unterstützt als die Zusammenarbeit mit Ländern mit mehrheitlich christlicher Bevölkerung. Auch hier zeigt sich, dass die Erwartungen der Bürger*innen an die Entwicklungszusammenarbeit von den generellen Einstellungen zum Themenfeld abhängen. Bei Menschen, die sich für Entwicklungspolitik interessieren, ist der sogenannte "Muslim bias" zum Beispiel deutlich weniger stark ausgeprägt.
„Ernährungssicherung und Landwirtschaft“ sowie „Frieden und Sicherheit“ sind die Sektoren, in denen eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit von der Bevölkerung am stärksten unterstützt wird. Die Sektoren „Wirtschaftsförderung“ und „Klimawandel“ hingegen werden als weniger unterstützenswert wahrgenommen.
Datengrundlage
In der Reihe „Meinungsmonitor Entwicklungspolitik“ führt das DEval regelmäßig Analysen zur Einstellung der deutschen Bevölkerung zu Entwicklungspolitik durch. Die aktuelle Studie basiert auf quantitativen Inhaltsanalysen von TV‐Nachrichtensendungen, Printmedien und dem Kurznachrichtendienst Twitter sowie bevölkerungsrepräsentativen Umfrageexperimenten. Ergänzend wurden Befragungsdaten des Development Engagement Lab (DEL) genutzt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Martin Bruder
Abteilungsleiter
Zivilgesellschaft, Menschenrechte
Tel.: +49 228 33 69 70-970
E-Mail: martin.bruder@DEval.org
Originalpublikation:
http://www.deval.org/files/content/Dateien/Evaluierung/Berichte/2021/DEval_2021_Meinungsmonitor_Entwicklungspolitik_web.pdf
Weitere Informationen:
http://www.deval.org/de/die-einstellungen-der-bev%C3%B6lkerung-zu-entwicklungszusammenarbeit.html