Wie definieren sich Museen im 21. Jahrhundert?
Der ICOM Weltverband hat 2016 die Überarbeitung der Museumsdefinition eingeleitet. Dieser Prozess hat in der deutschen und internationalen Fachwelt eine lebhafte, teils kontroverse Diskussion über das Selbstverständnis von Museen im 21. Jahrhundert ausgelöst. Über die Neufassung der Museumsdefinition soll im zweiten Anlauf bei der Generalkonferenz 2022 in Prag entschieden werden. Dafür hat ICOM Deutschland nun 20 Schlüsselbegriffe an den Weltverband übersandt.
Was ist ein Museum? Die meisten haben vermutlich sofort ein Bild vor Augen. Bei der Beantwortung, was (k)ein Museum ist, wird es kompliziert. Seit den 1970er Jahren gilt die ICOM-Museumsdefinition als Standard. Sie bildet das „Rückgrat der Museen“ und liefert Orientierung für das eigene Selbstverständnis und die Selbstverpflichtung. Der Weltverband diskutiert die Museumsdefinition kontinuierlich und passt sie den aktuellen Bedürfnissen an. Mit der geplanten Überarbeitung hat sich ICOM die Aufgabe gestellt, erstmals eine den neuen Gegebenheiten entsprechende Museumsdefinition für das 21. Jahrhundert zu erarbeiten. „Die Frage nach der Definition umfasst deutlich mehr Aufgabenfelder als je zuvor: Sie dient der Sichtbarmachung und Stärkung einer globalisierten Museumsgemeinschaft, in der Aspekte der Nachhaltigkeit, des Klimawandels, der historischen Aufarbeitung in der Provenienzforschung, der Restitution und des Kolonialismus, aber auch der Gendergerechtigkeit, der diversen Gesellschaften sowie der Transformation in digitale Formate vordringlich sind“, erklärt Beate Reifenscheid, Präsidentin von ICOM-Deutschland. Neue Museumstypen und Besucher*innengruppen haben sich herausgebildet. Mit den neuen Themen sehen sich die Museen mit neuen Schwerpunkten konfrontiert – allen voran mit der Digitalität, die gerade unter Pandemiebedingungen die Museumslandschaften formt.
Auseinandersetzung als Chance
„Die Neufassung der Museumsdefinition bietet uns die Chance zu überdenken, was Museen heute eint, was sie international verbindet und was als gesellschaftlicher Konsens über alle politischen, religiösen und humanistischen Modelle hinaus verstanden wird. Gleichermaßen muss die Definition als Richtschnur für professionelles und ethisches Handeln von allen eingesetzt werden können“, betont Beate Reifenscheid. An diesem – auch von der internationalen Gemeinschaft geforderten – Anspruch entzündete sich eine weltweit lebhafte Debatte: Es folgten 2020 Resolutionen, Rücktritte und offene Briefe. ICOM Deutschland hat auf die Kontroverse mit einem demokratischen, transparenten Prozess reagiert, die Mitglieder zur aktiven Teilnahme aufgefordert und in zwei Umfragen ein umfassendes Meinungsbild erhoben. Das Desiderat – abgestimmt in einer Zoom-Mitgliederversammlung im März dieses Jahres – wurde nun an den Weltverband übergeben. Die 20 Schlüsselbegriffe dienen als nationale Grundlage für die Formulierung einer neuen internationalen Museumsdefinition, die im August 2022 in Prag verabschiedet werden soll. „Für ICOM Deutschland ist die Debatte damit aber nicht beendet“, betont Beate Reifenscheid. „Im Zuge der Diskussion um die Museumsdefinition hat sich ein großes Bedürfnis unserer Mitglieder gezeigt, sich mit dem Wertewandel, den sich ändernden Vorstellungen und Zukunftsentwürfen von Museen auseinandersetzen. Diesen Diskurs werden wir mit großer Offenheit aktiv und vielschichtig führen.“
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Claudia Berg im Auftrag von ICOM Deutschland e.V.
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Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Beate Reifenscheid
Präsidentin
ICOM Deutschland
Originalpublikation:
https://icom-deutschland.de/images/Nachrichten/Bild/2021_04-23-PM_ICOM-Museumsdefinition_a.pdf
Weitere Informationen:
https://icom-deutschland.de/de/aktuelles/museumsdefinition.html