Anonyme Anschuldigungen in der Wissenschaft stehen im Zentrum der aktuellen Ausgabe der Beiträge zur Hochschulforschung
In den letzten Jahren scheinen sich Fälle von anonymen Anschuldigungen gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu häufen. An den Hochschulen selbst und in den Medien werden diese Fälle oft kontrovers diskutiert. Dabei ist das System Wissenschaft für anonyme Hinweise besonders anfällig, denn für die Glaubwürdigkeit von Forschungsergebnissen ist nicht nur die Qualität des Forschungsprozesses, sondern auch die Reputation der Forschenden ein Kriterium. Vor diesem Hintergrund untersucht die aktuelle Ausgabe der „Beiträge zur Hochschulforschung“, wie Akteurinnen und Akteure in Hochschulen, Wissenschaftsverbänden und Medien mit anonymen Anschuldigungen umgehen.
Gegenstand dieses Themenhefts sind zwölf zu Artikeln ausgearbeitete Vorträge namhafter Referentinnen und Referenten auf der Tagung „Absender unbekannt. Verfahren der Wissenschaft zum Umgang mit anonymen Anschuldigungen“ im Februar 2020 an der Universität Passau, bei der das IHF Mitveranstalter war.
Professorin Carola Jungwirth, Initiatorin der Tagung: „Für die beschuldigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler steht viel auf dem Spiel: neben ihrer persönlichen und wissenschaftlichen Reputation auch ihre wirtschaftliche Absicherung und ihre psychische Gesundheit. Das Wissenschaftssystem trägt all seinen Mitgliedern gegenüber Verantwortung.“
Wichtige Fragen in dem Zusammenhang sind, ob die bestehenden Verfahren ausreichend sind, wo es Verbesserungs- bzw. Nachholbedarf gibt, und inwieweit Hinweisgeber auf Fehlverhalten durch Anonymität zu schützen sind. Dabei ist auch das starke Hierarchiegefälle innerhalb des Wissenschaftssystems zwischen Professorinnen bzw. Professoren auf der einen sowie Promovierenden und Postdocs auf der anderen Seite zu beachten.
Professorin Isabell Welpe, wissenschaftliche Leiterin des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung: „Konflikte gibt es in jeder menschlichen Gemeinschaft, und in der Wissenschaft möglicherweise noch mehr als anderswo. Ob diese konstruktiv gelöst werden oder in destruktive Prozesse abgleiten, können Organisationen durch die Verfahren beeinflussen, die sie für den Konfliktfall bereitstellen".
In verschiedenen Formaten wie Forschungsartikeln, Einblicken in die Praxis und Standpunkten nehmen die Autorinnen und Autoren dieses Themenhefts die Ebene der personellen Beziehungskonstellationen und der Hochschulgovernance in den Blick, erläutern die rechtlichen Rahmenbedingungen und untersuchen die Rolle der Medien im Umgang mit anonymen Anschuldigungen in der Wissenschaft.
Der Band verfolgt das Ziel, Konfliktfelder zu identifizieren, bestehende Strukturen für anonyme Hinweise zu reflektieren, diese in Bezug auf Fairness, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit zu bewerten sowie die Angemessenheit bisher praktizierter Verfahren zu hinterfragen.
Die „Beiträge zur Hochschulforschung" sind eine der führenden wissenschaftlichen Zeitschriften im Bereich der Hochschulforschung im deutschen Sprachraum mit einem anonymen Peer-Review-Verfahren. Sie zeichnen sich durch hohe Qualitätsstandards, ein breites Themenspektrum und eine große Reichweite aus. Hierzu nutzt die Zeitschrift ein breites Spektrum von Formaten wie quantitative und qualitative empirische Analysen, Vergleichsstudien, Überblicksartikel, Einblicke in die Praxis und Standpunkte.
Die Ausgabe 1/2-2021 kann auf der Homepage http://www.bzh.bayern.de/ als pdf-Datei heruntergeladen oder in gedruckter Form per E-Mail bestellt werden (sekretariat@ihf.bayern.de).