Perspektive für die Lausitz: von der Braunkohle zum nachhaltigen Bauen
Konsortium von TU Dresden Wissenschaftler:innen bewirbt sich mit einer Idee für ein Großforschungszentrum
Unter der Leitung von Prof. Manfred Curbach (TU Dresden) haben sich Wissenschaftler:innen zusammengeschlossen, um die Veränderung des Bauens voranzubringen und einen Wandel hin zu einer Welt in Balance zu bewirken. Die Idee eines Bauforschungszentrums unterstützen Spitzenforscher der Universität für Bodenkultur Wien, der Technischen Universität München, der RWTH Aachen, der ETH Zürich, der Ruhr-Universität Bochum, des UNU-FLORES-Institutes der Universität der Vereinten Nationen, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften sowie hervorragende Architekten, wie das Architekturbüro HENN, und Bauingenieure der Praxis. Gemeinsam haben sie einen Antrag für ein Großforschungszentrum der Förderinitiative „Wissen schafft Perspektiven für die Region“ des Freistaates Sachsen und Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingereicht. Die Neugründung von zwei Großforschungszentren soll den Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland stärken und zur Entwicklung der sächsischen Lausitz und des mitteldeutschen Reviers hin zu attraktiven Zukunftsregionen beigetragen, heißt es in der Ausschreibung.
Der Kohleausstieg in der Lausitz rückt immer näher. Eine der Folgen für die Region ist der Jobverlust. Die damit verbundene Sorge der Bevölkerung ist daher sehr berechtigt. Eine Lösung könnte dabei das größte Laboratorium Europas im Bauwesen für Forschung, Entwicklung und Transfer bieten – für den Standort, vor allem jedoch für die Menschen vor Ort. Im Umfeld dieses Großforschungszentrums würden sich zahlreiche Unternehmen ansiedeln, angefangen von Start-ups bis hin zu Niederlassungen der größten europäischen Bauunternehmen. „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir auf diese Weise der Lausitzer Bevölkerung eine realistische Zukunftsperspektive bieten können. Die Erfahrungen und das erworbene Know-how dieser Industriekultur könnten eine Bereicherung bei der Arbeit in einem Forschungslabor des Bauens sein.“ – sagt Manfred Curbach, Direktor des Institutes für Massivbau der TU Dresden und Sprecher des Forscherteams. „Der Unterschied ist jedoch, dass die avisierte Forschung und deren Transfer eine klima- und ressourcenneutrale Material- und Konstruktionsevolution in Gang setzen und die Umwelt damit spürbar entlasten wird“.
Die Zukunft der Menschheit entscheidet sich im Bauwesen. Die gebaute Umwelt betrifft Jeden – unabhängig von Tätigkeit, Lebensort, Lebensphase. Denn ein Grundbedürfnis des Menschen ist eine bauliche Schutzhülle zur Gewährleistung von Wärme, Witterungsschutz und Sicherheit. Gleichzeitig verursacht das Bauwesen aber rund 25 % des CO2-Ausstoßes, verbraucht ca. 40 % der erzeugten Energie und benötigt Unmengen an Ressourcen.
Dies lässt nur einen Schluss zu: Um das Leben der Menschen auf der Erde lebenswert zu erhalten, müssen massive Forschungsanstrengungen unternommen werden, um den baulich bedingten Raubbau an unserem Planeten zu beenden und das gesamte Bauen sowie auch die Nutzung der gebauten Umwelt in eine klima- und ressourcenneutrale, langlebige, variable, ästhetische und Werte schaffende Bauweise zu transformieren.
Unter diesem Aspekt sind alle Phasen des Bauens und Nutzens zu analysieren, anzupassen oder neu zu entwickeln: von der Idee über den Entwurf, die Planung, die Berechnung, die Konstruktion, die Materialgewinnung, die Herstellung, den Transport, die Errichtung vor Ort, den Betrieb, den Erhalt, die Datenhaltung, die Ertüchtigung bis hin zur Wiederverwendung, das heißt Evolutional Circular Economy at its best!
Die hierzu benötigten Fachgebiete gehen weit über die traditionell im Bauwesen angesiedelten Fächer hinaus: Neben Architekt:innen und Bauingenieur:innen sind Fachleute aus vielen Disziplinen erforderlich: Verfahrenstechnik, Materialwissenschaften, Biologie, Chemie, Informatik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Mikroelektronik, Robotik, Logistik, Nachhaltigkeitsforschung, Geschichte, Datenanalyse, Soziologie, Rechts- und Politikwissenschaften.
Das Ziel des LAB – Lausitz Art of Building – so der Titel des beantragten Forschungszentrums, ist die Umsetzung des größten Paradigmenwechsels im Bauwesen. Erzielt werden soll dies durch den Einsatz ressourceneffizienter, klimaneutraler Hochleistungswerkstoffe und neuer Materialien, die von den Vorbildern aus der Natur inspiriert sind, durch die Verwendung des CO2 der Luft als Rohstoff und durch Hochleistungsmaterialien wie Carbon, Basalt und Glas als Bestandsteile multifunktionaler Verbundsysteme. Im Ergebnis sollen adaptive modulare Bauwerke mit hoher Flexibilität entstehen, die sich an den Menschen und seine Anforderungen an das Wohnen und Bauen anpassen. Neue Herstellungsverfahren, künstliche Intelligenz und Digitalisierung des gesamten Bauwesens sollen ein nachhaltiges Zuhause ermöglichen mit maximalem Komfort und möglichst langer Nutzung.
In der Mitte Europas, zwischen den urbanen Metropolen Berlin, Wrocław, Prag und Dresden, soll ein Living LAB entstehen. Die Basis bilden dabei die Wissenschaftler:innen aus aller Welt. „Mit dem LAB wollen wir die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Region ankurbeln. Durch die enge Verzahnung von Wissenschaft und Unternehmergeist und durch eine intensive und interdisziplinäre Zusammenarbeit wird die Lausitz zukünftig für Innovation mit Herz und Verstand stehen“, so Curbach.
Informationen für Journalisten:
Sandra Kranich
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