Von wegen Mikrosmatiker…! Erfolgreiches Online-Debüt des 1. LifeScience@home der Dr. Rainer Wild-Stiftung
270 Teilnehmende folgten am Dienstag, 11.05.2021, dem Vortrag „Das riecht aber gut! Zur zentralen Verarbeitung sensorischer Reize und deren Einfluss auf das Essverhalten.“, der im Rahmen des 1. LifeScience@home der Dr. Rainer Wild-Stiftung aus Heidelberg online stattfand. In der eineinhalbstündigen Fachveranstaltung gab Frau Professorin Dr. rer. biol. hum. Jessica Freiherr von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg seltene Einblicke in die Welt der neurowissenschaftlichen Forschung zur sensorischen Wahrnehmung des Menschen im Zusammenhang mit Essen und Trinken.
Heidelberg – Mit einem Vorurteil räumte Freiherr gleich zu Anfang auf: Der Geruchssinn des Menschen ist weitaus besser als gemeinhin sein Ruf. Was dann folgte, war ein beeindruckender 45-minütiger Überblick über den aktuellen Stand der Grundlagenforschung zur zentralen Verarbeitung sensorischer Reize. Mit ihrem neurowissenschaftlichen Schwerpunkt, der sich bildgebende Verfahren zu Nutze macht, führte Freiherr den Teilnehmenden mithilfe von Magnetresonanz-Schnittbildern eindrucksvoll vor Augen, welche Schwerstarbeit der „Muskel Gehirn“ leistet, wenn uns der Duft von frischem Kaffee in die Nase steigt. Gleichzeitig zeigen diese Bilder auch, was die Sinnesreize währenddessen in den anliegenden Hirnregionen auslösen, die für Gefühle zuständig sind.
Mit beeindruckender Leichtigkeit führte Freiherr ihr Publikum durch hochkomplizierte Sachverhalte. Die mit Bedacht eingestreuten Denkpausen ermöglichten es den Teilnehmenden durchzuatmen und in der Interaktion das ein oder andere „Aha-Erlebnis“ mitzunehmen. Besonders deutlich hob Freiherr die Gründe hervor, warum es sich lohne, gerade dem Geruchssinn wissenschaftliche Aufmerksamkeit zu schenken: Weil der Geruch ohne Umweg über das „Tor zum Bewusstsein“, wie sie den Hypothalamus treffend bezeichnete, unmittelbar die Gehirnregionen erreicht, die für eine Entscheidung beim Essen und Trinken zuständig sind. Außerdem sei der Geruch ausgesprochen eng mit dem limbischen System verknüpft, wo sämtliche Erinnerungen samt Emotionen verortet sind. Aus diesen Erkenntnissen ergebe sich, dass Geruchseindrücke und Gefühle so Vieles gemeinsam haben, dass die menschliche Wahrnehmung kaum mehr Unterschiede feststelle. Diesen Sachverhalt ließ Freiherr die Teilnehmenden an einem Beispiel nachempfinden. Genauso unmittelbar wie die Wahrnehmung „heute bin ich gut drauf“ gelänge, wüssten wir ohne länger nachzudenken „das riecht aber gut“.
Bis zum Fazit erfuhren die Teilnehmenden auch, dass die Sinneswahrnehmung als multisensorische Integration zu verstehen ist, also zum Geruch viele weitere Reize sowie auch Einflüsse auf Bewusstseinsebene hinzukommen. Vor allem visuelle Reize haben laut Freiherr führenden Einfluss, doch auch Informationen oder individuelle Erwartungen. An der Wahrheit dieser Aussage ließ Freiherr ihr Publikum mit Gedankenspielen zum Lieblingsparfüm oder zum appetitlichen Duft von Käse teilhaben: Auf neuronaler Ebene betrachtet sei der Wohlgeruch von Käse mit dem ekelerregenden Geruch von Erbrochenem identisch und löse bei gleichzeitiger Gabe der Informationen des Ursprungs auch die passenden Ekelgefühle aus.
Abschließend stellte Freiherr einige der Studien ihrer Arbeitsgruppe vor, womit sie einen verheißungsvollen Ausblick auf weitere spannende Ergebnisse erlaubte. Im daran anschließenden Interview, das in die gemeinsame Diskussion mit den Teilnehmenden überging, beantwortete Freiherr die zahlreichen Fragen der Moderatorin und des Publikums. Im Fokus der Veranstaltung stand die wichtige Frage wie sich diese - evolutionstheoretisch betrachtet - sinnhafte „Überlebensstrategie“ der sensorischen Wahrnehmung in Gesundheitsförderung bzw. Prävention von ernährungsabhängigen Krankheiten in der Moderne nutzen lässt.
Besonders interessierte die Teilnehmenden darüber hinaus, ob die bildgebenden Verfahren schon Erkenntnisse über die mit Covid-19 assoziierten Geruchs- und Geschmacksstörungen gewinnen konnten. Weiterhin kamen vielseitige Aspekte des Ernährungsalltags zur Sprache, angefangen von der fetalen Geschmacksprägung bis hin zu genetischen, alters- oder pharmakologisch bedingten Beeinträchtigungen der Sinneswahrnehmung. Der facettenreiche Dialog ließ erneut den interdisziplinären Hintergrund der Gäste erkennen, die der Einladung der Dr. Rainer Wild-Stiftung gefolgt waren. Dank des Vermögens ihr imposantes Wissen kurzweilig und alltagsnah zu vermitteln, verabschiedete Freiherr ihr Publikum am Ende des 1.LifeScience@home mehr als zufrieden. Diesen Erfolg bestätigten die Rückmeldungen der Teilnehmenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die vor allem die Wahl des Themas wie auch die Fachkompetenz von Freiherr lobend hervorhoben.
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