Sepsis-Forum 2021: Langzeitfolgen von COVID-19 und Sepsis - Herausforderung für Betroffene und das Gesundheitssystem
Berlin, 28.05.2021 – 75 Prozent der jährlich 250.000 Sepsis-Überlebenden in Deutschland leiden unter Langzeitfolgen. Ganz ähnliche Folgen finden sich bei bis zu 32,5 Prozent der 3,7 Millionen COVID-19-Überlebenden. Die zugrundeliegenden Mechanismen und Zusammenhänge sind derzeit allerdings nur unzulänglich erforscht. Beim Sepsis-Forum am 22. Juni 2021 wird darüber diskutiert werden, wie interdisziplinäre und sektorenübergreifende Versorgungs- und Therapiekonzepte die Behandlung von COVID-19- und Sepsisfolgen verbessern können.
Wer eine Sepsis- oder eine COVID-19-Erkrankung überlebt, leidet häufig noch lange unter den Folgen, bei einer Sepsis oft sogar lebenslang. Zu den Folgen gehören physische, psychische und kognitive Beeinträchtigungen, welche die Betroffenen oft stark in ihren Alltagsfähigkeiten einschränken. Nicht selten werden die Patientinnen und Patienten arbeitsunfähig und / oder pflegebedürftig.
Einer aktuellen Studie zufolge sind rund 75 Prozent der fünf Millionen Menschen, die in den letzten 20 Jahren in Deutschland eine Sepsis überlebt haben, von Langzeitfolgen betroffen. Dies entspricht 3,5 Millionen Menschen. Die Häufigkeit von Folgen bei COVID-19 Erkrankten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, liegt ebenfalls bei 75 Prozent; bei den leichteren Verläufen variieren die Angaben zwischen 12,8 und 27,8 Prozent. Bei bislang 3,7 Millionen COVID-19-Erkrankungen in Deutschland, von denen ca. 10 Prozent im Krankenhaus im Krankenhaus behandelt wurden, ist demnach von 685.000 bis 1.200.000 Fällen eines Post-COVID-Syndroms auszugehen.
30 Prozent versterben im ersten Jahr nach der Sepsis
Wie schwerwiegend die Folgen einer Sepsis sind, hat erst kürzlich eine multizentrische Studie auf Basis von AOK-Daten gezeigt. Für das Innovationsfonds-geförderte Projekt „Sepsis: Folgeerkrankungen, Risikofaktoren, Versorgung und Kosten“ (SEPFROK) wurden die Daten von 116.507 Sepsis-Überlebenden für einen dreijährigen Nachbeobachtungszeitraum ausgewertet.
Das Forscherteam um Dr. Carolin Fleischmann-Struzek vom Universitätsklinikum Jena und Prof. Dr. Christiane Hartog von der Charité – Universitätsmedizin Berlin konnte zeigen, dass bei 74,3 Prozent der Betroffenen im ersten Jahr nach ihrer Krankenhaus-Entlassung eine neue, vorher nicht diagnostizierte Erkrankung aufgetreten war. 31,5 Prozent der Sepsis-Überlebenden wurden pflegebedürftig, 30,7 Prozent verstarben innerhalb des ersten Jahres. Dies betraf nicht nur ältere und vorerkrankte Patientinnen und Patienten mit schweren Verläufen, sondern auch jüngere ohne Vorerkrankung sowie solche, die einen vergleichsweise leichten Sepsis-Verlauf hatten.
Was viele nicht wissen: Eine Sepsis kann nicht nur durch Bakterien, sondern unter anderem auch durch Viren – wie beispielsweise SARS-CoV-2 – ausgelöst werden. Die Folgen der durch COVID-19 ausgelösten Sepsis sind den bisher bekannten Sepsisfolgen ganz ähnlich. Und nicht nur das: „Im Kontext der COVID-19-Pandemie wurde deutlich, dass es auch bei leichteren Verläufen, die keine Zeichen für eine virale Sepsis aufwiesen und auch nicht auf einer Intensivstation behandelt werden mussten, zu vergleichbaren Folgeschäden kommen kann“, erklärt Prof. Dr. Konrad Reinhart, Vorstandsvorsitzender der Sepsis-Stiftung und Senior Professor an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Der Bedarf an weiterer Erforschung der Zusammenhänge sei daher groß. „Nur durch eine interdisziplinäre und sektorenübergreifende Forschung und Versorgung können wir wirksame Konzepte entwickeln, um COVID- und Sepsis-Überlebenden zu helfen“, so Reinhart.
Frührehabilitation kann Folgen abmildern
Wie wichtig die Vorbeugung von Langzeitfolgen bereits in der Akutbehandlung ist, konnten Studien bereits darlegen. So ist bekannt, dass Frühmobilisierung und Frührehabilitation einen positiven Einfluss auf den weiteren Verlauf nach einer Sepsis haben können. Bei COVID-19-Patienten wurde darüber hinaus gezeigt, dass die Hemmung der Immunantwort in der Frühphase der Behandlung die Folgen der Erkrankung um über 50 Prozent reduzieren kann.
Ebenso wurde nachgewiesen, wie wichtig eine sektorenübergreifende Behandlung ist: Schon die Benennung von Sepsisfolgen auf dem Entlassbrief des Krankenhauses und deren Berücksichtigung bei der Nachbehandlung konnte die Wahrscheinlichkeit für eine Wiedereinweisung ins Krankenhaus sowie die Sterblichkeit im folgenden Jahr nachweislich reduzieren. Doch obwohl diese Zusammenhänge bekannt sind, sind sie in der Realität der medizinischen Versorgung kaum angekommen.
Experten und Betroffene diskutieren beim Sepsis-Forum
Diese und andere Themen werden beim Sepsis-Forum 2021 am 22.06.2021 von 14:00 bis 18:00 Uhr unter dem Titel „Langzeitfolgen von Sepsis und COVID-19 – Herausforderungen für Betroffene, die Wissenschaft und das Gesundheitssystem“ diskutiert werden. Expertinnen und Experten werden über Sepsis- und COVID-19-Folgen sowie deren Behandlung sprechen, Betroffene von ihren Erfahrungen berichten und Vertreter von Kostenträgern und Klinikleitungen den Weg zu Sepsis-spezifischen Rehabilitationskonzepten diskutieren. Im Anschluss wird es eine Fragestunde per Chat geben. Die Teilnahme am Sepsis-Forum ist für alle Interessierten möglich. Weitere Informationen und der Link zur kostenfreien Registrierung finden sich unter: https://sepsisforum.de/.
Im Vorfeld des Sepsis-Forum sind Journalistinnen und Journalisten zu einer Pressekonferenz am 21.06.2021 von 11:00 bis 12:00 Uhr eingeladen. Dort werden die Zusammenhänge zwischen COVID-19 und Sepsis, die Situation in Deutschland und die Notwendigkeit strukturierter Behandlungskonzepte vorgestellt. Zur kostenfreien Anmeldung geht es unter:
https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZwkceChrDMpE9woS4Xk2-LZsIUUWQzOwF1J.
Kontakt und Interviewanfragen:
Anne Volkmann
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Originalpublikation:
Fleischmann-Struzek C, Rose N, Freytag A, et al. Epidemiology and costs of postsepsis morbidity and mortality in Germany. 2021
(Die Studie wurde auf dem Preprint-Server medRXiv veröffentlicht und befindet sich noch im Reviewprozess.)