Themenvorschau Juni 2021 – Bodengesundheit und Bodenforschung
Berlin, 7. Juni 2021 – Die Herausforderung ist groß: Den Nahrungsmittelbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung decken und gleichzeitig Klima und Umwelt schützen. Bei den Sustainable Development Goals (SDGs) stehen die Themen „Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“ an zweiter Stelle. Die globalen Nachhaltigkeitsziele spielen eine zentrale Rolle bei der 2020 von der Bundesregierung verabschiedeten Nationalen Bioökonomiestrategie. Sie finden sich daher auch thematisch im laufenden Wissenschaftsjahr und seinen Förderprojekten wieder. In dieser Themenvorschau steht das Potential unserer Böden im Fokus.
Welche Rolle Teebeutel hierbei spielen, was crop models sind und wie eine digitalisierte Landwirtschaft aussieht, erklären die folgenden Expertinnen und Experten auch gern in persönlichen Gesprächen. Darüber hinaus zeigt das Förderprojekt Crops4Future, wie es mit Jugendlichen die Zukunft der Bioökonomie gestalten will.
Thema 1: Bundesweite Bürgerforschungsaktion zum Bodenzustand „Expedition Erdreich“
Mit der „Expedition Erdreich“ findet von April bis September die bislang größte Citizen-Science-Aktion zur Erforschung des Bodenzustands in Deutschland statt. Teilnehmende Bürgerinnen und Bürger werden dabei selbst zu Forschenden und führen Bodenuntersuchungen in ihrem Umfeld durch. Herzstück der Aktion ist die Tea-Bag-Index-Methode, mit der bestimmt werden kann, wie schnell organisches Material im Boden zersetzt wird. Dafür werden genormte Teebeutel vergraben, drei Monate lang der Zersetzung im Boden ausgesetzt und dann wieder ausgegraben. Um die Zersetzung und damit die biologische Aktivität im Boden besser beurteilen zu können, werden außerdem Boden- und Standorteigenschaften wie der pH-Wert, die Bodenart und die -nutzung bestimmt. Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel und sein Team vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) begleiten die bundesweite Aktion, im Rahmen derer 9.000 Standorte in ganz Deutschland untersucht und die dabei gewonnenen Daten am UFZ ausgewertet werden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten ein Feedback zu ihren Ergebnissen und können ihre Daten mit anderen vergleichen. Die Bodendaten werden anschließend Forschungsprojekten wie zum Beispiel „Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie – BonaRes“ zur Verfügung gestellt. „Ich bin gespannt, inwiefern sich unsere Vorstellungen über den Zusammenhang zwischen Bodeneigenschaften, Bodennutzung und biologischer Aktivität bestätigen werden. Damit bekommt die Bodenfunktionsbewertung sowie die Modellierung von Bodenprozessen im Rahmen von BonaRes eine weitere wertvolle Grundlage“, sagt Prof. Dr. Vogel.
Schulklassen in allen Bundesländern, Naturvereine und Einzelpersonen lassen sich von Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Bürgerforschung gern begleiten. Melden Sie sich bei Interesse einfach bei uns und lassen Sie uns einen Kontakt vermitteln.
Thema 2: Pflanzenwachstumsmodelle für nachhaltige Nahrungssicherheit
Wie können wir das Ziel der Nahrungssicherheit mit dem Klimaschutz vereinen und zugleich die globale Biodiversität wahren? Diese und weitere Zielkonflikte der Nachhaltigkeit erforschen die Wissenschaftlerin Julia Schneider und der habilitierte Wissenschaftler Dr. Florian Zabel am Department für Geographie an der LMU München. Für beide ist ein mehrdimensionaler Forschungsansatz essentiell, um langfristig die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zu realisieren. Denn: „Maßnahmen zur Erreichung eines SDGs können sich negativ auf andere SDGs auswirken, sodass die Ziele letztlich in Konflikt zueinander stehen können“, so Julia Schneider. Hierzu nutzen die beiden Forschenden Pflanzenwachstumsmodelle, sogenannte crop models, die simulieren, wie eine Pflanze unter den gegebenen Bedingungen optimal wachsen kann. Dabei werden u.a. äußere Einflüsse, wie der Nährstoffgehalt im Boden oder der Klimawandel als Kriterien genommen. So errechnen sie, was aus theoretischer Sicht global und regional für Erntemengen erzielt werden könnten. Im darauffolgenden Schritt vergleichen sie die errechnete Menge mit der aktuellen Ernte und können so Rückschlüsse auf Ertragslücken ziehen. Damit können sie ungenutztes Potential identifizieren und Handlungsempfehlungen zur besseren landwirtschaftlichen Produktivität entwickeln. Laut Dr. Florian Zabel könnte vor allem die Landwirtschaft in Entwicklungsländern von einer effizienteren Land- und Wassernutzung profitieren, so dass die dortigen Erntemengen auch ohne weitere Entwaldung gesteigert werden könnten. „Gleichzeitig ist der Grad der Intensivierung in Industrienationen wie Deutschland sehr hoch, Landwirtschaft findet aber im großen Maße nicht nachhaltig statt.“ Diese Beispiele verdeutlichen, dass Optimierungsansätze global und regional gedacht und z.B. auch in internationalen Abkommen berücksichtigt werden müssen.
Thema 3: Bis 2050 zur digitalisierten Landwirtschaft
Prof. Dr. Sonoko Dorothea Bellingrath-Kimura stellt mit ihrer Forschung am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) den Landwirtinnen und Landwirten ein technologisches Tool für die bessere Bewirtschaftung ihrer Felder zur Verfügung. Dabei bereitet die Forscherin komplexe Daten aus der Wissenschaft simpel und verständlich für die praktische Arbeit auf dem Feld auf. Mit dem von ihr mitentwickelten „DAKIS-prototype“ erfahren Landwirtinnen und Landwirte, wie es um ihre Felder und Umgebung bestellt ist: Wie ist die Belastung des Grundwassers durch Düngemittel? Welche Temperaturschwankungen und extremen Wetterlagen herrschen vor und wie steht es um den Nährstoffbedarf des Bodens? Mithilfe dieser Daten können die Landwirtinnen und Landwirte nun Maßnahmen ergreifen und dadurch Ertragslücken verhindern. Prof. Dr. Bellingrath-Kimura ist sicher, dass man auf diese Weise das SDG 2 „Kein Hunger“ auch bis 2030 erreichen kann. Der „DAKIS-prototype“ ist Teil der Vision 2050 des Projekts DAKIS – Digitales Wissens- und Informationssystem für die Landwirtschaft: Landwirtinnen und Landwirte sollen spätestens 2050 mithilfe von Sensoren im Boden, im Wasser, in der Luft und im All die Umgebung ihrer landwirtschaftlichen Flächen überwachen und so ihre Felder gezielter und optimierter bewirtschaften können. Gleichzeitig sollen mögliche Zielkonflikte vermieden, Erträge stabilisiert und das Erbringen von Ökosystemleistungen wie Grundwasserschutz und Kohlenstoffspeicherung im Boden sichergestellt werden.
Thema 4: Meine Landwirtschaft der Zukunft
Was haben junge Menschen für Vorstellungen, Wünsche und Ideen in Bezug auf eine Landwirtschaft der Zukunft? Kann sie gleichzeitig ertragreich und nachhaltig sein? Das im Wissenschaftsjahr 2020/2021 geförderte Projekt „Crops4Future“ vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) geht dieser Frage auf den Grund. Seit Mai können Schülerinnen und Schüler von gymnasialen Oberstufen und Berufsschulen in kreativen Videos zeigen, was ihnen beim Thema Klima-, Naturschutz und Ernährung wichtig ist und wie für sie die Landwirtschaft der Zukunft aussieht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IPK stellen zeitlich parallel in Form von live kommentierten Kurzfilmen ihre Arbeit vor. Dabei gehen sie unter anderem auf die Genbank des IPK und die weltweit einzigartige Pflanzenkulturhalle, in der schon heute das Feld der Zukunft simuliert wird, ein. Eine der am Projekt beteiligten Wissenschaftlerinnen ist Dr. Kerstin Neumann: Die Leiterin der Arbeitsgruppe Automatisierte Pflanzenphänotypisierung setzt die Pflanzen zwischenzeitlich extremen Wetterlagen wie Hitze und Trockenheit aus und beobachtet ihre Reaktionen mit Kamera-basierten Systemen. „In unserer Pflanzenkulturhalle und dank automatisierten Anlagen haben wir die Möglichkeit, die Pflanzen während der gesamten Wachstumsphase zu beobachten und Stressmerkmale und das Wachstum zu quantifizieren – was im Feld so nicht möglich ist – und zu ganz bestimmten Zeitpunkten auch Proben zu nehmen“, hält Dr. Neumann fest. Sie und andere Forschende des IPK beantworten im September und Oktober die Fragen der beteiligten Jugendlichen in digitalen Live-Talks und diskutieren ihre Visionen einer nachhaltigen Landwirtschaft. Zuschauerinnen und Zuschauer können über ein Chat-Tool Fragen stellen und Impulse in die Runde senden.
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Unter #DasistBioökonomie lädt das Wissenschaftsjahr 2020/21 – Bioökonomie zum Mitdiskutieren ein: auf https://www.wissenschaftsjahr.de und in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, Instagram und YouTube. Gern stellen wir einen Kontakt zu den genannten Expertinnen und Experten her. Weiterhin finden Sie Bildmaterial anbei, das Sie für Ihre Berichterstattung unter Angabe des jeweiligen Copyrights nutzen können.
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