Weizenbaum-Conference: Digitalisierung als Gefahr für die Demokratie?
Konferenz liefert neue Impulse zur Zukunft der digitalisierten Demokratie
Auf Einladung des Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft kamen am 17. und 18. Juni 2021 mehr als 250 Expert*innen verschiedener Disziplinen zur diesjährigen Weizenbaum Conference virtuell zusammen. Unter dem Titel „Democracy in Flux – Order, Dynamics and Voices in Digital Public Spheres“ diskutierten die Teilnehmenden über die zentralen Merkmale des digitalen Wandels im Kontext von Demokratie und Öffentlichkeit.
Die Ausbreitung digitaler Technologien trägt zu einem grundlegenden Strukturwandel der Öffentlichkeit bei. Diesen Strukturwandel auszuleuchten und in seinen Konsequenzen für Demokratie und politische Kommunikation zu verstehen, ist das Anliegen der Konferenz. Digitale Technologien etablieren neue Normen gesellschaftlicher Relevanz und verleihen auch denjenigen eine Stimme, die in der Vergangenheit marginalisiert waren. Doch wie genau verändern sie die öffentliche Kommunikation? Und welche Auswirkungen hat das auf die Demokratie und politische Prozesse?
„Besonderes Augenmerk legt die Konferenz auf die wachsende Bedeutung sozialer Medien“, so Prof. Dr. Barbara Pfetsch, Principal Investigator am Weizenbaum-Institut und Co-Organisatorin der Konferenz. „Soziale Netzwerke tragen zur Transnationalisierung der öffentlichen Sphäre bei. Sie werden aber auch für die Entstehung illiberaler Öffentlichkeiten verantwortlich gemacht.“
Eröffnet wurde die internationale Konferenz mit einer Videobotschaft von Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung: „Wozu Desinformation führen kann, dazu fallen uns allen Beispiele ein – insbesondere aus den zurückliegenden Pandemiemonaten. Das geht bis hin zu Verschwörungstheorien. Daraus ergeben sich neue Bedrohungen für unsere Gesellschaft. Populismus ist eine. Er setzt auf Stimmung, nicht auf ernsthaften Austausch. Aber auch Spaltung, Hass und Hetze. Das beginnt, wenn keiner mehr richtig hinhört, jeder seine eigene Welt schafft. Um diese Entwicklungen zu verstehen, einordnen und gestalten zu können, brauchen wir Wissenschaft und Forschung.“
In dem anschließenden Keynote-Vortrag erläuterte Prof. Helen Margetts, Oxford Internet Institute, wie soziale Medien „winzige Handlungen“ der politischen Beteiligung ermöglichten – Handlungen, die nur wenig Zeit, Mühe oder Geld erforderten, jedoch das Potenzial hätten, zu sozialen Bewegungen anzuwachsen. Margetts zufolge sollten diese Handlungen nicht in Kategorien wie „gut“ oder „schlecht“ eingeteilt werden. Vielmehr seien Methodenwerkzeuge erforderlich, um alle Arten von „winzigen Handlungen“ zu verstehen, einschließlich der ihnen zugrundeliegenden Motive.
„Ein zentrales Thema der Konferenz sind die Machtverschiebungen im Bereich der öffentlichen Themensetzungen“, so Prof. Dr. Jeanette Hofmann, Principal Investigator am Weizenbaum-Institut und Co-Organisatorin der Veranstaltung. „Welche Folgen hat es für die Demokratie, wenn Informationsströme zunehmend personalisiert werden und Empfehlungsalgorithmen journalistische Expertise ersetzen?“
Den zweiten Keynote-Vortrag lieferte am Abend des ersten Tages Prof. Matthew Hindman, George Washington University, in dem er die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Studie zu visuellen Fehlinformationen auf Facebook vorstellte. Hindman zufolge würden Fehlinformationen, die über Bilder statt über Text vermittelt werden, eine größere Überzeugungskraft ausüben und häufiger in sozialen Netzwerken geteilt. So enthielten beispielsweise 23 Prozent von 1000 zufällig ausgewählten Bild-Posts über US-Politik Elemente von Fehlinformationen.
Ein weiteres Highlight war das am Abend von Prof. Dr. Jeanette Hofmann moderierte Podiumsgespräch zum Thema „Zwischen Elfenbeinturm und Talkshow: Wie definiert sich akademische Relevanz?“. Gäste waren die Physikerin Dr. Viola Priesemann, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, der Soziologe Prof. Dr. Heinz Bude, Universität Kassel, die Philosophin Prof. Dr. Judith Simon, Universität Hamburg, und der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Uwe Hasebrink, Hans-Bredow-Institut. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie sich Exzellenz in der Wissenschaft und gesellschaftliche Relevanz ausbalancieren lassen: Wie verstehen die Forschenden ihre öffentliche Rolle und verändern sich die Anforderungen der Gesellschaft an sie?
Den zweiten Veranstaltungstag eröffnete Prof. Daniel Ziblatt, Harvard University. In seiner Keynote analysierte er die paradoxe Wirkung digitaler Technologien auf die Demokratie. Zwar seien durch den Aufstieg digitaler Medien die Kommunikationskanäle demokratisiert worden, gleichzeitig öffneten diese aber auch demagogischen und antidemokratischen Kräften Tür und Tor, die Demokratie zu bedrohen. Dem Vortrag folgten vier Panels zu Themen wie De-Institutionalisierung der Öffentlichkeit und digitaler Aktivismus.