Gebündelte Lösungen erleichtern Rundumsanierung von Gebäuden
Sanierungsarbeiten, um die Energieeffizienz des Eigenheims zu erhöhen, sind häufig mit Stress verbunden: Sie sind kostspielig und zeitaufwändig, verursachen oft Lärm, und die vielen technischen Lösungen am Markt machen es schwer, die richtige Auswahl zu treffen. Im Rahmen eines europäischen Projekts hat nun ein Forscherteam unter der Leitung der Bozner Forschungseinrichtung Eurac Research mehrere Lösungspakete entwickelt, um Energieeffizienz und Wohnkomfort zu verbessern. Die Lösungspakete können je nach finanziellen Möglichkeiten und Klimazone ausgewählt werden. Sie wurden auf mehreren Pilot-Baustellen in Europa getestet. Eine Broschüre stellt die Lösungen auf einen Blick vor.
Ausgangspunkt ist eine vorgefertigte Fassade aus Holzmodulen, die Isolierung und aktive Komponenten beinhaltet – sie wird passend an die bestehende Fassade des Gebäudes angebracht. Dieser Grundlage können andere technische Komponenten hinzugefügt werden: beispielsweise ein dezentrales Lüftungsgerät, eventuell ausgestattet mit einem Wärmetauscher, der die Wärme aus der Abluft zurückgewinnt, sowie gebäudeintegrierte Photovoltaik-Paneele oder solarthermische Kollektoren. Außerdem kann ein smarter Deckenventilator eingebaut werden, der seine Geschwindigkeit automatisch und in Abhängigkeit von Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit anpasst. Eine weitere mögliche Komponente ist ein sogenannter Energy Hub, ein hydraulisches System, das die Wärmeströme im Gebäude steuert, um die Heizung und Kühlung zu optimieren.
Allgemein wählen Planungsteams die Technologien für die energetische Sanierung entsprechend ihrer Erfahrung aus. „Um die Arbeiten zu erleichtern und die Ergebnisse zu optimieren, haben wir mit unserem Projekt eine Reihe von Lösungspaketen entwickelt, die die finanziellen Möglichkeiten und klimatischen Bedingungen berücksichtigen. Mit diesen Werkzeugen wollen wir die Planer unterstützen“, erklärt Roberto Lollini, der die Forschungsgruppe für Energieeffizienz von Eurac Research leitet und für das europäische Projekt 4RinEU verantwortlich ist. „Für jede Kombination haben wir ermittelt, wieviel an Energie - und somit Strom – und Wärmekosten - eingespart werden können, um wieviel die Emissionen, Kosten und Bauzeiten sinken und der Wohnkomfort steigt. Jede Bewertung wurde für sechs europäische Regionen mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen durchgeführt: vom Mittelmeerraum bis hin zu nordeuropäischen Ländern und der atlantischen Zone. Entsprechend der Lage und den Bedürfnissen kann das geeignete Lösungspaket ausgewählt werden.“ So wird beispielsweise die Kombination aus vorgefertigter Fassade und smarten Ventilatoren in südlichen Ländern bevorzugt. Dort sinkt der Energiebedarf um bis zu 82 Prozent, während die Einsparungen in nördlichen Ländern bei 64 Prozent liegen, da dort weniger Energie zum Kühlen, sondern vielmehr zum Heizen im Winter verbraucht wird.
Zusätzlich zu diesen Berechnungen hat das Forschungsteam Daten von Pilot-Baustellen in den Niederlanden, Norwegen, Spanien und Italien gesammelt.
Auch wenn die Lösungspakete unterschiedliche technische Lösungen vorsehen, haben alle dieselben Vorteile. Grundsätzlich beeinträchtigen die Baustellen die Bewohner weniger und ihre Dauer ist kürzer. In Bellpuig (Spanien) wurde das System an einem Mehrfamilienhaus mit 15 Wohnungen getestet. In nur zwei Tagen wurden die vorgefertigten Paneele an die Fassade angebracht. Die Sanierungsarbeiten wurden nach einem Monat abgeschlossen, die Dauer entspricht der Hälfte herkömmlicher Arbeiten. Außerdem konnten die Menschen – wie auch in den Test-Gebäuden in Oslo und Soest (Niederlande) – während der gesamten Bauzeit in ihren Wohnungen bleiben.
Weitere Vorteile sind, dass man sich zu Hause wohler fühlt, die Energierechnungen niedriger ausfallen und die Wohnungen durch die Sanierung an Marktwert gewinnen. In Bellpuig haben die Forscher berechnet, dass der Energieverbrauch dank der vorgefertigten Fassade, dem Ventilationssystem mit Wärmerückgewinnung und der Photovoltaikanlagen um 60 Prozent gesenkt werden konnte. In der niederländischen Stadt Soest nahm der Verbrauch in der Seniorenresidenz, die an der Studie teilgenommen hat, um 80 Prozent ab. Gleichzeitig kam es zu einer Wertsteigerung der Wohnungen. Nicht nur die wirtschaftlichen Faktoren haben den Senioren das Leben erleichtert, sondern auch der thermische und akustische Komfort hat sich verbessert.
Das richtige „Rezept“ für jedes Gebäude basiert auf Daten und Informationen, die die Forscher in einer Vorphase sammeln, dem sogenannten Audit. Die tatsächlichen Leistungen können nach der Nachrüstung anhand der im Projekt entwickelten Methodik gemessen und überprüft werden. Die Daten werden in eine App eingespeist, mit der die Menschen in den sanierten Wohnungen ihren Verbrauch kontrollieren können. Die kontinuierliche Überwachung der Leistung ermöglicht es, die Verwaltung und Instandhaltung der Immobilie zu optimieren und neue, tiefgreifende Eingriffe in kurzen Zeitanständen zu vermeiden.
„Wir arbeiten derzeit an weiteren europäischen Großprojekten in diesem Bereich“, erklärt Wolfram Sparber, der das Institut für Erneuerbare Energie von Eurac Research leitet. „Viele Südtiroler Unternehmen verfügen über eine langjährige Erfahrung und ein ausgeprägtes Know-How im Umgang mit dem Baustoff Holz. Die derzeitigen Entwicklungen auf dem Sanierungsmarkt stellen für sie eine große Chance dar, ihren Marktvorteil zu sichern und weiter auszubauen“.