Schnellere Wundheilung durch programmierte, künstliche Exosomen
Wissenschaftler des MPI für medizinische Forschung und Partner haben synthetische Exosomen entwickelt, die die Signalübertragung zwischen Zellen beim Wundverschluss steuern. Sie sind analog zu den natürlich vorkommenden extrazellulären Vesikeln (EV) aufgebaut und übernehmen eine grundlegende Rolle bei der Kommunikation zwischen Zellen. Die Wissenschaftler*innen haben Schlüsselmechanismen bei der Regulierung der Wundheilung aufgedeckt. Sie zeigen auch erstmals erfolgreich, dass vollsynthetische Exosomen mit therapeutischer Funktionalität konstruiert werden können. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Science Advances veröffentlicht.
Extrazelluläre Vesikel vermitteln zwischen Zellen
Eine gut funktionierende Kommunikation zwischen Zellen ist für vielzellige Organismen wie den Menschen von grundlegender Bedeutung. Fast alle Prozesse in unserem Körper erfordern ein koordiniertes Zusammenspiel der Zellen, wenn sie Gewebe und Organe bilden oder beispielsweise bei Immunreaktionen zusammenarbeiten. Auch die Wundheilung oder die Neubildung von Blutgefäßen erfordert eine umfangreiche Zell-Zell-Signalgebung, damit sich Gewebe koordiniert regeneriert. Zellen in der Haut nutzen mehrere Mechanismen, um miteinander zu kommunizieren. Einer davon sind extrazelluläre Vesikel (EVs). Sie sind wie kleine Tröpfchen, die Zellen mit verschiedenen Molekülen beladen und freisetzen können, um Information zu übertragen, wie beim Versand von Briefen oder Paketen. Wenn sie an andere Zellen binden oder von diesen aufgenommen werden, geben sie diese Informationen frei. Über die Mechanismen und Signalprozesse, die hinter der Kommunikation durch extrazelluläre Vesikel stehen, ist jedoch wenig bekannt. Dies begrenzt ihre therapeutische Anwendung.
Learning-by-Building: Vollsynthetische extrazelluläre Vesikel optimieren das System
Um EVs besser zu verstehen, wählten die Wissenschaftler*innen den Bottom-up-Ansatz der synthetischen Biologie. In Reagenzgläsern entwarfen und bauten sie vollkommen künstliche extrazelluläre Vesikel, um deren natürliches Vorbild in Form und Funktion genau nachzuahmen. Damit wollten sie deren Rolle bei der Wundheilung besser und systematischer erfassen und die Relevanz und Funktion jeder einzelnen Komponente innerhalb der Vesikel verstehen. Durch den Bottom-up-Ansatz konnten die Funktionalitäten der EVs verbessert und eine programmierbare Technologie entwickelt werden. „Wir können synthetische Vesikel mit unterschiedlichsten Eigenschaften herstellen – das ist das Schöne am Bottom-up-Ansatz. Er gibt uns die Chance, natürliche Strukturen für unterschiedliche Zwecke zu kopieren, abzuwandeln und zu verbessern“, sagt Oskar Staufer, Postdoktorand in der Abteilung für Zelluläre Biophysik am MPImF und Erstautor der Veröffentlichung.
Therapeutischer Einsatz von synthetischen EVs während der Wundheilung
Um die Funktionalität der synthetischen EVs bei Wundheilungsprozessen zu demonstrieren, untersuchten die Forscher*innen den Heilungsprozess bei im Labor kultivierten, menschlichen Spenderhäuten. Wenn sie Wunden in diesen Häuten mit ihren künstlichen Exosomen behandelten, wurden diese um ein Vielfaches schneller geschlossen. Eine ähnliche Beobachtung machten sie bei der Bildung neuer Blutgefäße – einem Prozess, der in mehreren therapeutischen Kontexten wie der Geweberegeneration nach Operationen und Herzschäden wichtig ist. Diese neue Technologie gibt so auch tiefere Einblicke in die Mechanismen welche durch die EVs in den behandelten Zellen ausstoßen. So konnten die Wissenschaftler*innen auch entscheidende Moleküle in den EVs identifizieren, die den therapeutischen Effekt auslösen. Dieser entscheidende Fortschritt wird es künftig ermöglichen, individuell anpassbare Vesikel mit therapeutischer Bedeutung für die Behandlung vieler Krankheiten wie Krebs, Immunerkrankungen oder neurodegenerativen Erkrankungen zu entwickeln.
„Exosomen wecken seit mehr als 20 Jahren große Hoffnungen in die Biomedizin“, sagt Oskar Staufer. „Mit dieser neuen Technologie sind wir nun in der Lage, Exosomen mit hoher Reinheit in ausreichenden Mengen für therapeutische Anwendungen zu synthetisieren. Da wir außerdem selbst den Aufbau der EVs kontrollieren, können wir jetzt die grundlegenden Funktionen von EV sehr systematisch erforschen.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Oskar Staufer (oskar.staufer@mr.mpg.de)
Originalpublikation:
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abg6666