IESE Business School: Fracking kann Oberflächengewässer beeinträchtigen
Fracking führt zu erhöhten Salzkonzentrationen in Oberflächengewässern. Dies belegen Forschungsergebnisse der IESE Business School, veröffentlicht im Wissenschaftsmagazin Science. Bessere und häufigere Wassermessungen seien nötig, wolle man Umweltauswirkungen der unkonventionellen Öl- und Gasförderung auf Oberflächengewässer vollständig verstehen lernen.
Die Entdeckung des Hydraulic Fracturing, besser bekannt als Fracking, wird von vielen als die wichtigste Veränderung im Energiesektor seit der Einführung der Kernenergie vor mehr als 50 Jahren angesehen – und dennoch kontrovers diskutiert. Die US-amerikanische Erdöl- und Erdgasproduktion ist gestiegen, die Energiepreise sind gesunken und die inländische Energiesicherheit hat sich erhöht, da die USA mehr auf Fracking-Öl und weniger auf Importe vertrauten. Kritiker weisen jedoch auf Gesundheits- und Umweltbedenken hin – insbesondere auf die Gefahr, die vom Fracking für die Wasserversorgung ausgehen könnte.
Studien dokumentierten eine Verunreinigung des Grundwassers im Zusammenhang mit Fracking, aber auch Oberflächenwasser könnte gefährdet sein: Pietro Bonetti von der IESE Business School, Christian Leuz von der Chicago Booth University und Giovanna Michelon von der University of Bristol wiesen nach, dass Fracking zu erhöhten Salzkonzentrationen in Oberflächengewässern rund um Schiefergestein und vielen Wassereinzugsgebieten in den USA führt. Die von ihnen entdeckten erhöhten Werte waren zwar sehr gering und lagen im Rahmen dessen, was die US-Umweltschutzbehörde als unbedenklich ansieht – doch die Forscher weisen darauf hin, dass eine bessere Datengrundlage zur Wasserqualität erforderlich ist, um die Auswirkungen der unkonventionellen Öl- und Gasförderung auf das Oberflächenwasser vollständig zu verstehen.
Fracking ermöglicht es der Energieindustrie, Öl- und Gasvorkommen zu fördern, die sonst nicht zugänglich wären. Dazu werden Millionen Liter Flüssigkeit unter hohem Druck in den Untergrund gepresst, um Risse im Gestein zu erzeugen, durch die Öl oder Gas fließen kann. Während die Industrie versichert, das Verfahren sei sicher, haben andere Bedenken hinsichtlich der Fracking-Flüssigkeit – ein Gemisch aus Wasser, chemischen Zusätzen und Stützmitteln wie Sand – und der großen Mengen an Abwasser, bestehend aus dem Rückfluss der Fracking-Flüssigkeit und Produktionswasser aus den tiefen Formationen. Bei Letzterem handelt es sich um natürlich vorkommendes Wasser, in dem sich organische und anorganische Bestandteile aus der Formation gelöst haben, was zu hohen Salzkonzentrationen führt.
Während Studien wie die von Stephen G. Osborn, Avner Vengoshb, Nathaniel R. Warnerb und Robert B. Jackson aus dem Jahr 2011 einen Zusammenhang zwischen Fracking und der Verunreinigung des Grundwassers herstellten, gab es bisher weniger Belege für die Verunreinigung des Oberflächenwassers, abgesehen von vereinzelten Leckagen und Austritten. Die Forschungsergebnisse von Bonetti, Leuz und Michelon legen jedoch nahe, dass Fracking zu erhöhten Salzkonzentrationen in Oberflächengewässern führen kann.
Die Forscher nutzten eine geokodierte Datenbank, die Oberflächenwassermessungen von 46.479 Fracking-Bohrungen aus 24 Schiefergesteinen in 408 Wassereinzugsgebieten aus den Jahren 2006 bis 2016 kombinierte. Sie suchten speziell nach Konzentrationen von Bromid, Chlorid, Barium und Strontium, da diese Ionen in der Regel in hohen Konzentrationen im Rückfluss- und Produktionswasser aus Bohrlöchern vorkommen, sich nicht biologisch abbauen und auch noch mehrere Jahre nach dem Austritt gefunden werden. Mithilfe eines statistischen Ansatzes ermittelten Bonetti, Leuz und Michelon anomale Veränderungen der Ionenkonzentration im Zusammenhang mit neuen Bohrungen in denselben Wassereinzugsgebieten.
Geringe, aber beständige Anstiege von Barium, Chlorid und Strontium
In Gebieten mit neuen Hydraulic-Fracturing-Bohrungen wurden erhöhte Salzkonzentrationen in den Oberflächengewässern festgestellt, so die Forscher. Sie fandenfür viele Wassereinzugsgebiete in den USA kleine, aber beständige Erhöhungen der Barium-, Chlorid- und Strontiumkonzentration, nicht aber der Bromidkonzentration. Diese erhöhten Werte traten in Pennsylvania – das fast 41 Prozent der Stichprobe ausmachte – und in allen US-Wassereinzugsgebieten in vergleichbarer Größenordnung und Bedeutung auf.
Der Anstieg der Salzkonzentrationen war in den frühen Phasen der Förderung am stärksten, wenn bei den Bohrungen große Mengen an Rückfluss- und Produktionswasser anfallen, was auf einen Zusammenhang zwischen den erhöhten Konzentrationen und dem unkonventionellen Öl- und Gaserschließungsprozess schließen lässt, so die Forscher. Am stärksten ausgeprägt waren die Salzkonzentrationen bei Bohrungen, die größere Wassermengen förderten, und bei Bohrungen in Gebieten, in denen die tiefen Formationen einen höheren Salzgehalt aufwiesen.
Die von den Forschern festgestellten erhöhten Werte lagen weit unter den Grenzwerten und Empfehlungen der US-Umweltschutzbehörde, die als sicher gelten. Allerdings wurden die Wassermessungen überwiegend an Flüssen vorgenommen. Es sei wichtig zu bedenken, dass nicht alle Brunnen in der Nähe von Oberflächengewässern liegen und sich nicht alle Überwachungsgeräte an Orten befinden, an denen sie eine Auswirkung feststellen könnten, argumentieren die Forscher. Außerdem wurde die Studie durch Verfügbarkeit und die Messhäufigkeit von Wasserqualitätsdaten beeinträchtigt. Hydraulic-Fracturing-Flüssigkeiten enthalten chemische Substanzen, die potenziell gefährlicher sind als Salze. Bonetti, Leuz und Michelon konnten nach diesen Chemikalien nicht suchen, da sie in öffentlichen Datenbanken nicht umfassend verzeichnet werden.
Die Untersuchung zeigt, dass „wir ein besseres und häufigeres Monitoring samt Wassermessungen benötigen, um die Auswirkungen von Fracking auf die Umwelt besser verstehen zu können", so IESE-Professor Bonetti. „Bundes- und Landesumweltbehörden könnten darüber nachdenken, Überwachungsstationen gezielter zu platzieren, um mögliche Auswirkungen auf die Wasserqualität besser zu erfassen. Umfangreichere Wassermessungen für ein breiteres Spektrum von Stoffen erfordern natürlich eine angemessene Finanzierung dieser Behörden."
Weitere Informationen: Pietro Bonetti, Christian Leuz, und Giovanna Michelon, “Large-Sample Evidence on the Impact of Unconventional Oil and Gas Development on Surface Waters,” Science,
20.08.2021. Link: https://www.science.org/doi/abs/10.1126/science.aaz2185
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Pietro Bonetti, https://www.iese.edu/faculty-research/faculty/pietro-bonetti/
Originalpublikation:
https://www.science.org/doi/abs/10.1126/science.aaz2185