Kinderwunschbehandlungen: Risiken der Mehrlingsschwangerschaften mindern
Aktuelle Zahlen und Fakten zur Kinderwunschmedizin im neuen Jahrbuch des Deutschen IVF-Registers (D·I·R) 2020. Der Weg zum Wunschkind ist für jedes sechste Paar nicht auf natürlichem Weg möglich, sondern mit medizinischer Hilfe verbunden.
Häufig resultieren aus Kinderwunschbehandlungen jedoch Mehrlingsschwangerschaften mit entsprechenden Frühgeburten, die Kinder und Mütter belasten. Die Ziele der Kinderwunschmedizin sind eigentlich einfach: (nur) ein gesundes Kind einer gesunden Mutter. Dazu wollen die Reproduktionsmediziner die Mehrlingsschwangerschaften auch durch eine bessere Aufklärung der Paare deutlich reduzieren.
Die Ziele der Kinderwunschmedizin sind eigentlich einfach: „Wir möchten ein gesundes Kind einer gesunden Mutter“, sagt Prof. Dr. med. Jan-Steffen Krüssel, Düsseldorf, Vorstand des Deutschen IVF-Registers. Dazu wollen die Reproduktionsmediziner die Mehrlingsschwangerschaften auch durch eine bessere Aufklärung der Paare deutlich reduzieren. Die notwendige Datenlage dazu liefert ihnen das aktuelle Jahrbuch des Deutschen IVF-Registers (D·I·R)®. Darin enthalten sind Auswertungen zu 116.306 Behandlungszyklen aus 134 Mitgliedszentren. Es vermittelt einen Überblick zu deutschen Kinderwunschbehandlungen, der die Erfolgsaussichten, Schwangerschafts- und Geburtenraten dokumentiert. Erstmalig ist der Anteil der Einlinge über 81 Prozent gestiegen und der Anteil der Mehrlinge auf 18,3 Prozent gesunken (vor zwei Jahren lag er noch 22,0 Prozent).
Häufig resultieren aus Mehrlingsschwangerschaften Frühgeburten, die Kinder und Mütter belasten. Während es sich bei sechs von zehn Zwillingsgeburten um Frühgeburten handelt, sind es bei Drillingen nahezu alle Geburten. Zum Vergleich: bei Einlingsgeburten ist nur eines von zehn Babys zu früh geboren.
Die Beispiele von Kinderwunschbehandlungen in Schweden und den Niederlanden zeigen, dass Zwillinge oder Drillinge nicht unbedingt Ergebnis der Reproduktionsmedizin sein müssen. Dort führt die vornehmlich praktizierte Rückgabe von eben nur einem Embryo (in der Fachsprache „Single Embryo Transfer“ oder kurz „SET“) dazu, dass weniger als fünf Prozent der künstlichen Befruchtungen in einer Mehrlingsschwangerschaft münden. „Ein Aspekt, auf den wir in unseren Beratungen von Paaren mit Kinderwunsch selbstverständlich hinweisen“, sagt Prof. Krüssel.
Zwar sei die Schwangerschaftsrate nach der Rückgabe von einem Embryo an die Patientin mit 39 Prozent geringer als nach zwei Embryonen mit 48 Prozent. „Diese Rate führt aber eben auch zu einer Mehrlingsrate von 33 Prozent bei Frauen unter 35 Jahren“, stellt er klar. Verbunden damit sei ein sehr viel schwieriger Schwangerschaftsverlauf, oftmals eine sehr viel frühere Einweisung in ein Krankenhaus und ein sehr hoher Anteil an Frühgeburten. All diese Risiken stellen eine vermeidbare Belastung für Kinder und Eltern dar!
Detaillierte Auswertungen im aktuellen D·I·R® Jahrbuch weisen die Altersgruppe der Patientinnen zwischen 35 und 39 Jahren sowie die Gruppe der ab 40-jährigen gesondert aus. Auch bei Frauen ab 40 Jahren ist das Mehrlingsrisiko um das 16-fache erhöht. Prof. Krüssel: „Uns zeigt das, dass gerade auch bei Patientinnen höheren Alters, die eben auch ein höheres Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie Bluthochdruck oder Diabetes aufweisen, Mehrlingsgeburten vermieden werden sollten“.
Weil Paare trotzdem häufig auf Nummer sicher gehen möchten und sich bessere Erfolge erhoffen, wenn sie sich zwei Embryonen statt einem übertragen lassen, wollen die Kinderwunschzentren weiter aufklären. „Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll nahezu allen Patientinnen nur einen Embryo zu transferieren“, sagt Prof. Krüssel. Für weitere Eizellen oder überzählige Embryonen käme das Einfrieren (die Kyrokonservierung) in Frage. „Dazu wäre eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes, das die regelhafte Entwicklung von mehreren Embryonen eindeutig erlaubt, als auch die Übernahme von Kosten für die Konservierung und des anschließenden Kyrotransfers seitens der Krankenkassen wünschenswert“, erklärt er.
Die aktuellen Zahlen und Daten über Kinderwunschbehandlungen in Deutschland liefert das Deutsche IVF-Register (D·I·R)®, indem es kontinuierlich Behandlungsdaten der Kinderwunschzentren auswertet. Sie dienen den Reproduktionsmedizinern auch zur Beurteilung der Situation und ihren Forderungen nach einer Reduktion von Mehrlingsschwangerschaften.
Weitere Informationen, Zahlen und Analysen bietet das Deutsche IVF-Register (D·I·R)® in seinem aktuellen Jahrbuch, das am 02.10.2021 erschien und als Premiere auch eine Sonderausgabe für ungewollt kinderlose Paare, Patientinnen und Patientin sowie die Öffentlichkeit bietet: https://www.deutsches-ivf-register.de/jahrbuch.php
Über das Deutsche IVF-Register
Die Öffentlichkeit fordert Information und Transparenz im Hinblick auf Diagnostik und Behandlungen auf dem sensiblen Gebiet der Kinderwunschmedizin. Diese Forderung ist berechtigt. Nur mit einer zuverlässigen und kontinuierlichen Auswertung der Behandlungsergebnisse möglichst vieler Kinderwunschzentren, wie sie das Deutsche IVF-Register leistet, kann dieser Forderung gefolgt werden. Darüber hinaus dient diese Auswertung wissenschaftlichen Erkenntnissen und damit verbunden Verbesserungen der medizinischen Versorgung und Ergebnisse. Aber auch bei der Beratung und letztlich der Entscheidungsfindung der ungewollt kinderlosen Paare sind die Auswertungen des Deutschen IVF-Registers von elementarer Bedeutung.
Mit der Auswertung der Behandlungen und ihrer Ergebnisse aus nahezu allen deutschen Kinderwunschzentren stellt das Deutsches IVF-Register (D·I·R)® einen einzigartigen Datenschatz dar, der mittlerweile fast 2 Millionen Behandlungen und über 340.000 geborene Kinder in Deutschland enthält. Das Deutsche IVF-Register (D·I·R)® ist ein gemeinnütziger Verein.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. med. Ute Czeromin, Prof. Dr. med. Jan-Steffen Krüssel, Dr. med. Andreas Tandler-Schneider
Originalpublikation:
https://www.deutsches-ivf-register.de/perch/resources/dirjahrbuch2020b2c-rz.pdf, https://www.deutsches-ivf-register.de/perch/resources/dirjb2020-2de.pdf