Läusealarm in Schulen oder Kitas oft unnötig
Stiftung Kindergesundheit informiert über die aktuellen Empfehlungen zur Bekämpfung der unappetitlichen Krabbeltiere
Der Befall mit Kopfläusen ist die häufigste Parasiten-Erkrankung im Kindesalter und nach den Atemwegsinfektionen die zweithäufigste Infektionskrankheit im Grundschulalter. Immer wieder werden in Kindergärten und Schulen Läusealarme ausgelöst und Besuchsverbote ausgesprochen, um die Verbreitung der unwillkommenen Besucher zu stoppen. Die Aufregung sei jedoch in der Regel nicht gerechtfertigt, betont die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme: Läuse übertragen keine Krankheiten und auch die bisher üblichen Verbote des Kita- oder Schulbesuchs seien meist ineffektiv und unnötig.
Grundlage für die überraschende Abkehr von den bisherigen strengen Regeln ist eine jüngst vorgenommene Analyse internationaler Studien durch die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin DAKJ. Eine siebenköpfige Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der DAKJ hat dazu 63 weltweite Studien und Informationsmedien über Kopfläuse ausgewertet und räumt nun mit vielen althergebrachten Empfehlungen auf, die im Zuge eines „Läusealarms“ das Leben vieler Kinder und ihrer Eltern ungebührlich beeinträchtigen können.
Die Stiftung Kindergesundheit fasst die wichtigsten Aussagen der wissenschaftlichen Studien zusammen:
O Läuse sind harmlos. Einem Läusebefall wird durch die teilweise erheblichen emotionalen Reaktionen der Betroffenen und ihrer Umgebung eine übertriebene Bedeutung beigemessen.
O Epidemische Verläufe mit rascher Ausbreitung auf ganze Schulklassen sind nur selten nachweisbar.
O Ein „Läusealarm“ ist in der Regel nicht gerechtfertigt. Empfehlenswert ist dagegen eine gezielte Nachforschung bei Familienangehörigen und eng befreundeten Kindern, z.B. von Übernachtungsbesuchern.
O Lediglich der Nachweis wenigstens einer lebenden Laus auf dem behaarten Kopf stellt einen triftigen Grund für eine Behandlung dar.
O Maßnahmen außerhalb des behaarten Kopfes sind in aller Regel unnötig: Ein umfangreiches Reinigen von Leib- und Bettwäsche, Wegschließen von Kuscheltieren und Spielsachen, das luftdichte Verpacken oder Einfrieren von Textilien oder Spielzeug haben keinerlei nachweisbaren Effekt bei der Beendigung einer Pediculosis capitis.
O Wesentlicher Ansatz der Behandlung ist die Verminderung der auf dem Kopf befindlichen Läuse. Dies gelingt rasch und weitgehend schmerzfrei durch Auskämmen des nassen Haares mit Haarspülung und einem geeigneten Läusekamm. Dieses systematische Auskämmen hat bereits einen therapeutischen Effekt und ist auch zusätzlich und wiederholt bei der Anwendung von Läusemitteln (Medikamenten oder Medizinprodukten) empfohlen, um den Behandlungserfolg zu sichern.
Kombination aus Insektizid und Auskämmen
Besonders wohl fühlen sich Kopfläuse im Nacken, an der Schläfe und hinter den Ohren, gelegentlich aber auch in den Augenbrauen der Kinder, bei Erwachsenen auch unter den Achseln und zwischen den Barthaaren. Sie saugen alle zwei bis drei Stunden Blut und hinterlassen dabei hochrote, stark juckende Stichstellen.
Übertragungen finden praktisch ausschließlich durch unmittelbare Haar-zu-Haar-Kontakte statt. Von der weit verbreiteten Vorstellung, man könne auch durch Kopfpolster in Bussen und Bahnen mit Läusen angesteckt werden, halten Experten nur wenig: Als Parasit, abhängig von der täglichen Blutaufnahme, neigen Läuse nicht dazu, ihren Lebensraum, den behaarten Kopf, freiwillig zu verlassen. Läuse machen übrigens keine Unterschiede zwischen Nationalitäten und Kulturkreisen: Kinder mit Migrationshintergrund haben in Deutschland laut RKI ähnlich häufig Kopflausbefall wie Kinder deutscher Eltern.
Da die Stichstellen der Läuse meist stark jucken, kratzen sich die Kinder oft intensiv am Kopf. Haben sich jedoch nur wenige Läuse auf dem Kopf eingenistet, werden die Eltern oft nur durch die weißlichen Nissen auf den Befall aufmerksam. Nissen unterscheiden sich von Kopfschuppen oder Haarspraypartikeln dadurch, dass sie fest am Haar haften und nicht abgestreift werden können.
Leider ist es nicht einfach, die lästigen Insekte wieder loszuwerden. Mit häufigem Waschen der Haare allein ist das jedenfalls nicht zu schaffen, betont die Stiftung Kindergesundheit: Durch das Waschen der Haare werden die Läuse keineswegs beseitigt, sie werden lediglich sauberer.
Nur eine lokale Behandlung hilft
Erfolg verspricht nur eine gründliche und geduldige lokale Behandlung. Ziel der Therapie ist es, sowohl geschlechtsreife Läuse als auch ihre Larven wirksam abzutöten. Das Robert-Koch-Institut Berlin empfiehlt dazu die Kombination von nassem Auskämmen und die Anwendung von Insektiziden.
Zum Auffinden der Läuse muss das Haar systematisch Strähne für Strähne gekämmt werden. Dabei muss der Kamm so geführt werden, dass er von der Kopfhaut aus fest zu den Haarspitzen heruntergezogen wird. Besonders geeignet, um die Läuse oder Nissen zu erfassen, sind spezielle Kämme, deren Zinken nicht mehr als 0,2–0,3 mm voneinander entfernt sind (sog. Nissenkämme). Nach jedem Kämmen sollte der Kamm sorgfältig nach Läusen untersucht und diese entfernt werden.
Ziel der Therapie ist es, sowohl geschlechtsreife Läuse als auch ihre Larven wirksam abzutöten, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit. Günstig ist es, wenn auch die Eier erreicht werden, was jedoch nicht immer der Fall ist. Dazu werden zahlreiche Medikamente und Medizinprodukte angeboten.
Insektizide nur streng nach Vorschrift!
Die Medikamente, die zur Bekämpfung von Läusen zur Verfügung stehen, sind allesamt Insektizide, allerdings unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichem Wirkungsgrad. Der gegen Kopfläuse hochwirksame Wirkstoff Lindan darf seit 2008 gemäß einer EU-Regelung nicht mehr eingesetzt werden. Andere Mittel zur Kopflausbekämpfung erhalten Pyrethroide (Pyrethrum, Bioallethrin, Permethrin). Gegen diese pflanzlichen Substanzen entwickeln indes weltweit immer mehr Läuse eine Resistenz.
Da diese Mittel potentielle Nervengifte sind und außerdem Allergien und Hautirritationen hervorrufen können, muss man sie streng nach Vorschrift anwenden – nicht häufiger als wirklich nötig.
Silikonöl: Keine Probleme mit Resistenzen
Als gut wirksame Alternative gelten Dimeticone mit einer Wirksamkeit von 97 Prozent. Diese apothekenpflichtigen Medizinprodukte enthalten synthetische Silikonöle und wirken nicht chemisch, sondern physikalisch: Sie verkleben die winzigen Atemöffnungen der Insekte - die erwachsenen Läuse sowie alle ihrer Entwicklungsstadien ersticken dadurch. Eine Resistenz ist ausgeschlossen.
Dimeticone gelten als sicher ungiftig, sind jedoch mit einem anderen Risiko behaftet, warnt die Stiftung Kindergesundheit: Sie sind extrem leicht entflammbar! Es sind schon schwere Brandverletzungen berichtet worden. Die Haare müssen deshalb nach Auftragen des Mittels von offenen Flammen wie Zigaretten, Gasboilern oder Kerzen und starken Wärmequellen (z. B. heißer Haartrockner) unbedingt ferngehalten werden.
Haben die Haare engen Kontakt, findet die Übertragung in wenigen Augenblicken statt. Besteht der Kontakt längere Zeit, zum Beispiel wenn die Kinder zusammen in einem Bett schlafen, können die Läuse auch mehrfach hin und her wechseln.
Auch Essigwasser kann helfen
Als Hausmittel gilt in vielen Familien Haushaltsessig mit Wasser gemischt, der sich besonders bei Schwangeren und stillenden Müttern bewährt hat, denen von manchem chemischen Mittel abgeraten wird.
Dazu das RKI Berlin: „In diesem Fall kann eine alternative Behandlung durch mehrfaches Spülen der Haare mit Essigwasser durchgeführt werden (1 Teil 6prozentiger Speiseessig auf 2 Teile Wasser; kein Essigkonzentrat verwenden!). Dadurch werden Eier und Nissen in der Anhaftung an das Haar gelockert. Die Einwirkzeit sollte mindestens 10 Minuten betragen. Anschließend werden die feuchten Haare mit einem Nissenkamm sorgfältig ausgekämmt. Durch die Behandlung mit Essigwasser werden allerdings Läuse oder Nissen nicht abgetötet, es wird lediglich das Auskämmen erleichtert“
Wann darf das Kind wieder zur Schule?
Nach der sachgerechten Anwendung eines wirksamen Läusemittels ist eine Weiterverbreitung auch bei noch vorhandenen Nissen nicht mehr zu befürchten. Wird das befallene Kind mit einem der zugelassenen Läusebehandlungsmitteln behandelt, darf es am Tag darauf wieder in die Kita oder zur Schule, auch wenn die Therapie noch nicht abgeschlossen ist. Es befinden sich nämlich keine lebenden Läuse mehr in seinen Haaren. Eine Weiterverbreitung der Läuse ist auch bei noch vorhandenen Nissen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu befürchten.
Aus diesem Grund halten die Autoren der DAKJ Ausschlussmaßnahmen in Kitas und Schulen selbst unter Berücksichtigung des Infektionsschutzgesetzes IfSG für unnötig: „Ein Besuchsverbot für Gemeinschaftseinrichtungen hat für die Kontrolle einer Pedikulose keine Bedeutung“.
Warum selbst Experten Läuse „igitt“ finden
„Die Pedikulose hat allerdings eine hohe Potenz, nicht nur bei Betroffenen, sondern auch bei Fachpersonen erhebliche adversive Empfindungen (Entomophobie) auszulösen“, stellen die Experten fest. Nur so lasse es sich erklären, dass sich auch in zahlreichen Expertisen wissenschaftlicher Institutionen und Fachgesellschaften Aussagen und Empfehlungen finden, für die es an wissenschaftlicher Evidenz fehlt.
Den weit verbreiteten Aversionen könne nur durch gezielte und evidenzbasierte Aufklärung sowie besonnenes Handeln begegnet werden, betont die Stiftung Kindergesundheit. Arztpraxen, Apotheken sowie dem Personal von Gemeinschaftseinrichtungen komme dabei eine wesentliche Aufklärungsrolle zu.