Innovation für ein altes Handwerk: TU Freiberg entwickelt effizientes und umweltverträgliches Verfahren für Glockenguss
Seit Jahrhunderten werden Glocken in Deutschland mit Formen aus Lehm oder mit schadstoffbelastetem Furanharz als Binder gefertigt. Forschende der TU Freiberg entwickeln daher ein neues Verfahren, das einen effizienteren Glockenguss mit umweltfreundlichen Formstoffen ermöglicht. Eine mit dem neuen Verfahren gefertigte Glocke wurde der TU Bergakademie Freiberg gewidmet.
Sechs Glocken haben die Freiberger Forschenden bisher mit dem neuen Verfahren gegossen. „Ziel ist ein wirtschaftlicher, effizienter und umweltverträglicher Herstellungsweg, der Glocken im selben Qualitätsstandard liefert, wie das traditionelle Lehmformverfahren und das industriell angewendete Furanharz-Verfahren“, sagt Prof. Gotthard Wolf, Leiter des Gießerei-Instituts der TU Bergakademie Freiberg. Erreichen wollen die Forschenden in Zusammenarbeit mit mittelständischen sächsischen Betrieben dieses Ziel vor allem durch zwei neue Technologien.
Mit CNC-Fräsen zur Glocke
Glocken werden als Einzelstücke mit einer bestimmten Klangfarbe und individuellen Verzierungen hergestellt. Vereinfacht gesagt, fließt die flüssige Bronze in einen Hohlraum zwischen einem Kern und einem Mantel und erkaltet in dieser Form, bevor sie nach einigen Wochen freigelegt wird. Die Herstellung von Kern und Mantel dauern sehr lang, erfordern viel Feinarbeit und setzen den Erfahrungsschatz von Generationen von Glockengießern voraus. Mit dem Direktformverfahren per CNC-Fräse sollen die Arbeitsschritte künftig schneller ablaufen. Die Zeit bis zur fertigen Form wird von mehreren Wochen im klassischen Lehmformverfahren auf bis zu fünf Tage reduziert.
Zementgebundener Quarzsand statt Lehm
Statt Lehm oder Furanharzbinder wird zur Herstellung der Form zementgebundener Quarzsand verwendet. Als Binder wird dabei ein in Freiberg entwickelter Spezialzement – sogenannter Ettringitzement – verwendet. Damit härtet der Formstoff nicht nur sehr viel schneller als herkömmliche Zemente aus, sondern ist zudem umweltverträglicher. „Es tritt hauptsächlich harmloser Wasserdampf als Emission auf, während beim Lehmformverfahren und vor allem bei kunstharzgebundenen Formstoffen Schadstoffe wie Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol entstehen. Basierend auf aluminium-, calcium- und sulfathaltigen Rohstoffen lässt sich dieser neue zementgebundene Formstoff zudem deutlich besser entsorgen“, erklärt Projektmitarbeiter Dr. Marco Weider.
Glocke für die Universität dient als Prototyp
Eine der nach dem innovativen Verfahren beim Sächsischen Metallwerk hergestellten Glocken erhält die TU Bergakademie Freiberg. Übergeben wurde sie am 28. Oktober an Rektor Prof. Dr. Klaus-Dieter Barbknecht und den amtierenden Kanzler Jens Then im Rahmen des wissenschaftlichen Ledebur-Kolloquiums des Gießerei-Institutes, auf dem sich jährlich Vertreterinnen und Vertreter aus der Gießereiindustrie und der universitären Forschung austauschen.
Die rund 120 Kilogramm schwere und zirka 60 Zentimeter hohe Bronzeglocke trägt die Inschrift „Theoria cum praxi, Friberga 2021“ (zu Deutsch: Theorie mit Praxis, Freiberg 2021) sowie das Logo der Universität und das Logo des Gießerei-Institutes. Auf dem Freiberger Campus soll sie künftig in einem Glockenturm auf dem Wissenschaftskorridor weithin hörbar erklingen.
Hintergrund zum Forschungsprojekt
Das neue Verfahren entwickelt die TU Bergakademie Freiberg gemeinsam mit den mittelständischen Firmen Sächsisches Metallwerk GmbH und Kunstguss Döhler GbR. Im Rahmen des Zentralen Innovationsprogrammes Mittelstand (ZIM) wird das Forschungsprojekt mit insgesamt 189.999 Euro gefördert. Das Programm möchte die Innovationskraft und damit die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen nachhaltig stärken.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Marco Weider, Marco.Weider@gi.tu-freiberg.de
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