Die Herstellung von Profilen wird deutlich effizienter
Profile von Leitplanken bis Schubladenführungen finden sich in allen Bereichen unseres Lebens. Ihre Produktion ist bislang aber vor allem mechanisch getragen, Digitalisierungen sind in diesem Bereich noch Ausnahmen. Das könnte sich bald ändern, denn die Forschungen von Dr. Tilman Traub tragen Früchte: Erste Bausteine der sogenannten Walzprofilieranlagen zur Herstellung von Profilen wurden dank seiner Arbeiten bereits digitalisiert. Dafür verlieh ihm nun die WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik) die Otto-Kienzle-Gedenkmünze. Die renommierte Auszeichnung wird jährlich an junge Ausnahmetalente vergeben.
„Tilman Traub hat es mit seinen Arbeiten geschafft, diesen bedeutenden Bereich der Produktion schneller und ressourcenschonender zu gestalten. Er hat das Walzprofilieren damit wichtige Schritte weitergebracht“, erläutert Prof. Christian Brecher, Präsident der WGP, der die Auszeichnung im Rahmen der WGP-Herbsttagung am 3. und 4. November 2021, überreichte. „Seine exzellenten Forschungen und sein Einsatz für sein Institut haben uns dazu bewogen, ihm die Otto-Kienzle-Gedenkmünze zu verleihen, unsere höchste Auszeichnung.“
Assistenzsysteme für Digitalisierung
Traub, der an der TU Darmstadt bereits nach 15 Monaten vom wissenschaftlichen Mitarbeiter zum Oberingenieur am Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) ernannt wurde, hat sich früh auf das Verfahren des Walzprofilierens spezialisiert. „Als ich damit anfing, bestanden die Anlagen aus viel Stahl, etwas Öl und wenig Elektronik“, schmunzelt er. Das ändert sich derzeit, sicher auch angetrieben durch seine Forschungen. Der gebürtige Würzburger hat eine neue Sensorik entwickelt, um in einer Walzprofilieranlage die an den unterschiedlichen Rollensegmenten auftretenden beschleunigenden oder bremsenden Antriebsmomente einzeln zu messen. Der neuartige Sensorkörper, eine sogenannte sensorische Passfeder, hat Traub zum Patent angemeldet. Dabei wollte es das Nachwuchstalent jedoch nicht bewenden lassen. Sein weiteres Interesse galt den Assistenzsystemen. Gerade bei der Entwicklung derartiger, entscheidungsunterstützender Systeme stoßen heutige Entwicklungsmethoden an ihre Grenzen. „Typischerweise wird bei der Gestaltung technischer Systeme von vorab definierten Anforderungen ausgegangen“, erläutert Traub. Dies setzt jedoch voraus, dass beispielsweise im Hinblick auf die einzusetzende Sensorik vorab eine klare Vorstellung über Ursache-Wirkung zusammenhänge besteht. Gerade bei der empirischen Auswertung von Daten ist diese Voraussetzung jedoch nicht immer erfüllt. Traub entwickelte ein Entwicklungsmodell, wie sich einerseits die für Diagno-sen notwendige sensorische Ausstattung und andererseits die für die Diagnose notwendigen Korrelationen erschließen lassen. Zu diesem Zweck erweiterte er die klassische Produktentwicklung technischer Systeme um eine Konzeptionsphase mit dem Ziel, in dieser die Anforderungen für die spätere Detaillierung zu erschließen. Das Vorgehen in der Konzeptionsphase ist in dem Modell von Traub durch eine agile Vorgehensweise geprägt, wie sie typischerweise eher in der Softwareentwicklung als im klassischen Maschinenbau vorkommt. Traub hat hier bewusst einen Mittelweg gewählt und die beiden Welten zusammengebracht. „Auch diese Herangehensweise ist ein Novum“, lobt Prof. Peter Groche, der Traub während seiner Promotionszeit am PtU betreute. „Es ist das schönste Privileg meines Berufsstandes, dass wir mir so talentierten und engagierten jungen Menschen wie Herrn Dr. Traub an der dringend notwendigen Weiterentwicklung der Produktionstechnik arbeiten dürfen.“
Die Methodik zur Konzeption von Assistenzsystemen testete Traub an zwei Anwendungsfällen: Zum einen sollte es bei der Fehlersuche unterstützen, zum anderen die Energieeffizienz des Produktionsprozesses erhöhen. Im ersten Anwendungsfall konnte sowohl unter Labor- als auch industriellen Bedingungen ein geeigneter Aufbau für ein solches Assistenzsystem abgeleitet werden, das die häufigsten Justierungsfehler beim Walzprofilieren erkennen kann. Im zweiten Use-Case erzielte der 33-Jährige eine Reduzierung des Arbeitsbedarfs um bis zu 66 Prozent. Das ist zwar erst das Ergebnis eines ersten durchgemessenen Prozesses, aber Traub ist sich sicher: „Auf jeden Fall ist beim Walzprofilieren eine Reduzierung des Energieverbrauchs im zweistelligen Prozentbereich möglich.“
Die Arbeit des Ausnahmewissenschaftlers trägt bereits Früchte. Seit 2019 ist er bei der Dreistern GmbH, Schopfheim, Leiter Innovation und Business Development. Hier konnte er nicht nur seine Forschungsprojekte in die Praxis übertragen und die Assistenzsysteme auf der diesjährigen BlechExpo in Stuttgart präsentieren. Den neuen Job genießt Traub aber auch aus ganz anderen Gründen: „Es wäre ein Horror für mich, wenn jeder Tag dem anderen gleichen würde.“ Diese Gefahr läuft er auf seinem jetzigen Posten ganz sicher nicht. Trotzdem treibt ihn noch etwas anderes um: „An der Universität habe ich ganz besonders genossen, angehende Ingenieurinnen und Ingenieure auf ihren ersten Schritten ins Berufsleben zu begleiten und ihre Abschlussarbeiten zu betreuen. Der Umgang mit wissbegierigen, jungen Leuten hat mich mit einer großen Freude erfüllt, und das möchte ich gerne wieder beleben – sei es mit Azubis oder in Kooperation mit Hochschulen.“
Fachkräftemangel für Zukunft befürchtet
Die Förderung des Nachwuchses ist auch für die WGP von besonderem Interesse. „Die jährliche Verleihung der Otto-Kienzle-Gedenkmünze an herausragende Nachwuchsforschende ist dafür nur ein Beispiel“, erläutert Prof. Wolfram Volk, Sprecher des Wissen-schaftsausschusses und Leiter des Lehrstuhls für Umformtechnik und Gießereiwesen (utg) an der Technischen Universität München. Seit einigen Jahren jedoch sinken die Studierendenzahlen. Im vergangenen Jahr sind sie nun an vielen Standorten signifikant, mancherorts sogar dramatisch eingebrochen. Hält der Trend sinkender Studierenden- und Auszubildendenzahlen an, wird der Wirtschaftsstandort Deutschland künftig einen noch größeren Man-gel an qualifizierten Mitarbeitenden erleben. „Wir stehen vor der Herausforderung, jungen Menschen für Technik im Allgemeinen und für die Produktionstechnik im Besonderen zu begeistern, um diesen negativen Trend zu brechen“, mahnt Volk. „Umso wichtiger ist es, engagierte und vielversprechende Forschende in Ihrem Tun zu unterstützen.
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