TU Berlin: Intelligente Zeitplanung könnte den CO2-Fußabdruck von Rechenzentren verbessern
Flexibilität ist das Stichwort
Die Kohlenstoffintensität des Strommix schwankt tageszeitabhängig
Große Energieverbraucher wie Stahlwerke oder Kühlhäuser machen es vor: Sie passen ihre Stromnachfrage an das aktuelle Angebot an, praktizieren das sogenannte „Demand-Side-Management“. Diese Industrien sind aber nicht die einzigen „Energiefresser“: Auch Rechenzentren verbrauchen große Mengen an Energie, weltweit über 200 Terawattstunden pro Jahr – mit stark steigender Tendenz. Um den CO2-Fußabdruck des sogenannten Cloud-Computings zu verringern, untersuchten Forscher*innen des Berlin Institute for the Foundation of Learning and Data (BIFOLD) die Auswirkungen einer intelligenten zeitlichen Verschiebung von zeitunkritischen Rechenlasten auf den CO2-Fußabdruck dieser Rechenzentren. Ihre Veröffentlichung "Let's Wait Awhile: How Temporal Workload Shifting Can Reduce Carbon Emissions in the Cloud" wird im Dezember 2021 auf der international renommierten Middleware-Konferenz präsentiert.
Flexibilität könnte ein Schlüssel für die erfolgreiche Integration variabler erneuerbarer Energiequellen in das Stromnetz sein. Abhängig von den Wetterbedingungen und der Stromnachfrage kann die Höhe der Treibhausgas-Emissionen, die durch die Bereitstellung von Energie verursacht wird, zeitlich stark schwanken. Diese Kennzahl wird gemeinhin als Kohlenstoffintensität bezeichnet und beschreibt die absolute Menge an Treibhausgasemission pro bereitgestellter Energieeinheit in gCO2eq (Gramm CO2-Äquivalente Treibhausgase).
„In Deutschland ist es zum Beispiel nicht ungewöhnlich, dass an einem sonnigen Tag um 13 Uhr eine einzige Kilowattstunde weniger als 100 gCO2eq verursacht, während dieselbe Kilowattstunde, die um 18 Uhr verbraucht wird, mehr als das Vierfache verursacht, da abends keine Sonnenenergie zur Verfügung steht, der Energiebedarf aber steigt", erklärt Philipp Wiesner, der als Doktorand an der TU Berlin mit den BIFOLD-Forschern Prof. Dr. Odej Kao und Prof. Dr. Lauritz Thamsen arbeitet. Auch von Region zu Region variieren die Emissionen: In Deutschland liegen sie im Durchschnitt bei 313 gCO2eq/kWh, in Frankreich, wo der Großteil der Energie aus Kernkraftwerken stammt, bei nur 56 gCO2eq/kWh.
Nachhaltigeres Cloud Computing
Durch die Verlagerung von Rechenlasten auf Zeiten, in denen der Anteil von grüner Energie im Strommix hoch ist, können die damit verbundenen Treibhausgas-Emissionen erheblich reduziert werden. In ihrer Veröffentlichung analysierten Philipp Wiesner und seine Ko-Autoren Ilja Behnke, Dominik Schreinert, Kordian Gontarska und Lauritz Thamsen das Potenzial für die Ausnutzung dieser Schwankungen, indem sie zeitunkritische Rechenoperationen in Zeiten mit einem hohen Anteil an sauberer Energie verschoben. „Unser Ziel ist es, Cloud Computing nachhaltiger zu machen“, so Philipp Wiesner.
Dazu analysierten sie die Stromnetze von Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Kalifornien im Jahr 2020 im Hinblick auf ihre Kohlenstoffintensität. „Wir haben verschiedene Szenarien der Lastverschiebung modelliert und experimentell evaluiert, um den Einfluss von Zeitbeschränkungen, Planungsstrategien und die Genauigkeit von Prognosen der Kohlenstoffintensität zu untersuchen", so Philipp Wiesner. „Im Gegensatz zu den meisten anderen Forscher*innen konzentrierten wir uns nicht auf die Reduzierung des Gesamtenergieverbrauchs, sondern auf den Energieverbrauch zur richtigen Zeit - die von Region zu Region unterschiedlich sein kann."
Emissionen könnten bis zu einem Drittel reduziert werden
Beispiele für energieintensive, aber flexible Arbeitslasten reichen von großen maschinellen Lernaufträgen und wissenschaftlichen Simulationen bis hin zu Datenverarbeitungspipelines und Videorendering. „Rechenintensive Prozesse, die freitags um 18 Uhr angeschoben werden, haben in aller Regel Zeit bis Montagmorgen, solange sie beendet sind, wenn die Arbeitszeit wieder beginnt. Unsere Studie zeigt, das die Ausnutzung dieser Flexibilität die Kohlenstoffemissionen eines Auftrags um 5,7 bis 8,5 Prozent senken kann, da die Kohlenstoffintensität am Wochenende in der Regel geringer ist“, beschreibt Philipp Wiesner die Ergebnisse. Ebenfalls untersuchten die Wissenschaftler*innen sogenannte periodische Batch-Jobs, also Rechenaufträge, die in kleineren Einheiten bearbeitet werden können. Dazu zählen zum Beispiel sogenannte nächtliche Compile-Jobs, Integrationstests, Datenbank-Backups oder die Erstellung von Geschäftsberichten. „Während die meisten Verträge zwischen Dienstleistern und Kund*innen versprechen, solche Aufträge immer zu bestimmten Zeiten auszuführen, könnten sie auch flexiblere Zeitfenster vorsehen. Die erhöhte Flexibilität könnte die Emissionen in bestimmten Bereichen um bis zu einem Drittel reduzieren", fasst Philipp Wiesner zusammen.
Publikation:
“Let’s Wait Awhile: How Temporal Workload Shifting Can Reduce Carbon Emissions in the Cloud”, Philipp Wiesner, Ilja Behnke, Dominik Scheinert, Kordian Gontarska, und Lauritz Thamsen
https://arxiv.org/abs/2110.13234
Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
Philipp Wiesner
TU Berlin
Fachgebiet Distributed and Operating Systems (DOS)
Tel.: 0049 (0)30 314-26260
E-Mail: wiesner@tu-berlin.de