In Städten und Demokratien: knapp 6,4 Millionen Euro für 50 neue Projekte weltweit
Gremien und Organe der Gerda Henkel Stiftung ab 1. Januar 2022 neu besetzt
Die Gerda Henkel Stiftung hat 50 neue Forschungsprojekte bewilligt. In ihrer Herbstsitzung stellte die Stiftung eine Gesamtsumme von knapp 6,4 Millionen Euro zur Verfügung. Zu den ausgewählten Initiativen zählt ein wissenschaftliches Vorhaben zur Demokratie in der muslimischen Welt sowie eine Kooperation von vier Forschungseinrichtungen zur Demokratie im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Fördermittel erhalten ebenfalls mehrere internationale Forschungsgruppen, die sich mit Phänomenen der Lost Cities befassen.
In einer wesentlichen Personalentscheidung berief das Kuratorium Prof. Dr. Ute Schneider und Prof. Dr. Christian Mann zum 1. Januar 2022 in den Wissenschaftlichen Beirat. Ebenfalls mit Beginn des neuen Jahres wird Dr. Kaspar von Braun dem Kuratorium der Gerda Henkel Stiftung angehören.
Beispiele I: Demokratie in der muslimischen Welt und Deutschland
Digitale Technologien wirken sich auf demokratische Prozesse unterschiedlich aus. Sie schaffen einerseits ein Gegengewicht zu den klassischen Medien und erlauben es Bürgerinnen und Bürgern, sich unmittelbar und effektiver politisch zu äußern und zu organisieren. Andererseits bieten die verfügbaren Daten Regierungen und Großkonzernen weitreichende Überwachungsmöglichkeiten. In der muslimischen Welt ist diese paradoxe Wirkung deutlich spürbar. Islam- und Politikwissenschaftler der Deakin University in Melbourne untersuchen, wie digitale und KI-betriebene Technologien Chancen auf Demokratisierung und Partizipation in der muslimischen Welt beeinflussen. Vorgesehen sind vier Einzelstudien zu Ägypten, Iran, Pakistan und der Türkei.
Die Demokratie im Deutschland des 20. Jahrhunderts ist von einer Spannung zwischen Gleichheit und Differenz geprägt. Was das bedeutet, zeigt ein Blick auf geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhältnis von rechtlicher Gleichheit und sozialer Diskriminierung oder von politischer Freiheit und kulturellen Ausschlüssen. Historikerinnen und Historiker des Instituts für Zeitgeschichte München sowie der Universitäten Bochum, Hamburg und Münster sehen darin ein Antriebsmoment für Veränderungen in der modernen Demokratie. Für den Zeitraum von der Weimarer Republik bis in die 1990er Jahre fragt das Forscherteam danach, in welchem Verhältnis Geschlechterordnung und politische Partizipation zueinander standen und sich wechselseitig bedingten.
Beispiele II: Cities - Lost and Found
Die Kultur macht den Unterschied. Ob eine Stadt zur Lost City wird oder nicht, hängt auch und wesentlich davon ab, in welchem Maße dort Kulturinitiativen stattfinden. Ein Status als "kreative" oder "smarte" Stadt erzeugt Sichtbarkeit und lässt sich kommerzialisieren. Diese Beobachtung bildet den Ausgangspunkt für ein gemeinsames Forschungsprojekt, das an den Universitäten Pittsburgh (USA) und Valencia (Spanien) angesiedelt ist. Wie kulturelle Praktiken dabei helfen, das Schicksal einer Stadt zum Besseren zu wenden, soll der Blick auf Städte zeigen, die sich in mancherlei Hinsicht im Übergang befinden, aber noch nicht "verloren" sind. 19 Städte, von Barcelona und Bogota bis Tokio und Toronto, werden in ihrer Entwicklung von öffentlicher Kunst und kreativer Infrastruktur analysiert.
Ani ist der Inbegriff einer Lost City: Wo das mittelalterliche Königreich Armenien einst seine Hauptstadt hatte, stehen heute Ruinen. Die armenische Schrifttradition hat die Erinnerung seit dem 10. Jahrhundert stets lebendig gehalten. Die Stadt wirkt dadurch in Armenien und der armenischen Diaspora identitätsstiftend, auch wenn sie heute auf dem Staatsgebiet der Türkei liegt. Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zeichnet nach, wie Ani über die Jahrhunderte hinweg wahrgenommen wurde und wie sich armenische, ottomanische und türkische Vorstellungswelten zueinander verhielten. Angesiedelt ist das Vorhaben an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Kaspar von Braun, Ute Schneider und Christian Mann zum 1. Januar 2022 berufen
Dr. Kaspar von Braun (*1971) ist seit 2014 als Astronom am Lowell Observatory, Flagstaff (Arizona, USA) tätig. Von 2010 bis 2020 war er Mitglied des Aufsichtsrats der Henkel AG & Co. KGaA und ist seitdem Gast im Gesellschafterausschuss. Er folgt auf Prof. Dr. Ulrich Lehner, der turnusgemäß aus dem Kuratorium ausscheidet.
Prof. Dr. Ute Schneider (*1960) ist seit 2007 Professorin für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Duisburg-Essen. Seit 2020 ist sie Sprecherin des Fachkollegiums Geschichtswissenschaft in der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sie übernimmt die Mitgliedschaft im Wissenschaftlichen Beirat von Prof. Dr. Ute Daniel, deren Amtszeit ebenfalls turnusgemäß endet.
Prof. Dr. Christian Mann (*1971) ist seit 2011 Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der Universität Mannheim. Im Wissenschaftlichen Beirat der Gerda Henkel Stiftung folgt er auf Prof. Dr. Martin Jehne, auch dieser scheidet turnusgemäß aus.
Kontakt:
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