Forschungen zur Geschichte der Haut, zur Russischen Birke und zu indigenen Völkern Boliviens bewilligt
Drei Forschungsprojekte - eine Geschichte der Haut, eine Studie zur russischen Birke und die Sicherung des Archivs eines deutschen Ethnologen in Bolivien - erhalten eine Förderung. Das entschieden die Gremien der Gerda Henkel Stiftung in ihrer Herbstsitzung. In der vergangenen Woche hatte die Stiftung bereits bekannt gegeben, dass sie insgesamt 50 neue Forschungsprojekte bewilligt hat. Die drei genannten Forschungsvorhaben handeln auf unterschiedliche Weise von Prozessen der Identitätsbildung.
Haut: Schmuck und Stigma
Für die Haut und ihre Wahrnehmung ist die Frühe Neuzeit von großer Bedeutung: Der weltweite Handel, nicht zuletzt der Sklavenhandel, führte zu einem forcierten kulturellen Austausch. Die im vorkolonialen Westafrika und auf den beiden amerikanischen Kontinenten verbreiteten und als ehrenvoll empfundenen Einfärbungen trafen auf europäische Schönheitsvorstellungen. Es kam zu freiwilligen Adaptionen von Tätowierungen, aber auch zu Stigmatisierungen versklavter Menschen durch Brandzeichen. Der Historiker Prof. Dr. Craig Koslofsky von der Universität Illinois in Urbana-Champaign (USA) macht an diesem historischen Schnittpunkt die Ursprünge der modernen Konzeptionen von Hautfarbe und Rasse aus. Unter dem Arbeitstitel "The Deep Surface" schreibt er eine Geschichte der Haut zwischen 1450 und 1750.
Die russische Birke
Für viele Bürgerinnen und Bürger der Russischen Föderation gilt die Birke als (inoffizielles) Symbol Russlands und Ausdruck des "Russisch-Seins". Dabei fand sie erst in der Sowjetzeit, während der Regierungszeiten Josef Stalins und Nikita Chruschtschows, Eingang in die offiziellen Bilder- und Sinnwelten. Ziel von Prof. Dr. Igor Narskii an der Universität Perm (Russland) ist es, "Erfindung" und "Erfolg" der Birke als eines Nationalsymbols herzuleiten. Die historische Analyse umfasst die Zeit von den 1940er Jahren bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion und berücksichtigt auch die Nachwirkungen im heutigen Russland.
Das Vermächtnis des Ethnologen Jürgen Riester
Als der Nachwuchswissenschaftler Jürgen Riester 1963 in Bolivien eintraf, um für seine Doktorarbeit Feldforschungen durchzuführen, war über die indigenen Völker des bolivianischen Tieflands nur wenig bekannt. Ihre Erzählungen und Erinnerungen galten nicht als Teil der offiziellen Geschichte. 1980 übersiedelte der Ethnologe dauerhaft ins bolivianische Santa Cruz de la Sierra. Bis zu seinem Tod im Jahr 2019 dokumentierte der Wissenschaftler, Filmemacher und Menschenrechtler die materielle und immaterielle Kultur verschiedener indigener Völker des bolivianischen Tieflands, aber auch die Beschneidung ihrer Rechte und die Gefährdung ihrer Lebensgrundlage. Die von ihm gegründete Nichtregierungsorganisation APCOB (Apoya para el Campesino-Indígena del Oriente Boliviano) beherbergt seinen umfangreichen fotografischen und audiovisuellen Nachlass. Ein Team um Lenny Roxana Rodríguez Espinoza wird die Sammlung dort digitalisieren, katalogisieren und für die indigene Bevölkerung, für Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich machen.
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