Studierenden-Flieger hebt ab
Nach jahrelanger Bauzeit kann die Flugtechnische Vereinigung Henrich Focke an der Universität Bremen e.V.(FVHF e.V.) erleichtert und auch ein wenig stolz den erfolgreichen Abschluss eines Studierendenprojektes verkünden: Unter Leitung von ZARM-Wissenschaftler Christian Eigenbrod waren mehrere Generationen von flugbegeisterten Studierenden an der Konstruktion des Ultraleichtflugzeuges ZODIAC CH601 XL beteiligt und wurden so an die Praxis des Flugzeugbaus, deren Möglichkeiten und Vorschriften herangeführt. Nun können es die Beteiligten kaum erwarten, den Flieger mit dem Kennzeichen D-MARE am 04. Dezember 2021 um 12 Uhr zum offiziellen Erstflug vom Flugplatz Rotenburg/Wümme abheben zu sehen.
Die FVHF e.V. beschäftigt sich neben dem Fliegen vor allem mit der Entwicklung und dem Bau von Flugzeugen. In den Räumen des ZARM (Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation) haben die Vereinsmitglieder mit Studierenden der Universität Bremen über insgesamt 14 Jahre ein Ultraleichtflugzeug gebaut. Zu Beginn gab es nichts weiter als den Entwurf des französisch-kanadischen Flugzeugkonstrukteurs Christophe Heintz, der neben seiner Entwicklungsarbeit an der Concorde – zunächst in seiner Freizeit und später hauptberuflich – viele erfolgreiche Sportflugzeuge entworfen hat. Bei dem ZODIAC CH601 XL handelt es sich um ein zweisitziges, 300 Kilogramm schweres Ganzmetallflugzeug, ausgestattet mit einem 100 PS ROTAX Boxermotor, sowie einem Gesamtrettungssystem, welches im Fall des Kontrollverlusts Flugzeug samt Passagieren an einem Fallschirm zum Boden bringen kann.
Die Klasse der Ultraleichtfluggeräte lässt im Vergleich zu zertifizierten Flugzeugen viele Entwicklungsfreiheiten und vor allem den Selbstbau zu. Daher war es für Studierende an der Universität Bremen möglich, ihre individuellen Projekte in die Praxis umzusetzen und an einem verkehrstauglichen Flugzeug zu testen. Diesem Umstand ist es beispielsweise zu verdanken, dass das Flugzeug bereits mit einer Instrumenten-Tafel ausgestattet ist, die neben den vorgeschriebenen Instrumenten zusätzlich ein App-basiertes digitales Fluginformationssystem enthält – eine zukunftsweisende Funktion, die über den bisherigen Standard in Kleinflugzeugen weit hinausgeht. Ebenso wie die studentische Entwicklung eines sogenannten „Annunciator“, der dem Piloten mit Mehrfarb-Leuchtioden verschiedenste Überschreitungen von Warn- oder Alarmwerten mitteilt, z.B. bei Motoröldruck, Benzindruck, Kühlwassertemperatur, Abgastemperatur oder dem Kraftstoff-Füllstand.
Der Bau des Flugzeugs wurde kontinuierlich von einem Musterbetreuer und einem zertifizierten Prüfer genauestens überwacht, bevor dann am 14. September 2021 vom Luftfahrt-Bundesamt die vorläufige Betriebszulassung erteilt wurde. Bereits am 26. September ließ das Wetter erste Schwebeversuche über der Piste 08 des Flugplatzes Rotenburg/ Wümme zu. Nach Abstellen kleinerer Probleme kann nun also endlich der Jungfernflug erfolgen.
Für die Zukunft ist die Umsetzung zahlreicher weiterer Projekte geplant. Diese beschäftigen sich unter anderem mit der Entwicklung von Höhen- und Seitenleitwerken aus Kohlefaser, Tragflächen, die in Schalenbauweise ebenfalls aus Faserverbundstoff gebaut werden oder der Entwicklung eines „Wingbooms“, der aus einer Tragfläche nach vorne herausragt und an dessen Spitze flugphysikalische Größen außerhalb der Strömungsstörung durch Tragfläche und Propeller ermittelt werden können. Zum Einsatz kommen wird der Studierenden-Flieger u.a. im Rahmen eines Forschungsprojekts des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Träger für Übertragungstechnik im Rahmen des geplanten 6G-Netzstandards.
Infoblock:
Die Flugtechnische Vereinigung Henrich Focke an der Universität Bremen e.V. ist eine akademische Fliegergemeinschaft der Universität Bremen. Zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben zählen die Neuentwicklung, die Weiterentwicklung, die Fertigung und der Betrieb von Flugzeugen und Fluggeräten, die Unterstützung der Mitglieder bei der Ausübung des Flugsports und bei dem Erwerb von Fluglizenzen, sowie die Aus- und Weiterbildung der Mitglieder. Mit ihrem Vereinsnamen würdigt die FVHF e.V. die Leistungen des Bremer Luftfahrtpioniers Henrich Focke, der 1941 den ersten in Serie gebauten Hubschrauber entwickelt hat (Focke-Achgelis Fa 223). Neben Vereinsmitgliedern waren Studierende und Mitarbeitende des ZARM, des Faserinstituts, des Instituts für Strukturmechanik und Produktionsanlagen und des Bremer Instituts für Produktion und Logisitk an dem Projekt beteiligt. Finanziert wurde der Bau hauptsächlich durch Spenden von Mitgliedern und Förder:innen, wie z.B. der ZARM Fallturmbetriebsgesellschaft mbH und dem ZARM-Förderverein, Airbus in Bremen, den Firmen Rohenkohl und Aerotech-Composites sowie dem Faserinstitut Bremen e.V. Auch ein Forschungsprojekt der Wirtschaftsförderung Bremen hat zum letztendlichen Erfolg maßgeblich beigetragen.
Wir freuen uns sehr, Sie zum offiziellen Erstflug der D-MARE am Samstag, den 04.12.2021 ab 12 Uhr, auf dem Flugplatz Rotenburg/Wümme (unter Einhaltung der 3G-Regelung) einzuladen. Formlose Anmeldung bitte unter office(at)zarm.uni-bremen.de. Eine Anfahrtbeschreibung erhalten Sie mit der Bestätigung.
Videomaterial: https://youtu.be/UU3t0rFrgsg
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Christian Eigenbrod
1. Vors. FVHF e.V.
christian.eigenbrod(at)zarm.uni-bremen.de
Tel.: 0173-8110329
Weitere Informationen:
https://www.zarm.uni-bremen.de/de/presse/einzelansicht/article/first-lift-off-for-students-aircraft.html