Bundesweite Studie: Smartphone-App bietet Hilfe bei problematischer Internetnutzung an
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Lübeck und Ulm haben eine Smarthone-App entwickelt, deren Ziel es ist, die eigene Internetnutzung besser einschätzen zu können. Sie sind damit Teil eines großen bundesweiten Projekts eines Konsortiums aus Universitäten, Betriebskrankenkassen, Therapiezentren und Gesundheitsdienstleistern. Im Rahmen der groß angelegten SCAVIS-Studie (Stepped Care Ansatz zur Versorgung Internetbezogener Störungen) wird die Forschung deutschlandweit von zahlreichen Betriebskrankenkassen unterstützt.
Teilnehmende Betriebe können ihren Mitarbeitenden die App zur Verfügung stellen. Diese können mithilfe der entwickelten smart@net-App anonym überprüfen, ob sie zu einer problematischen Internetnutzung neigen. Ist das der Fall, erhalten Teilnehmende dabei über vier Wochen hinweg aufschlussreiche und persönlich auf sie zugeschnittene Informationen und Rückmeldungen in der App sowie bei Bedarf weitergehende Hilfen.
Das Internet hat vieles einfacher gemacht, bietet eine unschätzbare Fülle von Informationen und verbindet Menschen weltweit. Seit Beginn der COVID-19 Pandemie hat die gestiegene Internetnutzung aber auch dazu geführt, dass die Zahl der Menschen mit einer „Internetsucht“ zugenommen hat, wie aus Befragungen deutlich wurde. Prof. Christian Montag von der Universität Ulm hat sich in den letzten Jahren insbesondere verstärkt mit der Smartphone-Nutzung auseinandergesetzt. Diese werde merklich problematischer, merkt er an: „Die Technologie-Konzerne hinter Social Media und Co. haben großes Interesse daran, unsere Verweilzeiten auf ihren Online-Plattformen zu verlängern. Ihre geschickten Strategien wie Push-Nachrichten oder Like-Buttons bringen viele von uns dazu, unsere Handlungen im Alltag zu unterbrechen, um nur mal kurz online vorbeizuschauen. Diese dauernden Unterbrechungen im Alltag können unsere Leistungsfähigkeit und Produktivität reduzieren.“
Richtig problematisch wird es, wenn man die Kontrolle darüber verliert, wie oft und wie lange man im Internet unterwegs ist. Das Online-Verhalten kann zur wichtigsten Sache im Alltag werden oder dazu führen, dass man sein Verhalten auch dann nicht ändert, wenn man feststellt, dass sich daraus negative Konsequenzen ergeben. Fachleute sprechen dann von einer „Internetnutzungsstörung“, von der nach aktuellen Schätzungen circa 2 bis 5 Prozent der Allgemeinbevölkerung betroffen sind und noch einmal etwa 10 Prozent bereits als gefährdet gelten. Dabei sind die Übergänge von gesunder zu problematischer oder auch suchtartiger Nutzung fließend und entstehen oft unbemerkt. Betroffene sollten möglichst frühzeitig erreicht werden.
Die groß angelegte bundesweite SCAVIS-Studie nutzt die Arbeitsumgebung, um mit Betroffenen in Kontakt zu kommen. Unterstützt wird sie von zahlreichen Betriebskrankenkassen. Ziel ist die Förderung einer ausgewogenen Nutzung des Internets bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von an der Studie teilnehmenden Betrieben, denen die Möglichkeit geboten wird, ihre eigene Internetnutzung besser kennenzulernen. Dafür wurde die einfach zu bedienende smart@net-App entwickelt, mit der man prüfen kann, ob mit der eigenen Internetnutzung alles im „grünen“ Bereich ist oder ob man vielleicht zu einer problematischen Internetnutzung neigt. In letzterem Fall erhalten Teilnehmende dabei über vier Wochen hinweg aufschlussreiche und persönlich auf sie zugeschnittene Informationen und Rückmeldungen in der App. „Dadurch werden psychologische Prozesse angestoßen, die eine Verhaltensänderung ermöglichen können“, erklärt der wissenschaftliche Studienleiter Prof. Hans-Jürgen Rumpf von der Universität zu Lübeck die Wirkungsweise der App.
Neben der smart@net-App für das eigene Smartphone erhalten einige Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit einer auffälligen Internetnutzung noch das Angebot kostenloser telefonischer Kurzberatungen oder einer kostenlosen Online-Therapie in Kooperation mit den Universitäten Mainz und der Freien Universität Berlin.
Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer werden weiterhin gesucht
Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind davon überzeugt, dass eine solche Hilfe gerade in der jetzigen Zeit von besonderer Wichtigkeit ist und jeder davon profitieren kann. Denn auch die unauffälligen Internetnutzenden bekämen spannende Informationen, die dazu beitragen könnten, nicht in einen ungesunden Internetkonsum abzurutschen. Deshalb sind alle Interessierten sehr herzlich eingeladen, an der Studie teilzunehmen und die App auszuprobieren. Weitere Informationen sind auf der Internetseite SCAVIS.net zu finden. Die smart@net App ist auf Android- und Apple-Geräte verfügbar und kann kostenlos im App Store oder im Play Store runtergeladen werden. Die Teilnahme ist ab sofort bis Ende Mai 2022 möglich.
Über den Forschungsverbund
Der Forschungsverbund der SCAVIS-Studie wird von der CONVEMA Versorgungsmanagement GmbH geführt und vom Innovationsfonds gefördert. Ein weiterer Projektpartner ist der eingetragene Verein Media Protect, der sich für die Verhinderung von problematischer Mediennutzung einsetzt. Eine Vielzahl großer Betriebe hat bereits ihr Interesse bekundet. Aber auch alle anderen Interessierten (außerhalb der teilnehmenden Betriebe) können kostenlos teilnehmen.
Weitere Informationen unter www.scavis.net
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych Hans-Jürgen Rumpf
apl. Professur; Ltd. Psychologe Forschungsgruppe S:TEP
(Substanzbezogene und verwandte Störungen: Therapie, Epidemiologie
und Prävention)
Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Translational Psychiatry Unit
Zentrum für Integrative Psychiatrie ZIP gGmbH Campus Lübeck
Ratzeburger Allee 160 I Haus 150 I 23538 Lübeck
Tel.: 0451 500-98751
Weitere Informationen:
http://www.scavis.net