MR-Scans für die Alzheimer-Früherkennung
Bei Fraunhofer MEVIS beschleunigt ein neues Geräte-Update die Entwicklung von Steuerungssoftware
Eine zuverlässige und praktikable Früherkennung von Alzheimer ist das Ziel eines internationalen Gemeinschaftsprojekts namens DEBBIE im Rahmen des EU Joint Programme – Neurodegenerative Disease Research (JPND). Koordiniert wird es vom Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS in Bremen, das für seine Arbeiten eine nationale Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erhält. Dabei sollen MRT-Bilder verraten, inwieweit die Blut-Hirn-Schranke an Funktion verliert, bevor Menschen die ersten Symptome einer Alzheimer-Erkrankung zeigen. Um die Entwicklung zu beschleunigen, hat Fraunhofer MEVIS nun seinen institutseigenen MRT-Scanner erweitert – was eine deutlich effektivere Kooperation mit den klinischen Partnern erlaubt.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) zählt zu den wichtigsten medizinischen Diagnoseverfahren. Sie ermöglicht patientenschonende 3D-Aufnahmen aus dem Körperinneren: Mittels eines starken Magnetfelds und präziser Radiowellen lassen sich verschiedene Gewebearten und Organe sehr differenziert darstellen. Außerdem kann ein MR-Tomograph essenzielle Körperprozesse verfolgen, etwa wie das Blut durch das Gefäßsystem fließt. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Fraunhofer MEVIS damit, die MR-Scans zu verfeinern und ihre Möglichkeiten zu erweitern. Dazu schreiben die Fachleute stetig neue, verbesserte Steuerungssoftware, sogenannte MRT-Sequenzen.
Um diese Sequenzen zu entwickeln und zu testen, schaffte sich das Institut im Jahr 2011 einen eigenen Scanner an. Das MEVIS-Team besitzt dabei einen direkten Zugang zur „Betriebssoftware“ des Geräts, es kann die einzelnen Komponenten des Tomographen mit eigens geschriebenen Programmen gezielt steuern. Unter anderem gelang es dadurch, die Bewegungen bestimmter Organe wie Herz und Leber besser auszugleichen sowie Durchblutungsmessungen ohne den Einsatz von Kontrastmitteln zu ermöglichen. „Doch mittlerweile war das Gerät in die Jahre gekommen und konnte mit den aktuell besten Modellen nicht mehr ganz mithalten“, erklärt Matthias Günther, stellvertretender Leiter des MEVIS. „Deshalb haben wir es jetzt einem größeren Upgrade unterzogen.“
So wurde das Gerät mit einer neuen Empfangsspule bestückt. Dadurch ist es möglich, zusätzlich zu den üblichen Wasserstoff-Signalen auch die Signale von Natrium zu detektieren. Das ist unter anderem für die Untersuchung der sogenannten Natrium-Kalium-Pumpe wichtig – einem Membranprotein, das für die Funktion des Nervensystems eine essenzielle Rolle spielt. Ferner weist der Scanner nun mehr Empfangskanäle auf – 64 statt 48. Dies erlaubt den Einsatz leistungsfähigerer Spulen, insbesondere einer speziellen Kopfspule, sowie verschiedener aktueller Beschleunigungstechniken für die Bildaufnahme. Damit lassen sich nun bestimmte Strukturen und Prozesse im Gehirn deutlich genauer abbilden. „Damit können wir jetzt unsere neuesten Forschungsergebnisse aus der Bildakquisition anbieten und direkt mit denen aus den Kliniken vergleichen“, freut sich Günther.
Wichtig ist das vor allem für das internationale Forschungsprojekt DEBBIE (Developing BBB-ASL as non-invasive early biomarker of Alzheimer’s disease), das Fraunhofer MEVIS gemeinsam mit mehreren klinischen Partnern durchführt. Es geht darum, ein mögliches Vorzeichen für eine Alzheimer-Erkrankung aufzuspüren und die Voraussetzung für eine künftige Früherkennung zu schaffen. Die Ausgangslage: Im Tiermodell ist bekannt, dass die Blut-Hirn-Schranke in der Frühphase einer Alzheimer-Erkrankung allmählich durchlässiger wird. Diese Schranke bildet einen wichtigen Schutzwall, der verhindert, dass bestimmte Schadstoffe aus dem Blutkreislauf ins Gehirn eingeschwemmt werden. Ist dieser Schutzwall löchrig, können verstärkt Schadstoffe in die Gehirnzellen eindringen und das Gewebe stören oder sogar verändern.
Offen ist bislang, inwiefern sich dieser Mechanismus auch im menschlichen Hirn zeigt und ob er als verlässliches Merkmal für eine Früherkennung taugt. Um das herauszufinden, arbeiten die MEVIS-Fachleute an neuen Messsequenzen für den MR-Tomographen. Sie sollen das Gerät in die Lage versetzen, mögliche Veränderungen der Blut-Hirn-Schranke genauestens abzubilden. Dabei wird auf patientenbelastende Kontrastmittel verzichtet – deren Einsatz wäre für künftige Routine-Screenings kaum sinnvoll. Im Rahmen von DEBBIE untersuchen die klinischen Projektpartner sowohl Menschen mit Alzheimer-Symptomen als auch symptomfreie Kontrollpersonen.
Das Projekt startete Anfang dieses Jahres und läuft bis Ende 2023. Das MEVIS-Team hat jüngst eine erste Version der MRT-Sequenz erstellt. „Eine solche Früherkennung könnte vor allem dazu beitragen, Medikamente oder andere therapeutische Maßnahmen zu entwickeln, die einer Alzheimer-Erkrankung vorbeugen oder sie in ihrer Frühphase behandeln könnten“, erläutert Günther.
Um die Zusammenarbeit verschiedener Partner bei Gemeinschaftsprojekten wie DEBBIE zu vereinfachen, hat Fraunhofer MEVIS eine Softwareplattform namens gammaSTAR entwickelt. Das Problem: Nicht selten arbeiten die Projektpartner mit MRT-Scannern verschiedener Hersteller – oder zumindest mit unterschiedlichen Softwareversionen ein- und desselben Fabrikats. Möchte nun ein Forschungsinstitut wie MEVIS eine neuentwickelte MRT-Sequenz erproben, muss es sie an die unterschiedlichen Gerätetypen und Softwareversionen anpassen – eine aufwändige und langwierige Angelegenheit.
„Deshalb haben wir mit gammaSTAR eine herstellerunabhängige Entwicklungsplattform geschaffen“, erläutert Matthias Günther. „Zunächst implementieren wir darauf eine neue Sequenz in einer geräteneutralen Sprache.“ Diese abstrakte Sprache wird dann durch spezielle Treiber in den jeweiligen Geräte-Code übersetzt. Für das DEBBIE-Projekt heißt das: Statt drei Softwareversionen müssen die Fachleute nur eine bedienen – eine wesentliche Vereinfachung. „Auch hier hilft uns das Upgrade unseres MRT-Scanners“, sagt Günther. „Nun können wir bei uns auch die Sequenzen für die leistungsstärksten Geräte testen und über die gammaSTAR-Plattform an unsere Projektpartner verteilen.“