Zwei neue DKMS-Studien für bessere Heilungschancen nach Stammzelltransplantation
Die gefährlichste Nebenwirkung der allogenen Stammzelltransplantation, die Graft-versus-Host-Disease (GvHD), ist noch nicht ausreichend erforscht. Die Stammzellspenderdatei DKMS will das ändern – denn es ist das erklärte Ziel der gemeinnützigen Organisation, die Überlebens- und Heilungschancen von Blutkrebspatient:innen zu verbessern. Im Kampf gegen die GvHD haben Forscherteams der DKMS jetzt zwei neue wissenschaftliche Studien auf den Weg gebracht.
Weltweit suchen nahezu 70.000 Menschen pro Jahr eine passende Stammzellspenderin oder einen passenden Stammzellspender außerhalb der eigenen Familie. Für sie ist eine allogene Stammzelltransplantation die einzige Überlebens- und Heilungschance. Die meisten der Betroffenen leiden an einer bösartigen Erkrankung des blutbildenden Systems, zum Beispiel an Leukämie. Doch nicht alle Stammzelltransplantationen führen zum gewünschten Erfolg. Bis zu 50 Prozent der Patient:innen erkranken an der Graft-versus-Host-Disease (GvHD), einer möglichen Nebenwirkung der Stammzelltransplantation. Zu den Symptomen können Hautausschläge, Bauchschmerzen, Müdigkeit oder sogar Schäden an den Schleimhäuten des Magen-Darm-Trakts gehören. Eine GvHD kann sogar tödlich verlaufen.
Wie kommt es zur Graft-versus-Host-Disease?
Die GvHD ist eine Immunreaktion. Jedes Transplantat beinhaltet neben den eigentlichen Stammzellen auch Immunzellen der Spenderin oder des Spenders. Während sich die gespendeten Stammzellen im Knochenmark der Empfängerin oder des Empfängers ansiedeln und die neue Blutbildung aufbauen, wandern die Immunzellen nach der Transplantation durch den Körper. Im Idealfall vernichten sie dabei Krebszellen und verhindern, dass die Krebserkrankung zurückkehrt. Greifen die Immunzellen der Spenderin oder des Spenders aber die gesunden Zellen der Patientin oder des Patienten an, weil sie diese als fremd erkennen, kommt es zur Graft-versus-Host-Disease. Deshalb ist es für eine erfolgreiche Stammzelltransplantation so wichtig, dass Patient:in und Spender:in genetisch zueinander passen, dass also ihre HLA-Merkmale möglichst optimal übereinstimmen: Je passender das „Match“, desto wahrscheinlicher erkennen die transplantierten Immunzellen die Zellen der Empfängerin oder des Empfängers als körpereigenes „Material“ an.
Im Hinblick darauf, wie sich die GvHD vermeiden oder behandeln lässt, sind noch viele Fragen offen. Zwei dieser Fragen will die DKMS Clinical Trials Unit (CTU) gemeinsam mit Spitzenforschungszentren jetzt im Rahmen von Studien angehen.
Studie 1: Gibt es genetische Varianten, die spenderseitig das GvHD-Risiko beeinflussen könnten?
Ziel dieser Studie ist es, genetische Marker im Blut von Spender:innen zu finden, die den Schweregrad einer GvHD nach der Transplantation vorhersagen lassen. Wenn die Forscher:innen feststellen, dass Transplantate von Spender:innen mit bestimmten genetischen Varianten bei Patient:innen deutlich seltener zu einer schweren GvHD führen, könnten diese genetischen Merkmale in Zukunft bei der Spenderauswahl berücksichtigt werden.
Die Forscher:innen suchen zunächst nach Genen, die solche genetischen Varianten – sogenannte Single Nucleotide Polymorphism (SNPs) – aufweisen. Dazu haben sie bereits mehr als 200 wissenschaftliche Veröffentlichungen analysiert und 35 vielversprechende genetische Marker ausgewählt. Um herauszufinden, ob ein Zusammenhang zwischen den SNPs und dem Krankheitsverlauf der Patient:innen besteht, greifen die Forscher:innen nun auf Spenderproben aus der Collaborative Biobank (CoBi) und Patientendaten zurück. Die CoBi wurde von der DKMS zusammen mit vielen Kooperationspartnern – darunter mehrere Universitätskliniken – gegründet. Spender:innen und Patient:innen stellen der Biobank Proben und Daten verschlüsselt zur Verfügung. Diese wertvollen Informationen können anschließend zur Erforschung von Blutkrebs und zur Optimierung der Stammzelltransplantation genutzt werden. Im Rahmen der Studie werden die Forscher:innen insgesamt 6.000 dieser Proben in den Regionen der 35 ausgewählten Kandidatengene sequenzieren, um herauszufinden, ob bestimmte SNPs in den Immunantwortgenen der untersuchten Spenderproben vorhanden sind. Anschließend werden die Ergebnisse mit dem Auftreten und dem Schweregrad der GvHD-Symptome der Patientin oder des Patienten in Beziehung gesetzt. Mit ersten Ergebnissen rechnen die Wissenschaftler:innen bis Ende 2022.
Studie 2: Vergleich zweier Medikamente gegen GvHD – wirken PTCY und ATG gleich gut?
Diese Studie vergleicht die Wirksamkeit der beiden Medikamente ATG (Anti-Thymozyten-Globuline) und Cyclophosphamid. Beide werden bereits seit Jahren zur Vorbeugung von GvHD bei transplantierten Patient:innen eingesetzt. Die Medikamente wirken auf unterschiedliche Weise.
Anti-Thymozyten-Globuline sind Antikörper, die an T-Lymphozyten und andere Immunzellen binden. Dadurch werden diese Zellen neutralisiert und Abwehrreaktionen abgeschwächt. Die Antikörper werden unmittelbar vor der anstehenden Transplantation verabreicht. Sie sollen die Zahl der entzündungsauslösenden Immunzellen verringern. So kann einer GvHD vorgebeugt werden.
Cyclophosphamid wird zur Vorbeugung von GVHD am dritten und vierten Tag nach der Transplantation gegeben. Deshalb spricht man von „post transplant Cyclophosphamid“, abgekürzt PTCY. Es handelt sich um ein Chemotherapeutikum, das Entzündungsreaktionen von Immunzellen bremst.
Beide Medikamente haben eine signifikante Anti-GvHD-Wirkung. Bisher wurde jedoch noch nicht gründlich untersucht, ob sie beide gleichermaßen wirksam gegen GvHD sind. Um diese wissenschaftliche Lücke zu schließen, wird DKMS gemeinsam mit Spitzenforschungszentren über einen Zeitraum von viereinhalb Jahren gemeinsam eine klinische Prüfung durchführen.
„Nachdem alle teilnehmenden Kliniken entsprechend geschult und die Verträge unterzeichnet sind, werden wir die erste Patientin oder den ersten Patienten rekrutieren“, kündigt Sarah Trost, Teamleiterin des Bereichs Clinical Research der DKMS CTU, an. Das wissenschaftliche Team geht von rund 540 Studienteilnehmer:innen aus. „Wenn sich herausstellt, dass beide Medikamente die gleiche positive Wirkung zeigen, können Ärzt:innen ihre Behandlungspläne besser auf die einzelnen Patient:innen zuschneiden“, erklärt Sarah Trost. „Finden wir dagegen heraus, dass die Therapien nicht gleich wirksam sind, wird man nachfolgend die unterlegene Therapie nicht mehr anbieten.“
Über die DKMS
Die DKMS ist eine Stammzellspenderdatei, bei der mehr als 11 Millionen potenzielle Stammzellspender:innen registriert sind. Die internationale gemeinnützige Organisation, die im vergangenen Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feierte, hat sich den Kampf gegen Blutkrebs zur Aufgabe gemacht. Dabei verfolgt sie einen ganzheitlichen Ansatz und setzt sich daher auch für den medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt ein - zum Beispiel mit der Forschungseinheit „DKMS Clinical Trials Unit“ in Dresden. Mehr Informationen zum wissenschaftlichen Engagement der DKMS bietet die DKMS Professionals‘ Platform: https://professional.dkms.org/
Originalpublikation:
Identifier bei clinicaltrials.gov: NCT05153226
Weitere Informationen:
http://professional.dkms.org/ DKMS Professionals Platform