Rückblick 1. Junges Forum Dr. Rainer Wild-Stiftung
Die 6 Ws, was, wann, wo, wie, warum und mit wem wir essen sind Kern des
Leitgedankens der interdisziplinären Perspektive auf gesunde Ernährung als
zielführendes Verständnis, das die Arbeit der Dr. Rainer Wild-Stiftung ausmacht. Mit der
Leitfrage umrahmten die 6 Ws den wissenschaftlichen Diskurs des Online-Debüts einer
neuen Veranstaltungsreihe für Nachwuchswissenschaftler:innen. Sechs
Absolventinnen erhielten am 21.01.2022 beim 1. Jungen Forum Dr. Rainer Wild-Stiftung eine Plattform, um ihre wissenschaftlichen
Arbeiten vor einem Fachpublikum aus über 60 Teilnehmenden zu präsentieren.
Heidelberg, 21.01.2022 – Zum Auftakt in das neue Jahr begrüßte Frau Dr. Silke Lichtenstein, Geschäftsführerin und wissenschaftliche Leiterin der Dr. Rainer Wild-Stiftung, die Gäste und Referentinnen des 1. Jungen Forums. Es sei der Dr. Rainer Wild-Stiftung zugleich ein wichtiges Anliegen und eine große Freude, Studierenden und Multiplikatoren, die am Anfang ihrer beruflichen Karriere stehen, eine eigene Plattform für den interdisziplinären Wissenstransfer und –austausch zu schaffen. In diesem Sinne lautete das Ziel des neuen Formates, jungen Menschen einen Raum zu bieten, um Arbeiten vorzustellen und miteinander darüber fachübergreifend zu diskutieren.
Es geht um das große Ganze, das Gemeinsame
Mit einem Vortrag zur aktuellen Ernährungssituation führte Dr. Silke Lichtenstein in das bunte Programm des Tages ein. Der Beitrag stellte die gesellschaftlichen Entwicklungen in den Vordergrund, verknüpfte so verschiedenen Vortragsthemen miteinander und ordnete sie der derzeitigen Ernährungsrealität in Deutschland zu. Dabei hob sie das Potenzial des umfassenden wissenschaftlichen Verständnisses von gesunder Ernährung hervor, das auch die Arbeit der Dr. Rainer Wild-Stiftung leite. Für Dr. Lichtenstein besteht kein Zweifel, dass „dieser Ansatz der zielführende Weg ist, um die Herausforderungen, die die notwendige Transformation unseres Ernährungssystems bereithält, zu bewältigen“. Ohne fach-übergreifende Herangehensweise sei es kaum realistisch, trag- und zukunftsfähige Konzepte für die gesunde Ernährung von Morgen zu entwickeln. Dabei verdeutlicht sie eines ganz besonders: Der Stiftung geht es um das Große und Ganze und darum zu verbinden, um so das gemeinsame Fortkommen zu unterstützen. Dazu müssten alle relevanten Aspekte von Gesundheit und Ernährung einfließen, damit „wissenschaftlich Fundiertes nicht an der Realität scheitert, wie in der Vergangenheit oft der Fall“, fasst Dr. Lichtenstein zusammen. Zudem seien insbesondere der jüngeren Generation die Themen Klimawandel, Tierwohl und die Sicherung der Ernährungsversorgung einer wachsenden Weltbevölkerung wichtig, doch um gemeinsam die Zukunft der gesunden Ernährung erfolgreich zu gestalten, braucht es auch die Erfahrung und Unterstützung Älterer.
Krisen verändern. Was kommt? Was bleibt?
„Was sich in den Untersuchungen der unter Pandemiebedingungen veränderten Essgewohnheiten zeigt, ist mit Vorsicht positiv zu betrachten“, betont Frau Dr. Lichtenstein. Dass im Lockdown mehr selbst und mit frischen Zutaten gekocht wurde als vorher ist evident. Auf einen echten Wandel einer Norm deutscher Esskultur deuten die Absatzzahlen von Obst und Gemüse im ersten Lockdown hin, während der Fleischabsatz im Einzelhandel stagnierte. Die sprunghaft gestiegenen Zahlen könnten dafür sprechen, dass deutsche Verbrauchende gesundheitliche Sicherheit im Verzehr Obst und Gemüse suchen und nicht mehr im Fleisch, das die Rolle als Kraftspender lange innehatte. Dies lasse positive Prognosen für das Neue Normal zu, so Dr. Lichtenstein. Darüber hinaus habe auch der Verzicht auf das bis dato selbst verständliche Essen außer Haus viele Menschen schmerzhaft erleben lassen, welche elementaren Funktionen Essen bzw. Mahlzeiten im Alltag erfüllen. Über Mahlzeiten und Einkauf ließen sich etwa Solidarität, Zusammenhalt, Kontrolle und Freiheit in der Lebensgestaltung, Sinnlichkeit und Kreativität ausleben, allesamt wichtige Bedürfnisse im salutogenetischen Sinne. Das Erleben von Essen bzw. Esspraktiken als wertvolle Ressource, aus denen sich Kraft zur Bewältigung der Krise schöpfen lassen. Daraus entfaltete sich eine neue Dimension, der schon seit den 2010er Jahren zu beobachtender steigender Bewusstheit für den Wert gesunder Ernährung, über reine Nährwerte hinaus. Aus diesem Ernährungsbewusstsein wuchsen bei einem immer größeren Anteil der deutschen Gesamtbevölkerung schon seit Jahren die Ansprüche an die Qualität von Lebensmitteln. Statistiken weisen darauf hin, dass in Deutschland mehr und mehr Geld für Essen ausgegeben wird, als das Narrativ vom typisch deutschen Geiz beim Essen glauben machen will. Auch in der Krise setzte sich dieser Trend bis jetzt fort.
„Alle diese ersten Hinweise sprechen für positive Aussichten auf der Seite von Verbrauchenden im Hinblick auf eine gesunde Ernährung“, schlussfolgert Dr. Lichtenstein. Auch, wenn die Frage, ob sich diese Entwicklungen fest im Neuen Normal etablieren werden noch nicht beantwortet werden kann, seien sie dennoch gute Grundlagen für alle die, die sich von Berufswegen um gesunde Ernährung bemühen.
Zwischen Fitness-Shake und Bio-Ei. Welche wissenschaftlichen Fragen stellen sich bezüglich der gesunden Ernährung von morgen?
Als Prädiktoren eines Wandels der deutschen Esskultur könnten auch die Daten einer Studie in der sogenannten Generation Z verstanden werden. Der Wunsch nach gesundem und (verantwortungs-)bewussten Essen sei für die meisten jungen Menschen ein Muss und dabei seien wechselseitige Einflüsse der Generationen wahrscheinlich, etwa zwischen Töchtern bzw. Söhnen und den Eltern, stellte Dr. Lichtenstein fest. Junge Menschen achten auf hohe und vielseitige Qualitätsmerkmale, die wichtigsten haben mit den Folgen des eigenen Konsums zu tun. Nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die des Planeten, die von Tier und Umwelt, stünden im Fokus der jungen Generation. Auffallend sei weiterhin die starke Polarisierung dieser Ansprüche So schwanken die Befragten beispielsweise zwischen der Präferenz regionaler und biologisch erzeugter Produkte und veganen bzw. High Protein, die als Ersatz- bzw. Fitnessprodukte oft hochverarbeitet und mit Zusatzstoffen versetzt, ebenfalls hohe Attraktivität besitzen. Das spricht dafür, dass junge Menschen „gesunde Ernährung als Spannungsfeld erleben, unter anderem zwischen High-Tech und Bio“, beschreibt Frau Dr. Lichtenstein diese Diskrepanz, der sie laut der Umfragen jedoch mit Pragmatismus begegnen. Diese globale Perspektive sowie der Wunsch nach äußerer und innerer Selbstoptimierung sind respektive einer gesunden Ernährung auch wichtige Anhaltspunkte für die wissenschaftlichen Fragestellungen. Auf diese gilt es sich in der Ernährungsforschung und allen anderen Disziplinen vorzubereiten.
Brotschmierzentrale und Essen außer Haus. Was ist eigentlich noch in der Küche los?
„Die Küche dient heutzutage nicht mehr ausschließlich der Ausführung von Essenspraktiken“, so beginnt Dr. Julia von Mende mit der Vorstellung ihrer Dissertation. Die Architekturtheoretikerin untersuchte in ihrer Doktorarbeit die Bedeutung des Raums Küche in der Zeit vor der Pandemie und wählte damit eine Herangehensweise an das Thema Ernährung, die vom naturwissenschaftlichen Ansatz erst einmal weit entfernt scheint.
Mit den Ergebnissen ihrer qualitativen, empirischen Untersuchungen, zu denen sie jeweils Zeichnungen anfertigte, gibt Dr. von Mende Aufschluss darüber, was sich in einer Zeit des stetig steigenden Außer-Haus-Verzehrs vor der Pandemie in den Küchen abspielte. Entgrenzung, Zeitnot und Überforderung konnten als wesentliche Resultate gesellschaftlicher Beschleunigung beobachtet werden. Dieses Phänomen führe zu Inversionen im Raum Küche, welche Frau Dr. von Mende am Beispiel eines selbstgebauten Stehtischs einer Männer-WG feststellen konnte. Der Stehtisch, von den Männern liebevoll „Brotschmierzentrale“ genannt, ist zwar selbst gebaut, seine Funktion liege aber ausschließlich darin sich schnell ein Brot für unterwegs zu schmieren. Aus einem anderen Beispiel, in dem eine defekte Mikrowelle weiter ihren Platz in der Küche wahren durfte, schloss Dr. von Mende die Nutzung dieser Küche als einen konservativen Raum. Zudem konnte sie eine Entgrenzung von Küche und Stadt durch ein Heraustragen von Essen oder der Esseneinladung im Restaurant statt zu Hause, beobachten. Auch fanden sich Überlagerungen, wie beispielsweise bei einem Wasch-Café oder Verschränkungen von Küche und Stadt, indem sich die Wohnung durch das Aufstellen eines professionellen Vollautomaten zu einer Art Coffeeshop entwickelte, das Mittagessen allerdings außer Haus eingenommen wurde. In einigen Fällen scheine sogar das Ästhetische einer Küche wichtiger als das Funktionelle zu sein, wie sie an einem Beispiel einer Büroküche, die zum Veranstaltungsraum für Arbeitsmeetings wurde, feststellen konnte.
Mit den Worten: „Räumliche Neuzuordnungen nehmen Fahrt auf“, schließt Dr. von Mende ihren Vortrag und eröffnet eine rege Diskussion über die Kontroverse zwischen dem Rückzug ins Private und gleichzeitigem Wunsch nach Repräsentation des eigenen Haushalts.
Ernährungserhebungen geben nicht nur Aufschluss darüber „was wir essen“
„Weitere Anstrengungen sind notwendig“, dieses Fazit zieht Laura Hoffmann aus den Ergebnissen ihrer Masterarbeit, in der sie sich mit validierten Erhebungsmethoden zum Ernährungsassessment in Beratung und Therapie befasste. Die systematisch angelegte Literaturrecherche und anschließende Aufbereitung nach Publikationsstandards ergab 31 auswertbare Studien zu den drei Erhebungsmethoden, 24 h-Recall, Ernährungsprotokoll und fotobasierte Erhebung.
Die Auswertung lieferte drei zentrale Ergebnisse, die Laura Hoffmann den interessierten Teilnehmenden vorstellt: Zum einem war ein deutlicher Trend zu digitalen Erhebungsmethoden erkennbar. Hier liege der Vorteil besonders in der Unabhängigkeit vom Interviewer, der Möglichkeit des zeitlich geringen Abstands zwischen Mahlzeit und Dokumentation und der automatisierten Auswertung, erklärt Hoffmann. Aus der Untersuchung des Einflusses der unterschiedlichen Methoden auf Qualität und Quantität der Nahrungserhebung ergab sich kein Hinweis darauf, dass einzelne Nährstoffe mit einer der untersuchten Methoden besonders gut oder schlecht erhoben wurden. Zudem ließe sich der Anspruch an Instrumente zur Erfassung häufiger Indikationen in der Ernährungstherapie und -beratung zur Eignung sowohl bei Gesunden als auch Kranken ableiten. „Alle drei Methoden können nur eingeschränkt empfohlen werden“, schlussfolgert Hoffmann, denn die Validität der Erhebungsinstrumente sei nur unter Berücksichtigung unterschiedlicher Kriterien gegeben. Zudem liege der Fokus der Anwendung dieser Methoden in der Ernährungsepidemiologie und nicht in der Beratung.
Zum Abschluss ihrer Präsentation gibt Hoffmann den Teilnehmenden noch Empfehlungen zum qualitätsgesicherten Einsatz der untersuchten Erhebungsinstrumente mit auf den Weg. Hierbei betont sie die Notwendigkeit der Beachtung der Merkmale der jeweiligen Klient:innen vor dem Einsatz eines Erhebungsinstruments. So sollte beispielsweise die im Erhebungsinstrument verfügbare Getränke- und Lebensmittelauswahl zum kulturellen Hintergrund der Klient:innen passen, um auf diese Weise personalisierte Ernährungserhebungen durchführen zu können. Zusätzlich weist sie auf die allgemeine Empfehlung einer Hilfestellung bzw. Schulung für die Klient:innen vor der Anwendung hin. Insgesamt komme auch prozessbegleitendem und evidenzbasiertem Handeln im Umgang mit Erhebungsmethoden große Bedeutung zur Beantwortung der 6 Ws zu. Was wir essen spielt offensichtlich bei der Ernährungserhebung eine zentrale Rolle. Ein gut geplantes Ernährungsassessment nach standardisierten Prozessabläufen, wie beispielsweise dem Dietetic Care Process könne allerdings auch zur Beantwortung der übrigen Ws beitragen, betont Hoffmann. Damit entlässt sie die Teilnehmenden in einen lebhaften Austausch über Chancen und Schwierigkeiten bei der Anwendung digitaler Erhebungsinstrumente in der Ernährungsberatung und -therapie.
Trotz sinkender Zufuhr – Zuckerkonsum bei Kindern und Jugendlichen noch zu hoch!
„Eine Angst vor Zucker in der Kinderernährung ist zwar nicht notwendig, allerdings sollte Zucker durchaus als kritischer Nährstoff betrachtet werden“, so das Fazit von Dr. Ines Perrar im Hinblick für diese Bevölkerungsgruppe aus den Ergebnissen ihrer Doktorarbeit.
Mit den Definitionen der verschiedenen Zuckerarten, Gesamtzucker, zugesetzter Zucker und freier Zucker, leitet Dr. Perrar die Vorstellung ihrer Dissertation ein. Ziel der Untersuchungen war es, detaillierte Daten zur Zuckerzufuhr von Kindern und Jugendlichen zu liefern und diese in Verbindung mit Alters- und Zeittrends zu setzen. Dafür wertete sie Daten der DONALD-Studie von Kindern zwischen 3 und 18 Jahren von 1985 bis 2016 aus.
Anhand von Diagrammen veranschaulicht Dr. Perrar den Teilnehmenden die Ergebnisse ihrer Dissertation. Sowohl bei der Zufuhr von Gesamtzucker als auch von freiem Zucker war ein Anstieg bis zum Jahr 2005 zu verzeichnen. Auf eine anschließende Stagnation folgte schließlich eine stetige Abnahme der Zuckerzufuhr seit 2010. Zusätzlich konnte eine Reduktion der Zuckerzufuhr mit zunehmendem Alter festgestellt werden. Dabei seien auch die Zuckerquellen altersspezifisch, erklärt Dr. Perrar. Stammt der verzehrte Zucker bei den jüngeren Kindern noch überwiegend aus Süßigkeiten, Säften und Milchprodukten, so scheint der Zucker bei den Älteren eher durch gesüßte Getränke zugeführt zu werden. Eine mögliche Fehlerquelle dieser Daten liege allerdings in der Erhebungsmethode des Selbstberichts, gibt Dr. Perrar zu. Um diesen potenziellen Fehler kontrollieren zu können, hat sie zusätzlich Daten zur Zuckerausscheidung im Urin erhoben. Die gemessenen Biomarker bestätigen die seit 2010 sinkende Zuckerzufuhr. Deutlich gezeigt habe sich dennoch, dass die Zufuhr zu jeder Zeit und in allen Altersgruppen über den Empfehlungen der World Health Organization sowie der Fachgesellschaften lag.
„Diese Ergebnisse schaffen entscheidendes Wissen über die Zuckerzufuhr von Kindern und Jugendlichen und können damit als Grundlage für Public Health Maßnahmen dienen“, mit dieser bedeutenden Anmerkung schließt Perrar ihren Vortrag. Im anschließenden Austausch waren unter anderem die ausgeprägtere Süßpräferenz von Kindern sowie die damit einhergehende Erziehungsaufgabe der Eltern von Interesse, sowie die vorsichtig positiven Trends, die sich in neueren und repräsentativen Erhebungen unter deutschen Kindern und Jugendlichen nachvollziehen lassen.
Klimaschutz im Ernährungsbereich: Eine radikale Transformation ist dringend notwendig!
„Unser Anliegen ist es, Kompetenzen für den nachhaltigen Konsum zu schaffen“, betonen Noёle Josephine Dittrich und Nina Förster. Deshalb entschieden sich die beiden in einer gemeinsamen Masterarbeit ein Unterrichtsmanual zum Klimaschutz im Ernährungsbereich zu entwickeln. Die Relevanz dieses Themas war aufgrund des planetaren Wandels und der damit einhergehenden Überschreitung von ökologischen Grenzen nie größer als zur jetzigen Zeit. Durch eine nachhaltige Ernährung, die sowohl die Bedürfnisse der heutigen aber auch der zukünftigen Generationen sichert, könne eine Menge erreicht werden. Denn Ernährung trage mit einem Anteil von ca. 15% zur gesamten Treibhausgasemission der Erde bei.
„Die Entwicklung des Manuals erfolgte in drei Phasen“, erklärt Dittrich. Dabei kamen sowohl qualitative als auch quantitative Untersuchungsmethoden zum Einsatz. Das Ergebnis ist ein auf didaktischen Prinzipien basiertes Unterrichtsmanual mit vorgeplanten Unterrichtseinheiten zu verschiedenen Themenbausteinen. Durch dazugehörige Videos sowie Hörspieltexte, die unkompliziert über QR-Codes abrufbar sind, können die Lehrkräfte aus einem großen Repertoire an unterschiedlichen und zeitgemäßen Lehrmethoden schöpfen. Drei quantitative Befragungen von Schüler:innen und Lehrer:innen nach punktueller Durchführung der Unterrichtseinheiten im schulischen Kontext dienten der Evaluation. Diese zeige, dass ein Transfer des erworbenen Wissens in den Alltag möglich sei. Zudem könne die Einstellung zu nachhaltiger Ernährung positiv gestärkt werden, schlussfolgert Förster. Die anschließende Diskussion dreht sich insbesondere um das Thema des verantwortungsvollen Umgangs mit Fleisch und inwiefern das entwickelte Unterrichtsmanual darauf eingeht.
Das Lehrmaterial hat verschiedene Anknüpfungspunkte an den Bildungsplan in Baden-Württemberg und wurde für das Fach Alltagskultur, Ernährung, Soziales der Sekundarstufe I der Klassen 7-10 entwickelt. Aktuell arbeite man an der Weiterentwicklung sowie Publikation des Manuals.
Faszination Obst: Die Forschung ist noch lange nicht am Ende
„Der Konsum von Obst ist dem von Fruchtsaft, vor allem zuckergesüßten Säften, zur Prävention von Diabetes mellitus Typ 2 (DMT 2) zu bevorzugen“, schließt Franziska Lumpp aus den Ergebnissen ihrer Arbeit. Die diabetesbezogenen Kosten liegen derzeit bei sieben Milliarden Euro pro Jahr weltweit und verzeichnen damit genau wie die Diabetes-Prävalenz von 9,3 Prozent unter den 20-79-Jährigen einen steigenden Trend. Diese Zahlen deuten neben der leidenden Lebensqualität der Betroffenen auf einen dringenden Handlungsbedarf in diesem Feld sowohl in der Forschung als auch in der Ernährungsbildung hin.
Nach einer systematischen Literaturrecherche schloss sie elf Studien in ihre Auswertung ein, anhand derer sie ihre Hypothese untersuchte, die besagt, dass der Konsum von Obst, nicht aber von Fruchtsaft, das Risiko eines DMT 2 senke. Dabei kam Lumpp zu folgenden Ergebnissen: Eine hohe Vitamin C-Konzentration habe einen risikoreduzierenden Einfluss auf die Erkrankung. Dagegen sei kein signifikanter Unterschied zwischen Obst- und Fruchtsaftkonsum auf den Blutzuckerspiegel zu beobachten. Zudem erläutert Frau Lumpp, dass es einen Hinweis auf einen geschlechterspezifischen Einfluss verschiedener Obstsorten gäbe. So habe Obst aus gemäßigtem Klima einen protektiven Effekt bei Frauen und tropische Früchte würden das Risiko bei Männern erhöhen. Bei Fruchtsaft konnte sie einen Unterschied zwischen verpacktem und frischem Saft herausfinden. Pro Portion verpacktem Fruchtsaft erhöhe sich das Risiko an einem DMT 2 zu erkranken um 33 Prozent.
Den zu Unterschied zwischen dem Konsum von Obst und Fruchtsaft greift Lumpp in der Diskussion ihrer Ergebnisse auf und bringt ihn in den Zusammenhang mit höheren Gehalten an sekundären Pflanzenstoffen sowie Ballaststoffen in ganzen Früchten. Da die Hypothese weder abgelehnt noch bestätigt werden konnte, lautet das abschließende Fazit: „Weitere Forschung ist notwendig!“
Ein kritisches Hinterfragen von Studien ist erforderlich
Dr. Silke Lichtenstein rundet die Veranstaltung mit der Erinnerung daran ab, wie wichtig es sei, sich mit Ernährungsstudien differenziert auseinander zu setzen Bei der Fülle unterschiedlichster Einflüsse auf die Pathogenese ernährungsabhängiger Erkrankungen sei dies besonders wichtig, so Dr. Lichtenstein. Abschließend ermutige sie, vordergründig Ernährung als Potenzial zur Gesunderhaltung zu verstehen - wie anfangs gezeigt - und die Rolle als Krankmacher adäquat, aber nicht überzubewerten. Auch, weil die Reduktion von Ernährungsrisiken nicht zwangsläufig Gesundheit bedeute. Gerade für die positiven Seiten seien Ernährungsforscher:innen doch die besten Botschafter:innen und sehr viele Menschen seien heute mehr als bereit dafür.
„Das war Women Power in der Wissenschaft“, bedankt sich Frau Jana Dreyer, die durch das Programm führte, und weist bereits auf den nächsten Termin der Dr. Rainer Wild-Stiftung, das „Heidelberger Ernährungsforum“ am 25. und 26. März 2022, hin. Dr. Lichtenstein habe besonders die wertschätzenden, lebhaften Diskussionen sowie das interdisziplinäre Miteinander genossen und freue sich auf alle kommenden Veranstaltungen in diesem Jahr. Ihre Eindrücke der heutigen Veranstaltung beschreibt sie folgendermaßen: „Es ist ein Geschenk mit Ihnen am Bildschirm zu sitzen“.
Weitere Informationen:
https://www.gesunde-ernaehrung.org/digitale-veranstaltungen.html