Sozialwissenschaftliches Projekt untersucht die räumliche und zeitliche Ausbreitung von COVID-19 in Deutschland
Mehr als jede andere Pandemie zuvor wurde COVID-19 vermessen und kartiert. Die Datenfülle hat sich nicht nur als Stütze der Pandemiebekämpfung erwiesen, sie eröffnet auch neue Möglichkeiten zur Erforschung epidemischer Ausbrüche. Das neue, DFG-geförderte Forschungsprojekt „Sozio-räumliche Diffusion von COVID-19 in Deutschland (CoDiff)“ des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) ergründet, wie sich COVID-19 räumlich differenziert in Deutschland ausbreitete.
Das Projekt baut auf der Beobachtung auf, dass die Ausbreitungswellen der Pandemie sich räumlich sehr ungleich darstellten. Mit Hilfe der Forschungsergebnisse sollen sich auch räumliche Maßnahmen der Infektionskontrolle, etwa Mobilitätseinschränkungen, evaluieren lassen.
Analytisches Vorgehen der Forscher
Die Untersuchung umfasst drei analytische Schritte.
Erstens soll ein Phasenmodell entwickelt werden. Es unterteilt den Verlauf der Pandemie in Deutschland mit Hilfe von Indikatoren auf nationaler regionaler Ebene. Zu den Indikatoren auf der nationalen Untersuchungs-Ebene gehört zum Beispiel die wechselseitige Beziehung zwischen häufigen Erkrankungen und Autoverkehrs-Aufkommen oder der Sterberate. Indikatoren auf regionaler Ebene sind wiederum Hot Spots (also Räume, mit häufigen Ausbrüchen) und Cold Spots (Räume mit weniger häufigen Ausbrüchen) im Verlauf der Pandemie.
Zweitens werden auf Kreis- oder Regionsebene über sogenannte „Trajectory Windows“ kleinräumige Teilstücke im Hinblick auf die pandemische Entwicklung während eines bestimmten Zeitraums klassifiziert. Für jede Phase der Pandemie wird dabei versucht, verschiedene relevante Typen dieser „Trajectory Windows“ zu unterscheiden.
Drittens werden die in den vorangegangenen beiden Arbeitsphasen identifizierten Muster aus einer konzeptionellen Perspektive der Diffusionstheorie untersucht.
Erkenntnisinteresse und Politik-Empfehlungen
Indem analysiert wird, welche Typen von Verbreitungs- bzw. Diffusionsmustern in welcher Phase der Pandemie relevant waren, sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie sich die Geographien der Ausbreitung im Laufe der Pandemie und im Lichte sich ändernder Bedingungen verändert haben, etwa durch neue Viren-Stämme oder Infektionskontrollmaßnahmen.
Ein weiterer Fokus der Analyse wird auf den sozio-räumlichen Charakteristiken der Diffusionsprozesse liegen, um etwa auch topologische (also die Bedingungen an konkreten Orten, etwa Pflegeheime) und relationale Faktoren (also die Eigenschaften von Beziehungsnetzwerken) miteinzubeziehen. Durch diese Perspektive schließt das Projekt auch an bestehende Vorarbeiten aus dem IRS an. Im CoDiff-Projekt wird so ein Beitrag zur Diffusionstheorie angestrebt, auch um Empfehlungen für politische Maßnahmen zu geben, die direkt auf die räumliche Ausbreitung abzielen (z. B. Grenzschließungen).
Am IRS sind am CoDiff-Projekt Andreas Kuebart als Projektleiter und Martin Stabler als Projektbearbeiter beteiligt. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Fokus-Förderung COVID-19 durch eine Sachbeihilfe gefördert. Erste Ergebnisse des Angang Februar 2022 gestarteten Projekts werden schon im Sommer 2022 erwartet.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Andreas Kuebart
Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforshung (IRS)
Forschungsschwerpunkt Ökonomie und Zivilgesellschaft
andreas.kuebart@leibniz-irs.de
Tel.: 03362 793 186
Weitere Informationen:
http://Sonderheft zur Geographie der Coronavirus-Pandemie:
https://leibniz-irs.de/aktuelles/meldungen/2020/08/sonderheft-zur-geographie-der-coronavirus-pandemie-erschienen