Sand – Die Bedeutung des Rohstoffs für die Rettung der Meeresküsten
Sand ist allgegenwärtig und unscheinbar. Aber er ist einer der weltweit begehrtesten Rohstoffe – nicht nur für die Bauindustrie. Auch bei der Herstellung von Glas, Halbleitern oder bei der Wasseraufbereitung spielt er eine wichtige Rolle. Durch diese intensive Nutzung ist Sand in den letzten Jahren zu einem knappen Gut geworden, das international gehandelt wird. Am MPI für ethnologische Forschung (MPI) hat jetzt das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 1,3 Millionen Euro geförderte Forschungsprojekt „Sand – The Future of Coastal Cities in the Indian Ocean“ begonnen, das sich mit der Bedeutung von Sand bei der Herstellung und Wahrung von Lebensräumen an Meeresküsten beschäftigt.
Versinkende Städte und gefährdete Ökosysteme
Seit Jahren ist bekannt, dass Sand überall auf der Welt für Landgewinnungsprojekte und Bauvorhaben in großem Umfang abgebaut wird und deshalb zunehmend knapp wird. Oft gerade da, wo er am dringendsten gebraucht wird – beim Schutz der Küsten. Dort sind Städte häufig auf Sumpfland oder Mooren errichtet worden und sinken immer weiter ab. Der steigende Meeresspiegel verschlimmert die Lage zusätzlich. „Küstengebiete halten dem wachsenden Druck von Gebäuden und Infrastruktur kaum mehr stand und sinken unter den Meeresspiegel“, sagt Dr. Lukas Ley, Leiter der Forschungsprojekts „Sand – The Future of Coastal Cities in the Indian Ocean“ am MPI, das sich mit der Zukunft urbanisierter Küsten im Indischen Ozean beschäftigt. „Besonders bedrohlich ist diese Entwicklung für große Städte wie Singapur oder Jakarta, die immer mehr Sand benötigen, um Küstenabschnitte zu schützen und auszubauen.“
Sand als Schutz von Lebensräumen und Lebensformen
Die bisherige Forschung hat sich mit dieser Sandkrise hauptsächlich unter ökonomischen und quantitativen Gesichtspunkten befasst. Was fehlt, ist eine detaillierte Untersuchung der Rolle von Sand beim Bau und Schutz von Küstenstädten. „Wir wollen in unserem Projekt Sand als Material untersuchen, das bestimmte Lebensformen und soziale Praktiken überhaupt erst ermöglicht und entsprechende Lebensräume schafft. In diesem Sinn ist Sand beispielsweise mit dem Rohstoff Kohle vergleichbar. Denn ohne Kohle sähe unser Leben ganz anders aus. Mit Sand ist das ganz genau so“, sagt Ley. Wie sehr Sand das Leben, die Gesellschaft und die Politik beeinflussen kann, sieht man beispielsweise daran, was passiert, wenn er einfach nicht verfügbar ist: In einigen Küstenregionen Indonesiens haben die Bewohner nicht die nötigen Ressourcen, um Sand zu kaufen und zu transportieren. „Dort behelfen sich die Menschen dann mit Abfall und Plastikmüll, um die Küsten zu befestigen und ihren Lebensraum zu erhalten“, sagt Ley. „Das hat natürlich katastrophale Folgen für ihre Gesundheit und die Umwelt.“
Sand als politisches Element
Sand beeinflusst nicht nur das alltägliche Leben, sondern ist auch die Grundlage für riesige Infrastrukturen wie Häfen, Verkehrswege, Handelsrouten und Landgewinnungsprojekte. „Dieses Potenzial macht Sand zu einem politischen Element“, erklärt Ley. „Denn Sand ist Gegenstand globaler Diskurse und Konflikte, in denen ökonomische Interessen mit sozialen, ethischen und ökologischen Interessen aufeinanderprallen.“ Das führt an manchen Orten zu neuen Allianzen von Umweltschützenden, Nichtregierungsorganisationen, der regionalen Politik und religiösen Bewegungen. „In der Bucht von Benoa auf Bali ist es einer lokalen Bewegung beispielsweise gelungen, ein großes Landgewinnungsprojekt zu stoppen, das anliegende Mangrovenwälder und das gesamte Ökosystem stark geschädigt hätte. Der Baustopp wird jetzt von Gruppen genutzt, die Mangrovenwälder zu erweitern und weitere Teile der Bucht zu schützen.“
Feldforschung in den Städten und an den Küsten des Indischen Ozeans
Ziel des Projektes „Sand – The Future of Coastal Cities in the Indian Ocean“ ist es, die Nutzung von Sand entlang der Küsten des Indischen Ozeans zu untersuchen. Dazu werden drei Doktoranden jeweils 12 Monate in Hafenstädten mit mindestens 500 000 Einwohnern verbringen und Feldforschung betreiben. Die empirischen Studien sollen Erkenntnisse darüber liefern, welche Rolle der Schutz von Küsten im Alltag der Menschen spielt und wie ihr Leben mit Sand verwoben ist. Sei es durch politische Entscheidungen – Malaysia und Indonesien haben den Export von Sand verboten – oder ökonomische Interessen – große Landgewinnungsprojekte führen zu intensivem Sandabbau, schaffen aber viele Arbeitsplätze. „Wir wissen einfach noch nicht viel über die Bedeutung von Sand im Alltag der Menschen, die am Indischen Ozean leben und was sie mit diesem vielfältigen Material tatsächlich machen“, sagt Ley. „Ich selbst werde deshalb mehrere Monate mit Mangrovenbauern in der Bucht von Benoa verbringen und dort im alltäglichen Umgang mit Sand mehr über die Bedeutung von Sand für die Menschen lernen.“
Kontakt für diese Pressemitteilung
Dr. Lukas Ley
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
Advokatenweg 36, 06114 Halle (Saale)
Tel.: 0345 2927-161
Mail: ley@eth.mpg.de
https://www.eth.mpg.de/ley
Kontakt für die Presse
Stefan Schwendtner
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung
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Tel.: 0345 2927-425
Mail: schwendtner@eth.mpg.de
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