ERC Consolidator Grant am Forum Transregionale Studien
Die Anthropologin Banu Karaca kommt mit einem renommierten ERC Consolidator Grant ans Forum Transregionale Studien in Berlin. Ein weiterer ERC-Grant geht an Islam Dayeh, Leiter des Forschungsprogramms Zukunftsphilologie am Forum. Das hat der Europäische Forschungsrat (ERC) heute bekannt gegeben.
Mit ihrem Forschungsvorhaben „BEYONDREST – Beyond Restitution: Heritage, (Dis)Possession and the Politics of Knowledge“ knüpft Banu Karaca an die aktuellen Debatten um die Dekolonisierung von Museen an und diskutiert Fragen zur Restitution von Raubkunst und deren Auswirkungen auf Gesellschaften und Erinnerungskulturen. BEYONDREST untersucht Enteignung nicht in erster Linie als Verlust, den es zu ersetzen bzw. heilen gilt, sondern als eine gewaltsame Voraussetzung für die Zirkulation von Kunst- und Kulturgütern. Enteignung wird dabei nicht nur als Folge kolonialer Vergangenheiten betrachtet, sondern als fortwährende Praxis, die für die Verwaltung von kulturellem Erbe und die Produktion von Wissen in nationalen und transnationalen Denkstrukturen und Institutionen konstitutiv ist. Mit BEYONDREST wird eine Forschungsgruppe aufgebaut, die diese Fragen aus interdisziplinärer Perspektive beleuchtet. Dabei richtet sich der Fokus auf Objekte, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika nach Westeuropa kamen und wahlweise als „Islamische Kunst“ oder als „allgemeines Erbe der Menschheit“ kategorisiert werden, welches symbolisch und proprietär dem „Westen“ gehöre. BEYONDREST widmet sich somit einem Forschungsdesiderat, das auch in der öffentlichen Debatte unterrepräsentiert ist. Karaca hat ihr Vorhaben am Forum Transregionale Studien im Rahmen des Forschungsprogramms „Europa im Nahen Osten – der Nahe Osten in Europa“ (EUME) entwickelt.
Mit Islam Dayeh, langjähriger Leiter des Programms „Zukunftsphilologie: Revisiting the Canons of Textual Scholarship“, hat noch ein weiterer mit dem Forum verbundener Wissenschaftler einen ERC Consolidator Grant eingeworben. Sein Projekt „KNOW - Polymathy and Interdisciplinarity in Premodern Islamic Epistemic Cultures“ befasst sich mit der bislang wenig erforschten Rolle von Universalgelehrten und Interdisziplinarität in der Zeit des vormodernen Islams (12.–18. Jahrhundert). Dabei werden die Schnittstellen zwischen Disziplinen wie Philologie, Theologie, Recht, Medizin, Logik, Algebra und Geometrie in den Blick genommen, um neue Perspektiven auf die intellektuellen Dynamiken und die Wissensgeschichte der Vormoderne zu gewinnen. Vor Banu Karaca und Islam Dayeh haben mit Refqa Abu-Remaileh (2017) und Anne-Marie McManus (2019) bereits zwei weitere Wissenschaftlerinnen aus dem Umfeld des Forums einen ERC-Grant eingeworben.
ERC Consolidator Grants werden an herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Postdoc-Phase (7-12 Jahre nach der Promotion) vergeben. Sie umfassen eine Förderung von bis zu 2 Millionen Euro und gehören zu den höchstdotierten und prestigeträchtigsten Forschungsförderungen in Europa. Das ERC-Programm ist hoch kompetitiv, die Erfolgsquote liegt bei 10-15%.
Das Forum Transregionale Studien in Berlin ist eine bundesweit aufgestellte Plattform für die grenz-überschreitende Zusammenarbeit von Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Expertise und Perspektive zu globalen Fragen. Es bietet Raum zum Austausch über wissenschaftspolitische, -epistemologische und -ethische Fragen, entwickelt Infrastrukturen und Formate, die es erlauben, transregionale Forschungsideen und -vorhaben zu erproben, umzusetzen und zu kommunizieren. Das Forum wird durch seine Mitglieder und die Vielfalt ihrer Forschungskompetenzen und Netzwerke konstituiert. Es ist der Stärkung der Regionalstudien und dem Prinzip nicht-hierarchischer Forschung verpflichtet. Es beruft Wissenschaftler:innen aus aller Welt als Fellows und engagiert sich mit Partnern aus Universitäten und Forschungseinrichtungen in und außerhalb Berlins in gemeinsamen Forschungsprogrammen und Initiativen. Das Forum wird von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung des Landes Berlin gefördert.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Moritz Buchner