Das Unsichtbare sichtbar machen 14. Nachsorgekongress in Dresden zu Ende gegangen
Konzentrationsschwäche, Reizüberflutung, Kopfschmerzen: Derartige Symptome kennt wahrscheinlich jeder Mensch. Doch für viele Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung sind diese Beschwerden alles andere als eine Lappalie. Sie leiden täglich darunter, oft in einer besonders schweren Ausprägung, was ihren Alltag massiv einschränkt. Diese unsichtbaren Beeinträchtigungen standen daher im Fokus des 14. Nachsorgekongresses der Arbeitsgemeinschaft Teilhabe, Rehabilitation, Nachsorge und Integration nach Schädelhirnverletzung (AG Teilhabe), der vom 28. bis 29. April in Dresden stattgefunden hat
„Die Betroffenen sind in der Regel nur sehr eingeschränkt belastbar“, erklärt der ärztliche Kursleiter des Kongresses, Dr. Johannes Pichler. „Problematisch wird dies bei jenen, die nur ein leichtes Schädelhirntrauma erlitten haben – sie können häufig dieselben Aufgaben erledigen wie vor dem Unfall, kommen aber schnell an ihre Grenzen und müssen sich immer wieder dafür rechtfertigen, vor ihren Kollegen, ihren Freunden oder auch vor ihren Krankenkassen. Dabei sprechen wir hier von neurologischen, hirnorganischen Schäden, die das Leben der Betroffenen möglicherweise dauerhaft belasten. Insofern ist es wichtig, auch auf diesen Aspekt einer Schädelhirnverletzung aufmerksam zu machen und sowohl die Öffentlichkeit als auch Politiker und Leistungserbringer zu sensibilisieren.“
Für dieses Ziel bot der Nachsorgekongress, der in diesem Jahr unter der Schirmherrschaft des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer stand, einmal mehr den idealen Rahmen. Seit 2006 bringt er Mediziner, Politiker, Leistungserbringer und -träger sowie Betroffene und ihre Angehörigen zusammen und ermöglicht einen Austausch auf Augenhöhe. „Dieser interdisziplinäre Diskurs ist in Deutschland einzigartig“, betont Pichler, der seit 2011 regelmäßig an der Veranstaltung teilnimmt. „Beim Nachsorgekongress können Menschen mit erworbenen Schädelhirnverletzungen einen Arzt um einen Rat bitten oder einen Politiker mit konkreten Anliegen konfrontieren, und diese erfahren wiederum aus erster Hand, mit welchen Herausforderungen Betroffene zu kämpfen haben.“ Dabei spielen insbesondere die Workshops und Diskussionsforen eine zentrale Rolle. „Es ist ein großer Verdienst der teilnehmenden Arbeitskreise und Werkstätten, dass sie sich in diesen Formaten einbringen und sie gestalten“, betont Pichler. „Sie sind gewissermaßen ein Herzstück des Nachsorgekongresses – fast alle AGs haben sich in diesem Rahmen überhaupt erst gegründet und agieren inzwischen als Interessenvertretungen der Betroffenen.“
Der 14. Nachsorgekongress war nach einer zweijährigen Zwangspause insbesondere für die Betroffenen und ihre Angehörigen, die den Austausch untereinander ebenso sehr brauchen wie den mit Ärzten und Medizinern, ein ganz besonderes Treffen. „Ich hoffe, dass sie gestärkt nach Hause fahren und mit dem Gefühl, mit ihren Sorgen und Problemen nicht allein zu sein“, sagt Helga Lüngen, Sprecherin der AG Teilhabe und Geschäftsführerin der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung. „Von der Politik sowie von den Leistungsträgern würde ich mir wünschen, dass Dinge, über die wir schon lange reden, endlich selbstverständlich werden. Dazu gehört vor allem die Teilhabeplankonferenz für Betroffene, die gesetzlich eigentlich schon längst im Sozialgesetzbuch verankert ist, aber immer wieder ignoriert wird. Mit Blick auf die unsichtbaren Beeinträchtigungen hoffe ich zudem auf eine schnellere formale Anerkennung durch die Kostenträger.“