BAMF-Forschungszentrum: Netzwerke Geflüchteter aus Syrien und Eritrea haben ähnlich hohes Unterstützungspotenzial
Persönliche Netzwerke können Zugewanderten helfen, sich in der Aufnahmegesellschaft zurechtzufinden und einzuleben. Dieses soziale Geflecht ist bei den zwei großen Migrantengruppen der Menschen aus Syrien und Eritrea unterschiedlich ausgeprägt. Das ergab die Kurzanalyse „Menschen aus Eritrea und Syrien in Deutschland: Unterstützungspotenziale persönlicher Netzwerke“ des Forschungszentrums im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Meist umfasst das soziale Netz Familienangehörige oder Personen aus dem Herkunftsland. Noch selten sind enge Kontakte zu Deutschen – dabei werden gerade diese als besonders hilfreich in der neuen Heimat eingeschätzt.
Netzwerke können das Ankommen, Einleben und die Teilhabe maßgeblich unterstützen. In der BAMF-Kurzanalyse wird beschrieben, wie die persönlichen Netzwerke der in Deutschland lebenden Syrerinnen und Syrer sowie Eritreerinnen und Eritreer aussehen und erstmals wie hoch ihr Unterstützungspotenzial von den Befragten eingeschätzt wird. „Es konnte festgestellt werden, dass die familiäre Situation einen wichtigen Einfluss auf Größe und Zusammensetzung der Netzwerke hat“, sagt Studienautor Dr. Manuel Siegert, wissenschaftlicher Mitarbeiter im BAMF-Forschungszentrum. „Befragte mit Familienangehörigen in Deutschland haben größere Netzwerke als Alleinstehende, dafür haben sie weniger Personen im Netzwerk, die nicht Teil der Familie sind.“
Die Datengrundlage ermöglicht bislang einzigartige Detailaussagen
Die Analyse der persönlichen Netzwerke basiert auf Daten des Forschungsprojekts „Forced Migration and Transnational Family Arrangements: Eritrean and Syrian Refugees in Germany (TransFAR)“ aus dem Jahr 2020. Sie ermöglichen bislang einzigartige Detailaussagen über die soziale Einbindung von Geflüchteten aus diesen beiden für die Zuwanderung nach Deutschland so bedeutsamen Herkunftsstaaten. TransFAR entstand aus einer Kooperation zwischen dem Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB). Es liefert Daten zu transnationalen Familienkonstellationen von Menschen aus Eritrea und Syrien sowie deren Bedeutung für das Leben in Deutschland.
Dafür wurden insgesamt rund 1.500 Frauen und Männer mit syrischer oder eritreischer Staatsangehörigkeit befragt, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland eingereist und damals zwischen 18 und 45 Jahre alt waren. Die Stichprobenziehung erfolgte auf Basis des Ausländerzentralregisters. Um die gesamte Zuwanderung aus Syrien und Eritrea zu analysieren, wurden dabei nicht nur Geflüchtete berücksichtigt. Diese stellen jedoch die Mehrzahl der Befragten. Die Interviews fanden computergestützt mithilfe eines standardisierten Fragebogens statt.
Die Auswertung der Befragungsdaten ergab, dass sich bestehende Beziehungsgeflechte schon hinsichtlich ihrer Größe oft deutlich unterscheiden: So sind die Netzwerke von Zugewanderten aus Syrien meist größer als die von Menschen aus Eritrea. Syrische Frauen verfügen innerhalb der Vergleichsgruppe über die umfangreichsten persönlichen Netzwerke. Am kleinsten ist das soziale Geflecht bei eritreischen Frauen. Jedoch sind es die eritreischen Männer, von denen die meisten niemanden benennen, mit dem sie persönliche Angelegenheiten besprechen oder ihre Freizeit verbringen können.
Kontakte zu Familienangehörigen überwiegen
Gerade für Zugewanderte spielt der Rückhalt durch soziale Netzwerke in der neuen Umgebung eine wichtige Rolle für einen gelungenen Start. Noch dominieren in den Netzwerken Familienangehörige – insbesondere bei den syrischen Frauen – und Personen, die aus den gleichen Herkunftsländern stammen wie die Befragten. Aus Deutschland stammende Personen sind in den Netzwerken noch eher selten vertreten. Dabei werden gerade Kontakte zu Einheimischen sowohl von Menschen aus Eritrea als auch aus Syrien als hilfreich bei der Bewältigung integrationsrelevanter Herausforderungen erachtet.
Studienautor Dr. Manuel Siegert stellt fest, dass die Befragten umso mehr aus Deutschland stammende Personen in ihren Netzwerken haben, je besser sie ihre Deutschkenntnisse einschätzen. Zudem haben Erwerbstätige und diejenigen, die einen Integrationskurs besuchen, mehr Deutsche im Netzwerk als Erwerbslose. Diese Ergebnisse betonen die Bedeutung von schneller Sprachförderung und dem zügigen Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu (Aus-)Bildungseinrichtungen. Allgemein verdeutlichen die Ergebnisse, wie wichtig Begegnungen und Austausch zwischen Alteingesessenen und neu zugewanderten Menschen sind. Nur so kann sich ein Beziehungsgeflecht zwischen diesen beiden Gruppen entwickeln.
„Beziehungen zu Angehörigen der Aufnahmegesellschaft sind besonders wertvoll, da sie Zugang zu Informationen über die in Deutschland geltenden Strukturen und Gepflogenheiten ermöglichen“, erläutert BAMF-Forscher Dr. Manuel Siegert. „Aus dem jeweiligen Herkunftsland stammende Personen und insbesondere Familienangehörige werden dagegen deutlich seltener als potenziell hilfreich eingestuft. Familienangehörige sind aber vor allem immer dann wichtig, wenn die benötigte Hilfe viel gegenseitiges Vertrauen voraussetzt.“
Personen aus Syrien und Eritrea machen zusammen einen großen Anteil der zugewanderten Bevölkerung in Deutschland aus: Bereits Ende 2019 bildeten Syrerinnen und Syrer die drittgrößte ausländische Herkunftsgruppe. Eritreerinnen und Eritreer sind nach Personen, die aus Marokko zugewandert sind, die zweitgrößte Gruppe unter den aus Afrika stammenden Personen. Die meisten der in Deutschland lebenden Menschen aus Syrien und Eritrea sind als Schutzsuchende eingereist. Ende 2020 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 76.000 Menschen mit eritreischer und etwa 818.000 Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit in Deutschland.
Die Publikation finden Sie hier: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/kurzanalyse3-2022-transfar-unterstuetzungsnetzwerke.html?nn=282388
Weiterführende Informationen zum Projekt "Forced Migration and Transnational Family Arrangements – Eritrean and Syrian Refugees in Germany (TransFAR)" unter https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/projekt-transfar.html?nn=282388
Weitere Veröffentlichungen aus dem Projekt „TransFAR“:
Die gemeinsame Broschüre des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge stellt die ersten zentralen Befunde aus dem Projekt "Forced Migration and Transnational Family Arrangements – Eritrean and Syrian Refugees in Germany (TransFAR)" vor. Der Methodenbericht zum Projekt kann auf der Seite des BiB in englischer Sprache heruntergeladen werden. Weitere wissenschaftliche Publikationen sind geplant.
Die gemeinsame Broschüre finden Sie hier: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/broschuere-transfar.html?nn=282388
Link zum Methodenbericht: https://www.bib.bund.de/Publikation/2022/pdf/Forced-Migration-and-Transnational-Family-Arrangements-Eritrean-and-Syrian-Refugees-in-Germany-TransFAR-Methodology-Report.pdf?__blob=publicationFile&v=3
Ansprechpartner für Medienanfragen:
Jochen Hövekenmeier
Pressestelle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Telefon: +49 911 943 17799
E-Mail: pressestelle@bamf.bund.de
Über das BAMF-Forschungszentrum:
Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Weitere Informationen unter: https://www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Ansprechpartner für Anfragen aus der Wissenschaft:
Dr. Manuel Siegert
Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge
Telefon: +49 911 943 24707
Link: https://www.bamf.de/SharedDocs/Struktur/Personen/DE/WissenschaftlicheMA/siegert-manuel-person.html?nn=870138
Originalpublikation:
Originalpublikation: Siegert, Manuel (2022): Menschen aus Eritrea und Syrien in Deutschland: Unterstützungspotenziale persönlicher Netzwerke. Ausgabe 03|2022 der Kurzanalysen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg.