Cannabis-Legalisierung: Lungenmediziner fordern die Finanzierung von intensiver Begleitforschung ab dem ersten Abgabetag
Drogenkonsum zwischen Genuss und Gesundheit: Die von der Bundesregierung geplante kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken muss ab dem ersten Abgabetag streng wissenschaftlich begleitet werden, fordert die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). In einem heute veröffentlichten Positionspapier warnt die Fachgesellschaft vor wesentlichen gesundheitlichen Risiken, insbesondere vor Lungenschäden durch das Inhalieren von Cannabis. Zudem werde das Rauschmittel seit Jahren als Einstiegsdroge bewertet – mit einem erhöhten Risiko für den anschließenden Konsum weiterer Drogen.
„Was wir jetzt brauchen, sind belastbare Studiendaten zu den akuten und chronischen schädlichen Folgen des Cannabis-Konsums“, sagt Professor Wolfram Windisch, stellvertretender Präsident der DGP. „Die Politik hat im Koalitionsvertrag verankert, ihre Drogenpolitik an neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen messen zu lassen. Nun muss sie dies auch initiieren und finanzieren. Wir sind bereit für die Forschungsarbeit“, so Windisch heute im Rahmen einer Pressekonferenz zum morgen beginnenden DGP-Kongress in Leipzig.
„Die politisch motivierte Cannabis-Abgabe hat zwangsläufig medizinische Folgen, die im Koalitionsvertrag allerdings keine ausgeprägte Rolle spielen. Deswegen brauchen wir dringend die unabhängig finanzierte Forschung, um die politischen Entscheidungen zur Drogenpolitik abhängig von neuesten Studienergebnissen gegebenenfalls auch anzupassen“, erklärt Windisch, Chefarzt der Lungenklinik Köln-Merheim, Kliniken der Stadt Köln, sowie Inhaber des Lehrstuhls für Pneumologie an der Universität Witten/Herdecke. Die DGP erwartet durch die Ausweitung des Cannabiskonsums gesundheitliche und soziale Folgeschäden und fordert in ihrem Positionspapier, diese Entwicklungen jetzt durch geeignete Maßnahmen abzuschwächen. Zudem warnt die Fachgesellschaft davor, den Gebrauch von Tabakprodukten im Vergleich zum Cannabiskonsum zu Genusszwecken als weniger schädlich einzuschätzen. Vor allen Dingen müsse die Gefahr gesehen werden, dass die geplante kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken grundsätzlich das Potential hat, sowohl die Tabakprävention als auch die Tabakentwöhnung zu untergraben. „Insbesondere beim Inhalieren von Tabak- und Cannabisrauch sind Beeinträchtigungen der Lungengesundheit und eine Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems zu erwarten“, erläutert Windisch.
Veränderungen der Lungenfunktion: Schädigung der Atemwege und Herzinfarktgefahr
Was bisher bekannt ist: Bei regelmäßigem Inhalieren von Cannabis kommt es zu Veränderungen der Lungenfunktion mit einer Lungenüberblähung. Eine Vielzahl von epidemiologischen Studien hat gezeigt, dass es zu chronischem Husten, Luftnot und häufigeren, respiratorischen Infekten kommen kann. Auch eine sogenannte vermehrte Sputumproduktion ist möglich. Die Atemwege von Cannabis-Raucherinnen und -rauchern zeigen eine Schädigung der Schleimhaut sowie vermehrte Schleimbildung. Möglich ist der Verlust des Flimmerepithels und Plattenepithelmetaplasien – also ein Zellschichtverlust der oberen Schleimhäute in den Atemwegen und eine generelle Zellveränderung. Zudem ist der inhalative Cannabiskonsum wahrscheinlich mit einem erhöhten Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen verbunden. Puls- und Blutdrucksteigerung können bei Patientinnen und Patienten mit verengten Herzkranzgefäßen zum Herzinfarkt führen.
Vom Gebrauch als Genussmittel abzugrenzen ist die therapeutische Anwendung von Cannabis. „Aber auch dafür ist mehr und differenzierte wissenschaftliche Evidenz wünschenswert“, erklärt Windisch. Möglich ist die Anwendung insbesondere im palliativmedizinischen Umfeld im Rahmen der Betreuung von schwerkranken und sterbenden Menschen. „Hier muss im Einzelfall über den Einsatz von Cannabis-Präparaten entschieden werden, wenn andere Therapien keine ausreichende Wirkung haben.“
Bekannte Nebenwirkungen beim medizinischen Cannabis-Einsatz: Schwindel, Herzrasen und Wahnvorstellungen möglich
Wie bei anderen Arzneimitteln ist auch beim medizinischen Gebrauch von Cannabis mit Nebenwirkungen zu rechnen. Dazu gehören insbesondere Müdigkeit, Schwindel, Mundtrockenheit und Benommenheit. Darüber hinaus kann es auch zu ernsten neurologischen und psychiatrischen Störungen wie Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit, Depression und Wahnvorstellungen kommen. Ebenso sind Nebenwirkungen am Herzen wie Herzrasen oder Blutdruckveränderungen bekannte Folgen. Aufgrund der langen Halbwertszeit des Cannabis-Hauptwirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) kann die psychoaktive Wirkung bis zu mehreren Tagen andauern. Als Folge des längerfristigen Cannabiskonsums kann es außerdem zu einem Abhängigkeitssyndrom kommen, das unterschiedliche kognitive, körperliche und psychosoziale Beeinträchtigungen mit sich bringt.
„Klar ist, Cannabiskonsum ist gesundheitsschädlich. Und trotzdem gibt es immer noch zu viele Unklarheiten, die es zu untersuchen gilt“, sagt DGP-Vizepräsident Windisch. „So konnten Studien beispielsweise noch keine sicheren Hinweise für einen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Lungenkrebs zeigen. Etwaige Zusammenhänge müssen jetzt dringend erforscht werden. Dafür brauchen wir den Auftrag der Gesundheitspolitik.“
Terminhinweis für Journalistinnen und Journalisten:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)
25. bis 28. Mai, Congress Center Leipzig
Ausgewählte Programmpunkte stehen online sowie on demand zur Verfügung. Eine Veranstaltungsübersicht gibt es im digitalen Programmplaner. Informationen zum Kongress finden Sie unter: www.pneumologie-kongress.de
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