Bohrung auf Spiekeroog: Geophysik-Forschende installieren unterirdisches Messsystem am Strand
An der dynamischen Nordseeküste vor Spiekeroog hat das Forschungsvorhaben DynaDeep mittels einer Bohrung das am Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) entwickelte Salzwassermonitoringsystem SAMOS direkt an der Hochwasserlinie am Oststrand eingebaut. Ziel des Projektes ist es, ein unterirdisches Messfeld zu installieren, um die Übergangszonen zwischen den Grundwasseraquiferen an Hochenergiestränden und dem Meer zu untersuchen. In diesen Zonen verändern biogeochemische Reaktionen die Grundwasserzusammensetzung, was die Stoffflüsse in Richtung Meer wesentlich beeinflusst. Bislang ist darüber global nur wenig bekannt. Weitere Messinstallationen sind bis Anfang Juni geplant.
Der Untergrund von Hochenergiestränden, also dem offenen Meer zugewandten Stränden, ist stetig in Bewegung. In ihm spielen sich vielfältige chemische, geologische und mikrobiologische Prozesse ab. Die Installation des unterirdischen Messfeldes ermöglicht es der Forschungsgruppe DynaDeep („The Dynamic Deep Subsurface of High-Energy Beaches“) nun bald, diese dynamische Unterwelt, in der sich Salz- und Süßwasser vermischen, kontinuierlich zu überwachen. In der ersten Projektphase, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit rund fünf Millionen Euro gefördert wird und auf vier Jahre angelegt ist, konzentriert sich das Projekt auf den Standort Spiekeroog.
Hydrogeologin Prof. Dr. Gudrun Massmann, die am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU) und am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg forscht und lehrt, ist Sprecherin des Forschungsvorhabens. Sie koordiniert mit dem Geophysiker und LIAG-Projektleiter Prof. Dr. Mike Müller-Petke den Einbau der SAMOS-Messstrecke. Weiter beteiligt sind mehrere Forscherinnen und Forscher des ICBM, des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI), des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie (MPI-MM) in Bremen, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover sowie der Universität Kiel. Das Team wird von einem Netzwerk von Kooperationspartnern und lokalen Akteuren unterstützt, darunter die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer (NLPV), die Forschungsstelle Küste des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und die Gemeinde Spiekeroog.
Herausfordernde Forschung an Hochenergiestränden
Bereits die Installation des Messfeldes und die auf Langzeit angelegten Messungen sind aufgrund der Zugänglichkeit zur Übergangszone und der Instabilität des Untergrunds herausfordernd. Über eine oberflächennahe Bohrung wurde die 20 Meter lange SAMOS-Elektrodenstrecke erstmalig direkt am Strand an der dynamischen Hochwasserlinie eingebaut. Sie komplettiert damit die kontinuierlichen Datenerhebungen durch das unterirdische Messfeld. Die Installation eines Messpfahls mit Wellenmesser, Kameras und einer Wetterstation erfolgte bereits vom Schiff aus durch die Forschungsstelle Küste des NLWKN. Zeitgleich mit der SAMOS-Installation werden drei Multilevel-Grundwassermessstellen eingebaut. Das SAMOS, das mittels elektrischer Leitfähigkeit den Untergrund abbildet, ist anders als andere geophysikalische Messsysteme in der Lage, die gesamte Salz-Süßwassergrenze vom Untergrund bis zur Oberfläche zu überwachen. Eine Echtzeit-Datenübertragung soll der Forschungsgruppe dann fortlaufend Einblicke in die dynamischen Prozesse geben. Die kontinuierlichen Datenerhebungen des unterirdischen Messfeldes werden durch regelmäßige Messungen von der Oberfläche ergänzt.
Global kaum erforscht
Die intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler soll auf Basis der ersten Projektphase und im Rahmen der Grundlagenforschung auch global das Verständnis eines weitgehend unbekannten Lebensraums am Übergang zwischen Land und Meer entscheidend voranbringen. Hochenergiestrände machen weltweit einen großen Anteil aus. An den meisten dieser Standorte wurden in größerer Tiefe – vermutlich durch die schwierigen Bedingungen für das Arbeiten in solchen Systemen – jedoch bisher keine biogeochemischen und mikrobiologischen Daten erhoben. Der biogeochemische Reaktor im Untergrund von Hochenergiestränden ist daher bislang nur unzureichend verstanden, obwohl er global wahrscheinlich wesentlich die Stoffflüsse in Küstengewässern beeinflusst.
Über das SAMOS
Das Salzwassermonitoringsystem SAMOS wurde eigens vom LIAG zur Untersuchung und Überwachung des möglichen Eindringens von Salzwasser in Aquifere mit süßen Grundwasserressourcen entwickelt. Erstmals wurde das System 2009 auf Borkum zweimal eingebaut. Eine SAMOS-Elektrodenstrecke wurde bereits auf Spiekeroog installiert und unterstützt in Zusammenarbeit mit dem Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband das Grundwassermanagement hinsichtlich möglicher Versalzungen in Trockenzeiten. Mittels einer vertikalen Elektrodenkette, die fest in einem Bohrloch installiert ist, werden Gleichstrom-Widerstandsmessungen durchgeführt und so die elektrische Leitfähigkeit im Untergrund untersucht. Die Vision ist, eine küstenweite Installation und Nutzung von SAMOS als Frühwarnsystem für den Grundwasserschutz und das -management vor beispielsweise dem Versalzungspotenzial in trockenen Zeitperioden zu erzielen. www.leibniz-liag.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Mike Müller-Petke
Projektleitung, LIAG
Telefon: 0511 643 3253
E-Mail: Mike.Mueller-Petke@leibniz-liag.de
Michael Grinat
Projektmitarbeiter, LIAG
Telefon: 0511 643 3493
E-Mail: Michael.Grinat@leibniz-liag.de
Prof. Dr. Gudrun Massmann
Sprecherin Forschungsvorhaben DynaDeep, Universität Oldenburg
Telefon: 0441 798 4837
E-Mail: Gudrun.Massmann@uni-oldenburg.de
Weitere Informationen:
https://uol.de/icbm/verbundprojekte/dynadeep
https://www.leibniz-liag.de/forschung/projekte/drittmittelprojekte/dynadeep