Sprachenkampf als Kulturkampf
Internationale Konferenz an der EUF beschäftigte sich mit Sprache und Sprachbewusstsein in der Geschichte der Sprachwissenschaft
Natürlich war auch Frankreich ein Thema auf dem 31. Internationalen Kolloquium des “Studienkreis ‘Geschichte der Sprachwissenschaft’” (SGdS), das vom 8. bis zum 11. Juni an der Europa-Universität Flensburg (EUF) stattgefunden hat. Gerade erst zu Anfang Juni hatte die französische Regierung ihre Mitarbeitenden dazu verpflichtet, englischsprachigen Gaming-Jargon durch französische Varianten zu ersetzen. Dieser Kampf um die Reinheit der Sprache ist Jahrhunderte alt, wie Cordula Neis, Professorin für Französische Sprachwissenschaft an der EUF, in ihrem Eröffnungsvortrag erklärte.
„Im 17. Jahrhundert treten insbesondere in Frankreich Tendenzen der Sprachnormierung in den Vordergrund“, erklärte Neis, die zu der Tagung eingeladen hatte, an der Wissenschaftler*innen aus 15 Ländern teilnahmen. „Dieser Diskurs spiegelt sich bis heute im Purismus der Académie française sowie in französischen Sprachdiskussionen und der Sprachpolitik des Landes wider.“
Dieser Sprachpurismus kontrastiert nicht nur mit der weltweiten Verwendung des Englischen als lingua franca – er steht auch einer wachsenden Forderung nach der Würdigung von Regionalsprachen und gesellschaftlich-politischer Akzeptanz von Minderheitensprachen entgegen. Werner Reinhart, Präsident der EUF, würdigte in seinem Grußwort die internationale Tagung daher als eine „Bitte für demokratische Entwicklung und einen Beitrag zum komplizierten Verhältnis von Selbst und Anderen, von Identität und Andersartigkeit.“
Sprache hat sich in Europa über Jahrhunderte hinweg als eine wesentliche Komponente der kulturellen Identität erwiesen. So war die Entfaltung eines europäischen Sprachbewusstseins eng an die Bildung europäischer Nationen und Nationalstaaten gekoppelt. Die Herausbildung der Nationalstaaten in Europa im 19. Jahrhundert hat die Entwicklung kultureller Mentalitäten und die Ausprägung eines individuellen und kollektiven Sprachbewusstseins ermöglicht.
Vor diesem Hintergrund untersuchte die Tagung die Artikulation des Sprachbewusstseins in verschiedenen europäischen Ländern in Geschichte und Gegenwart. Themen waren etwa
„Der deutsche Sprachpurismus und die böhmischen Länder im 19. Jahrhundert“, „Some early Dutch linguistic patriots“, „Anglobal, anglomère, globish – Die französische Diskussion um den Status des Englischen in Europa und im eigenen Land“ oder „Zwischen nationalem Pathos, evolutionsbiologischer Zuversicht und ironischer Distanz: Die Renaissance der Sprachursprungsfrage im 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum“.
Die Ausrichtung der Konferenz erfolgt in Kooperation mit dem Studienkreis ‘Geschichte der Sprachwissenschaft’, einem 1989 gegründeten wissenschaftlichen Verband, dessen Zielsetzung in der Förderung des Informationsaustausches zwischen einzelnen Wissenschaftlern und Gesellschaften wie auch Universitätsinstituten auf dem Gebiet der Historiographie der Linguistik besteht. Der wissenschaftliche Austausch auf dem Gebiet der Sprachwissenschaftsgeschichtsschreibung erfolgt dabei – von Deutschland ausgehend – mit anderen ‘nationalen’, vor allem europäischen Gesellschaften u.a. in England, Frankreich, Italien, Russland, den Niederlanden, Belgien, Spanien, aber auch den USA.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Cordula Neis
Europa-Universität Flensburg
Gebäude Oslo
Raum 333
Auf dem Campus 1
24943 Flensurg
Tel.: +49(0)461 805 3030
E-Mail: cordula.neis@uni-flensburg.de
Weitere Informationen:
https://www.uni-flensburg.de/fileadmin/content/seminare/romanistik/sgds/programm-sgds-konferenz-2022-de.pdf?sword_list%5B0%5D=sprachbewusstsein&no_cache=1