Neues Forschungskolloquium zur Pädagogik im Jugendalter an der Hochschule für Waldorfpädagogik begründet
Vor 100 Jahren hielt Rudolf Steiner seinen pädagogischen Jugendkurs in Stuttgart. 100 Jahre später sind die Herausforderungen für die Jugend nicht kleiner geworden – Klimakrise, Pandemie und Krieg lassen viele besorgt in die Zukunft blicken. Was kann Schule tun? Der Fachbereich Oberstufenpädagogik der Freien Hochschule Stuttgart nahm das Jubiläum zum Anlass, ein neues Forschungskolloquium zu begründen. Dem Grundmotiv des Pädagogischen Jugendkurses folgend, soll es die ältere, praxiserfahrenere Generation mit der jüngeren, idealistischen und impulsgebenden möglichst dauerhaft in eine fruchtbare Zusammenarbeit bringen. Rund 40 Lehrer*innen, Dozent*innen und Studierende waren eingeladen.
„Schule muss in die Welt einsteigen. Sie muss die Welt wollen. Sie muss Sinnmomente konstituieren, um Orientierung zu lehren“, betonte Constanza Kaliks, neue Leiterin der Jugendsektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, in ihrem Eröffnungsvortrag.
Das Ziel des ersten Forschungskolloquiums bestand darin, die derzeit wesentlichsten jugendpädagogischen und jugendanthroposophischen Fragestellungen durch Impulsreferate zu skizzieren und im Gespräch zu vertiefen. Dazu waren rund 40 Fachleute aus ganz Deutschland zusammengekommen, die zu den Themenschwerpunkten referierten:
- Seelische Gesundheit und latente Sinnfragen im Jugendalter – die Beziehung des jungen Menschen zu sich selbst, zu seinen Mitmenschen, zur Erde und zum Kosmos
- Zeitgenossenschaft und Initiation: Fragen einer gegenwärtigen Jugendanthroposophie
- Digitale Lebenswelten und (Trans)Humanismus
- Waldorfpädagogik in der Oberstufe: best practice für Gegenwart und Zukunft
So berichtete Iona Viscrianu, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Jugendsektion des Goetheanums, aus einer aktuellen internationalen Studie: „Stimmen junger Menschen in Zeiten der COVID-19 Pandemie – Ergebnisse eines Forschungsprojektes der Jugendsektion am Goetheanum“. Die wichtigsten Ergebnisse: der menschliche Austausch zu einer Aufgabe, die gemeinsame Beschäftigung mit Themen waren es, die die jungen Menschen als psychisch entscheidend hilfreich empfunden haben in der Ausnahmesituation der Isolation während der Pandemiezeit. „Es geht um Ermutigung durch Zugehörigkeit, um Erweiterung der eigenen ursprünglichen Perspektive“, unterstrich Viscrianu.
Rita Schumacher vom Waldorflehrerseminar in Kassel stellte ihre neue Forschungsarbeit vor: „Sprache als Mittel der Weltbegegnung und Weltaneignung im Literaturunterricht der Waldorfschule“
Sebastian Hub, Masterabsolvent der Freien Hochschule Stuttgart, berichtete aus seiner Masterarbeit zum Thema "Jugend, Medien und Zukunft: Wohin führt die Allgegenwart des Internets im Jugendalter?"
Ein ungemütliches Zukunftsszenario entwarf Dr.habil. Thomas Damberger, der zum kommenden Studienjahr als Professor an den von Tessin-Lehrstuhl für Medienpädagogik an der Freien Hochschule berufen werden wird. „Bildung in Zeiten digitaler Transformationsprozesse“ war sein Thema. Er skizzierte den aktuellen Stand der Forschung, die alle virtuellen Welten zusammenschließen möchte zu einer letztlich wohl durchaus gewöhnungsbedürftigen Realität eines Metaversums, das nur einen wörtlichen Wimpernschlag entfernt neben der wirklichen Welt existieren soll „Wie kann ich als echter Mensch erkennbar bleiben?“ stellte Damberger als Frage in den Raum und unterstrich ein notwendiges Primat der Waldorfpädagogik, bei der u.a. das Lernen mit allen Sinnen im Vordergrund steht.
In lebhaftem Austausch miteinander beleuchteten die Teilnehmer*innen in den verschiedenen Programmabschnitten die vielen Beiträge des Kolloquiums und stellten ihre eigenen Erfahrungen dazu. So kann und soll letztlich ein ganz konkretes Netzwerk entstehen, das zum einen die Forschung, aber auch den konkreten Unterricht bereichern und befeuern kann.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Philipp Kleinfercher
kleinfercher@freie-hochschule-stuttgart.de