Schlüssel zur globalen Ernährungssicherheit?
Die Ausnutzung der genetischen Ertragslücke bei Weizen könnte die globale Ernährungssicherheit erheblich verbessern. Dies ist eins der zentralen Ergebnisse einer internationalen Studie über Ertragslücken bei Weizen, an der die Universität Göttingen beteiligt war. Die Studie, bei der ein neuartiger prozessbasierter Modellierungsansatz zum Einsatz kommt, legt außerdem nahe, dass die weltweite Weizenproduktion verdoppelt werden könnte, wenn die Weizengenotypen besser an ihre Zielumwelt angepasst würden. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Food erschienen.
Der anhaltende Krieg Russlands gegen die Ukraine hat zu steigenden Lebensmittelpreisen geführt, von denen die ärmeren, von Getreideimporten abhängigen Länder am stärksten betroffen sind. Daher steht die weltweite Ernährungssicherheit wieder ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Doch auch ohne derartige Preisspitzen ist eine erhebliche Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in den kommenden Jahrzehnten notwendig, um die weltweite Ernährungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen zu erhalten. Diese Herausforderung wird nicht nur durch ein schnelles Bevölkerungs- und Einkommenswachstum verschärft, sondern auch durch das künftig rauere Klima und die Verknappung von Land- und Süßwasserressourcen.
Ein internationales Forschungsteam hat nun die Frage untersucht, inwieweit die Schließung bestehender „genetischer Ertragslücken“ (Yig) das Ertragspotenzial von Nutzpflanzen und die weltweite Nahrungsmittelproduktion erhöhen könnte, indem die Genetik der Nutzpflanzen besser an die Anbaubedingungen angepasst wird. Die Studie konzentrierte sich auf Weizen, eine der wichtigsten Grundnahrungspflanzen und eine tragende Säule der globalen Ernährungssicherheit, da sie weltweit am häufigsten angebaut wird, mehr als 20 Prozent der gesamten menschlichen Kalorien- und Proteinzufuhr liefert und das meistgehandelte Grundnahrungsmittel der Welt ist.
Die Forscher quantifizierten das derzeitige globale „Weizen-Yig“, das alle Weizenanbaugebiete und Haupterzeuger abdeckt, indem sie lokale Weizensorten mit Hilfe eines speziellen, hochmodernen Weizenmodells optimierten. „Der durchschnittliche globale Yig-Wert lag bei 51 Prozent, was bedeutet, dass die weltweite Weizenproduktion stark von der Nutzung der ungenutzten globalen genetischen Ertragslücke profitieren könnte“, erläutert der Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Reimund Rötter von der Universität Göttingen. „Dies könnte zum Beispiel durch optimale Weizensorten, die die enorme Vielfalt der genetischen Ressourcen von Weizen nutzen, durch die Anwendung moderner Zuchtinstrumente und durch die kontinuierliche Verbesserung der Anbau- und Bodenbewirtschaftungsmethoden erreicht werden.“
Mit der besseren Anpassung der Pflanzengenetik an aktuelle oder potenzielle künftige Zielanbaugebiete beschäftigen sich zurzeit verschiedene Forschungsgruppen, beispielsweise das Barista-Projekt, das sich auf die Züchtung klimaresistenter Gerstengenotypen für Europa konzentriert und bei dem die Universität Göttingen den Modellierungsteil leitet. „Fortschrittliche Instrumente, die die Züchtung beschleunigen können, um die Genetik besser an die Umweltbedingungen anzupassen, flankiert von einem angepassten Management, werden der Schlüssel für die Anpassung von Pflanzenproduktionssystemen an den Klimawandel sein“, so Rötter..
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Reimund P. Rötter
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften
Abteilung Tropischer Pflanzenbau und Agrosystem-Modellierung
Grisebachstraße 6, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-33751
E-Mail: reimund.roetter@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/536039.html
Originalpublikation:
Nimai Senapati et al. Global wheat production could largely benefit from exploiting the genetic yield gap. Nature Food 2022. www.nature.com/articles/s43016-022-00540-9.
Weitere Informationen:
https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=6739 Grafik