Wenn Medizin und Pädagogik voneinander lernen: ein Zentrum an der Hochschule für Waldorfpädagogik macht es möglich
Feierlich eröffnete die Freie Hochschule Stuttgart, die Hochschule für Waldorfpädagogik, jetzt ihr neues von Tessin-Zentrum für Gesundheit und Pädagogik. Wenn Medizin und Pädagogik voneinander lernen – das ist das Motto dieses Zentrums, das begründet wurde, um Eltern, pädagogische Fachkräfte und Mediziner*innen sowie Kindertagesstätten und Schulen zu unterstützen, ihre Praxis an einer nachhaltigen Gesundheitsförderung auszurichten.
„Wir schätzen uns sehr glücklich, dieses neue Zentrum an der Hochschule etablieren zu können“, unterstrich Prof. Matthias Jeuken von der Freien Hochschule Stuttgart in seiner Ansprache zur Zentrumseröffnung. „Die Waldorfpädagogik ist bekannt für ihren Anspruch, eine Lern- und Lebensumgebung für die Kinder und Jugendlichen schaffen zu wollen, die der individuellen und gesunden Entwicklung aller Aspekte des menschlichen Wesens zugutekommt.“
Das neu gegründete, stiftungsfinanzierte von Tessin-Zentrum für Gesundheit und Pädagogik der Freien Hochschule Stuttgart möchte Pädagog*innen und Kinderärzt*innen nachhaltig vernetzen und begleitet gesundheitsfördernde schulische Projekte. Pädagog*innen brauchen vonseiten der Gesundheitswissenschaften und Medizin gesundheitsfördernde Expertise, damit sie die Lebenskräfte, die Lernbereitschaft und Lernfreude ihrer Schüler und Schülerinnen wecken können. Ärzt*innen eröffnen sich neue Möglichkeiten, mit der anwachsenden Last chronischer Erkrankungen zurechtkommen, wenn sie den Willen zur Verhaltensänderung und Lebensstilwende jedes Patienten und jeder Patientin erreichen – eine pädagogische Aufgabe!
Dieser Paradigmenwechsel führt zu einem neuen Blick auf die Pädagogik als Präventivmedizin und auf eine Medizin, die die soziale und interaktive Dimension stärker berücksichtigt. Der salutogenetische Ansatz verlangt nach neuen integrativen Bildungs- und Gesundheitskonzepten, die die Schule der Zukunft verändern werden.
Erste Kontakte zu Institutionen konnten bereits geknüpft werden. Unter salutogenetischen Gesichtspunkten sollen resilienzfördernde Konzepte und Projekte an Kindertagesstätten und Schulen begleitet werden. „Eine große und wichtige Herausforderung“, unterstrich Dr. Andreas Oberle vom Sozialpädiatrischen Zentrum des Olgahospitals Stuttgart in seinen Grußworten zur Eröffnung des Zentrums.
„Wenn Medizin und Pädagogik voneinander lernen“ war auch der Titel des Festvortrages, den die beiden Gründer*innen des neuen Zentrums, Prof. Dr. Tomáš Zdražil, der an der Freien Hochschule Stuttgart bereits eine Professur für schulische Gesundheitsförderung innehat, und Dr. Karin Michael, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, gemeinsam hielten. In ihrer täglichen Praxis der Kinderambulanz erlebte die Medizinerin früh die dramatischen Auswirkungen der vergangenen zwei Jahre auf ihre Patient*innen. „Im Grunde war die Corona-Pandemie aber nur die Lupe, die bereits lange bestehende Probleme noch einmal dramatisch vergrößert hat“, erklärte sie. „In den 20 Jahren meiner Tätigkeit als Ärztin konnte ich, ebenso wie viele Kolleg*innen, eine stetige und alarmierende Zunahme der körperlichen und psychischen Beschwerden bei Kindern beobachten – von Übergewicht durch Bewegungsmangel über Vereinsamung bis hin zu verhaltenspsychologischen Auffälligkeiten.“ So ist die Pandemie ist aus ihrer Sicht nur ein Schrittmacher für die zunehmend ungesunde alltägliche Lebenssituation vieler Kinder. „Wir möchten mit unserem Zentrum präventiv arbeiten, um zu einem möglichst frühen Zeitpunkt helfend eingreifen zu können.“
Eine ausführliche Festschrift mit vielen Beiträgen, die von verschiedensten Seiten verdeutlichen, wie das Lernen und die gesunde Entwicklung eines Kindes Hand in Hand gehen können, erschien im Verlag am Goetheanum.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Tomáš Zdražil
zdrazil@freie-hochschule-stuttgart.de
Originalpublikation:
Wege zu einer nachhaltigen Gesundheit
Festschrift des von Tessin-Zentrums für Gesundheit und Pädagogik
Hrsg. M. Maurer, K. Michael, T. Zdražil
Verlag am Goetheanum, 2022
ISBN 978-3-7235-1703-1
Weitere Informationen:
https://www.tessin-zentrum.de/