Kosovo und Serbien – Die westliche Naivität muss enden: Kommentar von Südosteuropahistoriker Dr. Konrad Clewing
Die politischen Spannungen zwischen Serbien und Kosovo haben weiter zugenommen. Am Sonntag, 31. Juli, kam es im Norden Kosovos zu Blockaden von Grenzübergängen, auch Schüsse wurden abgegeben. Auslöser war ein Streit um eine Verschärfung von Einreiseregeln. Dr. Konrad Clewing, Südosteuropahistoriker am Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung, kommentiert:
Ein Genozid drohe auf dem Balkan – verübt von der kosovarischen Regierung an der serbischen Bevölkerungsgruppe im Kosovo. Das jedenfalls vermelden seit Wochen die öffentlichen Medien Serbiens, die fast alle direkt oder indirekt unter Kontrolle der Regierung stehen. Solche Meldungen sind natürlich Unsinn – aber ein gefährlicher. Denn so kamen die jüngsten Aktionen „serbischer Bürger des Nordkosovo“ zur Blockade der nahegelegenen Grenzübergänge zwischen beiden Ländern, begleitet von serbischen Kampfflugzeugen auf der Nordseite der Grenze, keineswegs aus dem Nichts.
In diesem – glücklicherweise noch nicht allzu dramatischen – Geschehen zeigt sich allerdings ein viel größeres Problem: Die westliche Sicherheitsarchitektur für Kosovo und damit für den Frieden auf dem Balkan ist brüchig. Allzu lange hat sich der Westen darauf verlassen, dass Serbien seine Ansprüche auf das Gebiet des Kosovo schon irgendwie nicht ganz so ernst meinen würde. Über serbische Regierungsorgane für Kosovo, die dessen staatliche Existenz bestreiten und unterminieren, wurde in aller Regel milde hinweggesehen – so schlimm sei das alles schon nicht gemeint, allenfalls der kleine vorwiegend serbisch besiedelte Nordkosovo befinde sich wirklich im Visier der Belgrader Territorialansprüche.
Die russische Rhetorik gegen die Ukraine vor dem Kriegsausbruch sollte allerdings Menetekel genug sein, nicht weiterhin so naiv zwischen „verbalem Radikalismus“ und „realpolitischer Bescheidenheit“ revisionistischer Ziele zu unterscheiden. Kosovos Sicherheit, und damit der Frieden in jenem Teil Europas, wird effektiv vor allem durch die 1999 installierte Nato-Mission der KFOR gesichert, die aber als Erbe ihrer Entstehungszeit die äußere Sicherheit Kosovos gar nicht explizit in ihrem Mandat verankert hat. Das wird auch so bleiben, da dieses Mandat an eine Sicherheitsratsresolution der Vereinten Nationen geknüpft ist – wo Russland als informelle Schutzmacht Serbiens, und auch aus eigenen Machtinteressen, einer Änderung niemals zustimmen würde. Der Westen sollte deshalb dringend über eine stabilere Sicherheitskonstruktion nachdenken. Realistisch betrachtet kann sie nur in der Nato-Mitgliedschaft für Kosovo liegen, und als erster Schritt dazu in der Vergabe eines entsprechenden Kandidatenstatus.
Der gesamte Kommentar unter: https://ostblog.hypotheses.org/3527
Originalpublikation:
https://ostblog.hypotheses.org/3527