Free Media Awards 2022 gehen an ukrainische Fotografen, Journalist:innen und Medien
Die Fotografen Mstyslav Chernov und Evgeniy Maloletka, die Journalistin und Autorin Nataliya Gumenyuk, die Online-Zeitung Zaborona, der Foto- und Videokorrespondent Andriy Dubchak und der Journalist Vladyslav Yesypenko, der derzeit als politischer Gefangener inhaftiert ist, werden in diesem Jahr mit den Free Media Awards ausgezeichnet. Darüber hinaus wird die Arbeit der sogenannten „Fixer" in der Ukraine für internationale Korrespondent:innen besonders gewürdigt.
Die Free Media Awards werden seit 2009 gemeinsam von der norwegischen Stiftung Fritt Ord und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius an Journalist:innen aus Osteuropa vergeben, die für eine unabhängige Berichterstattung kämpfen.
„Die Free Media Awards 2022 gehen an Journalist:innen, Fotografen und Videofilmer in der Ukraine, die für ihre unabhängige Berichterstattung oft ihr eigenes Leben riskieren. Ohne ihre eindringlichen Fotos, ihre detaillierten Berichte aus Mariupol, Butscha oder Mykolaiv könnten viele ausländische Medien nicht über den Krieg berichten. An der Grenze der Europäischen Union verteidigen ukrainische Journalist:innen so stellvertretend die Pressefreiheit.“, so Manuel J. Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
"Einige der mutigsten und wichtigsten journalistischen Beiträge unserer Zeit stammen aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die diesjährigen Preisträger:innen riskieren ihr Leben, um detailliert darüber zu berichten, was mit der Zivilbevölkerung und anderen Opfern dieser unvorstellbaren humanitären Katastrophe in Folge des Krieges geschieht." sagt Knut Olav Åmås, Vorsitzender der norwegischen Fritt Ord Stiftung.
Um diesen Einsatz zu würdigen, gehen die Free Media Awards in diesem Jahr geschlossen an ukrainische Medienschaffende. Mit ihrer Arbeit dokumentieren die Journalist:innen für die eigene Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft das Leid und die Herausforderungen, mit denen sich die Menschen in der Ukraine Aufgrund des russischen Angriffskriegs konfrontiert sehen.
Die Preisverleihung findet am Montag, den 17. Oktober 2022, im norwegischen Nobel-Institut in Oslo statt.
Über die Preisträger:innen:
Die Fotografen Mstyslav Chernov und Evgeniy Maloletka erhalten gemeinsam einen Free Media Award für ihre außergewöhnliche und mutige Bildberichterstattung der russischen Belagerung und Bombardierung von Mariupol. Ihre Berichte und vor allem ihre Fotos zeigen der ganzen Welt das Leid und die Misshandlungen, die der lokalen Bevölkerung zugefügt wurden. Tschernow und Maloletka riskierten ihr Leben, indem sie in Mariupol blieben, um den russischen Angriffskrieg zu dokumentieren. Ihre Bilder über die Bombardierung der Entbindungsstation wurde von fast allen internationalen Nachrichtenagenturen verwendet. Mstyslav Chernov ist Kriegsberichterstatter, Fotograf, Videofilmer und Journalist für Associated Press (AP) sowie Präsident des ukrainischen Verbands der Berufsfotografen. Evgeniy Maloletka arbeitet als freier Mitarbeiter für AP und andere internationale Medien. Die Fotografen wurden u.a. vom Norwegischen Helsinki Komitee nominiert.
Die Journalistin und Autorin Nataliya Gumenyuk erhält einen Free Media Award für ihre eindringlichen Berichte über die Schrecken des Krieges in ukrainischen Orten wie Charkiw, Bucha und Mykolajiw. Mit Integrität, Menschlichkeit und Tiefgang gibt Gumenyuk den Opfern des Krieges eine Stimme und beobachtet scharfsinnig den Widerstand in der ukrainischen Gesellschaft. Sie hat sich auf Auslands- und Konfliktberichterstattung spezialisiert und vor kurzem das Public Interest Journalism Lab (PIJL) gegründet, eine ukrainische Medienorganisation, in der Journalist:innen und Soziolog:innen zusammenarbeiten, um neue journalistische Ansätze zu entwickeln. PIJL konzentriert sich seit Beginn der russischen Invasion auf die Berichterstattung von der Front und ist Mitbegründer des Projekts The Reckoning, das vertiefte Medieninhalte erstellt und juristische Beweise für die Aufklärung von Kriegsverbrechen liefert. Gumenyuks Texte wurden in DIE ZEIT, The Atlantic, The Guardian, The Rolling Stone und The Washington Post veröffentlicht. Sie hat mehrere Bücher herausgegeben, u.a. The Lost Island: Tales from the Occupied Crimea (2020).
Ein weiterer Free Media Award geht an Zabarona für seine kritischen, investigativen Geschichten und Berichte, unter anderem über rechtsextreme Bewegungen in der Ukraine, in Russland und in anderen postsowjetischen Ländern und deren Verbindungen. Die herausragenden, unabhängigen Journalist:innen, die für die Online-Zeitung arbeiten, bleiben journalistischen Standards auch in Zeiten des Krieges treu. Zaborona bedeutet "Tabu" auf Ukrainisch. Die Zeitung greift Themen auf, die von anderen ukrainischen Medien häufig nicht behandelt werden, wie beispielsweise Rechtsradikalismus, Feminismus oder LGBTQ-Themen. Kateryna Sergatskova ist Chefredakteurin der in Kiew ansässigen Online-Zeitung. Sie gründete Zaborona zusammen mit Roman Stepanovych im Jahr 2018. Zaborona publiziert seine Texte auf Englisch und Ukrainisch und wird in weiten Teilen der Ukraine und anderen Ländern, darunter Polen, Weißrussland, Moldawien und den USA gelesen.
Der Foto- und Videokorrespondent Andriy Dubchak wird für seine unerschrockene, professionelle Berichterstattung aus Kampfgebieten, bei der er oft sein eigenes Leben riskiert mit einem Free Media Award ausgezeichnet. Er war viele Jahre Korrespondent für den ukrainischen Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty. Seit der Gründung des unabhängigen, interaktiven Mediums Donbas Frontliner im Jahr 2021 sind die Foto- und Videoreportagen von Andriy Dubchak eine der wichtigsten Informationsquellen über das Leben an der Front im Donbas. Donbas Frontliner berichtet über den militärischen Konflikt und den hybriden Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Seit Februar 2022 arbeitet Andriy Dubchak als Kriegsberichterstatter in Kiew und der umliegenden Region und dokumentiert dort das Ausmaß der humanitären Katastrophe. Nominiert wurde Andriy Dubtschak vom ukrainischen Journalisten Stanislav Aseyev.
Der freiberufliche Journalist Vladyslav Yesypenko ist derzeit ein politischer Gefangener auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim. Sein Schicksal steht beispielhaft für die Verfolgung von Journalist:innen, die versuchen, von der Krim zu berichten. Vladyslav Yesypenko wurde, wie alle ukrainischen Staatsbürger auf der Krim, nach der Annexion der Halbinsel im Jahr 2014 von russischen Behörden gezwungen, den russischen Pass anzunehmen. Rechtlich gesehen bleibt er ukrainischer Staatsbürger. Er wird mit einem Free Media Award für seine bedeutende Arbeit als Journalist unter extremen Bedingungen ausgezeichnet. Bevor er im März 2021 vom russischen Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) in Simferopol festgenommen wurde, weil er verdächtigt wurde, Informationen für den ukrainischen Geheimdienst zu sammeln, berichtete er für RFE/RL's Crimea.Realities über Enteignungen, das Leben der Krimtataren, ökologische Krisen und die Zerstörungen im Zuge der russischen Besetzung der Krim. Vladyslav Yesypenko wurde während seiner Inhaftierung mit Elektroschocks gefoltert und anschließend gezwungen, im russischen Fernsehen ein falsches Geständnis abzulegen. Im Februar 2022 wurde er zu fünf Jahren Haft verurteilt. Yesypenko wurde von der Human Rights House Foundation nominiert.
Eine besondere Erwähnung im Rahmen der Free Media Awards erhalten die sogenannten "Fixer". Sie unterstützen Auslandskorrespondent:innen bei ihrer Arbeit mit ihrer regionalen Kompetenz, Kontakten, Übersetzungen, Zeitplänen, Transportmitteln und Ortskenntnissen. Ohne ihre Unterstützung wäre eine ausgewogene Berichterstattung über den Krieg in vielen Fällen schwierig zu leisten. Häufig sind sie selbst Journalist:innen, die die regionalen Begebenheiten besonders gut kennen und verlässliche Quellen und Kontakte haben, deren Arbeit aber häufig unerwähnt bleibt.
Die Preisträger:innen wurden von internationalen Institutionen und Einrichtungen, die sich in oder für Osteuropa engagieren sowie Osteuropa-Expert:innen vorgeschlagen und von einer international besetzen Jury ausgewählt. Der sechsköpfige Jury gehören Ane Tusvik Bonde, Senior Advisor der Human Rights House Foundation, Alice Bota, Osteuropa-Reporterin der ZEIT, Juri Durkot, freier Journalist und Übersetzer, Guri Norstrøm, Auslandskorrespondent der Norwegian National Broadcasting Corporation, Martin Paulsen, Fachbereichsleiter Fremdsprachen der Universität Bergen, und Silvia Stöber, Reporterin und Redakteurin in der Investigativ Abteilung der Tagesschau (ARD) an.