Den Einstieg in die Forschung erleichtern - Erste Projekte in Förderprogramm für neuberufene HAW-Professoren bewilligt
Wie kann das Energiemanagement durch intelligente Steuerungselemente auf erneuerbare Energien angepasst werden, was können Weinnebenerzeugnisse für die Arzneimittelherstellung leisten und wie kann man die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Softwareentwicklung durch geeignete Instrumente fördern? Diese und weitere Fragen werden in acht Projekten an Hochschulen für angewandte Wissenschaften erforscht. Ziel des Anfang 2022 ausgeschriebenen Programms ist, neuberufenen Professorinnen und Professoren den Einstieg in die Forschung zu erleichtern. Das Programm wird am 08. September zum zweiten Mal ausgeschrieben.
Neuberufene Professorinnen und Professoren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind oft Quereinsteiger aus der Wirtschaft – und das ist durchaus gewollt. Schließlich sollen sie neben der wissenschaftlichen Qualifikation praktische Erfahrungen aus der Wirtschaft einbringen. Gleichzeitig hat sich das Leitbild der Hochschulen in den letzten Jahren tiefgreifend gewandelt. Neben der Lehre soll zunehmend anwendungsbezogene Forschung geleistet werden. Neuberufene Professoren stehen damit vor mehreren Herausforderungen gleichzeitig: sie müssen sich in einem für sie neuen Umfeld zurechtfinden, eine hohe Lehrbelastung meistern und ihre Aufgaben mit wenig Mitarbeitenden erfüllen. Wenig verwunderlich engagiert sich daher nur ein Teil der neuberufenen HAW-Professorinnen und -Professoren in der Forschung.
Dem will die Carl-Zeiss-Stiftung mit dem Anfang 2022 erstmals ausgeschriebenen Programm CZS Forschungsstart entgegenwirken. Eine zweijährige Förderung in Höhe von bis zu 150.000 Euro soll in der kritischen Phase direkt nach der Berufung den nötigen Freiraum für erste Forschungsaktivitäten schaffen.
„Gerade am Beginn der HAW-Tätigkeit werden entscheidende Weichen gestellt, ob die weitere Karriere mit oder ohne Forschung verläuft. Sobald Forschungsaktivitäten für einige Jahre ruhen, ist eine spätere Wiederaufnahme extrem schwierig“, sagt Dr. Felix Streiter, Geschäftsführer der Carl-Zeiss-Stiftung. „Dadurch wird erhebliches wissenschaftliches Potenzial verschenkt. Schätzungsweise nur 15 Prozent der HAW-Professuren ist in nennenswertem Umfang forschungsaktiv.“
In der ersten Ausschreibungsrunde wurden jetzt acht Projekte bewilligt. Am 08. September 2022 wird das Programm erneut ausgeschrieben. Antragsberechtigt sind alle neuberufenen HAW-Professorinnen und -Professoren in den Förderländern der Stiftung.
Acht Forschungsvisionen bewilligt – Von einem modernen Energiemanagement bis hin zur Nutzung von Weinnebenerzeugnissen für die Arzneimittelherstellung
Prof. Dr. Christian Friedrich, Professor für Künstliche Intelligenz in der Produktion an der Hochschule Karlsruhe, erforscht die Entwicklung intelligenter Softwareservices, die es Robotersystemen ermöglichen, selbstständig Montage- und Demontagepläne zu generieren und auszuführen. Prof. Dr.-Ing. Iman Taha, Professorin für nachhaltige Werkstoffe in der Kunststofftechnik an der Hochschule Aalen, entwickelt im Projekt BioLeit neue Bioverbundwerkstoffe für den Leichtbau. Die Forschungsvision von Prof. Taha umfasst die Entwicklung neuer Werkstoffe, die als Teil einer zirkulären Ökonomie dienen. Prof. Dr. Andreas Walter, Professor für biomedizinische Bildgebung & Biophotonik an der Hochschule Aalen, erforscht die superauflösende Kryo-Fluoreszenzmikroskopie und deren Kombination mit Rasterelektronenmikroskopie. Durch die erhöhte Auflösung in Kombination mit der Analyse der Zellorganisation und Architekturstruktur soll ein tieferes Verständnis der Funktionsweise von Krankheiten und Organismen erreicht werden. Die Forschungsvision von Prof. Dr. Fabian Kennel, Professor für Automatisierungs- und Energiesystemtechnik am Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier, ist, das Energiemanagement von Energienetzen neu zu denken. Temporäre Überschüsse in einem Sektor wie Strom sollen zur Erzeugung von Rohstoffen in einem anderen Sektor wie z. B. Gas genutzt und intelligente Steuerungselemente eingesetzt werden. Die Steuerungselemente sollen den Verbrauch in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit regeln (z. B. eine Waschmaschine, die sich dann anschaltet, wenn genügend Strom vorhanden ist). Mit diesen Ansätzen sollen Einspareffekte genutzt und ein Beitrag zur Netzstabilität geleistet werden. Prof. Claudia Nass Bauer, Professorin für Design-Strategie an der Hochschule Mainz, erforscht neue Methoden für eine wertorientierte interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Entwicklung von datenintensiven Softwaresystemen. Ethische Werte wie Vielfalt, Transparenz, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit sollen dadurch auch bei Datenintensiven Verfahren stärker berücksichtigt werden. Die neuen Werkzeuge sollen in hybriden Umgebungen, d. h. physisch und digital eingesetzt werden können. Prof. Dr. Lena Keller, Professorin für Oenologie und Prozesstechnik der Hochschule Kaiserslautern am Weincampus Neustadt, beschäftigt sich in ihrem Forschungsprojekt mit antibakteriellen und pilzhemmenden Naturstoffen von und für Weinreben (Vitis vinifera). Neben der Funktion dieser Stoffe für die Weinrebe wird vor allem der potenzielle Einsatz für die Entwicklung neuer Arzneistoffe in Kooperation mit dem Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland betrachtet. Langfristig zielt die Forschungsvision von Prof. Keller auf den Ausbau des Forschungsstandorts in der Analytik von Most- und Weininhaltsstoffen sowie der Naturstoffforschung ab. Darüber hinaus wird eine Anknüpfung an die Biotechnologie sowie die pharmazeutische Forschung angestrebt. Prof. Dr. Christoph Koch, Professor für Technische Chemie und Umweltchemie, zielt mit seinem Projekt auf die Erstellung eines Bodenkatasters der Gärten in Thüringen. Einwohner entnehmen dazu Bodenproben (Citizen Science), die an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena ausgewertet und auf Schadstoffe sowie auf die Konzentrationen klassischer Nährstoffe geprüft werden. Prof. Dr. Frank Pothen, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena, analysiert die Verfügbarkeit von Stahlschrott als Rohstoff u. a. um bestehende Ressourcen zu schonen. Sein Marktmodell bezieht dabei die Wirkung von Klima- und Handelspolitik ein.
Weitere Informationen:
https://www.carl-zeiss-stiftung.de/programm/czs-forschungsstart Weitere Informationen zur zweiten Ausschreibung CZS Forschungsstart ab 08. September 2022